Unwissenheit und Gender Pay Gap: Frauen finden ihr geringeres Gehalt gar nicht ungerecht
(ghk)/ Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen, neu-deutsch oft als „Gender Pay Gap“ umschrieben, nehmen in zahlreichen aktuellen Pressemeldungen und Studien eine immer wichtigere Rolle ein. Neuestes Beispiel ist der Bericht im Personalmagazin aus dem Freiburger Haufe-Verlag, das zur Pflichtlektüre der Personaler dieser Republik gehört. So stellt das Personalmagazin zunächst einmal die altbekannten Positionen dar:
- Frauen verdienen am deutschen Arbeitsmarkt weniger als vergleichbar ausgebildete Männer.
- Diese Tatsache wird allgemein als ungerecht empfunden.
- Zudem gestehen sie auch anderen Frauen ein deutlich geringeres Einkommen zu als vergleichbaren Männern.
Weiterhin schreibt das Personalmagazin, dass Wissenschaftler nun herausgefunden haben, dass Frauen tatsächlich auch geringere Ansprüche an ihr Gehalt haben. Die Hintergründe dieser Gehaltsunterschiede werden in den gängigen Klischees wie ein Argumentations-Mantra wiederholt:
Frauen empfinden Gehaltsunterschiede zu Männern im Einzelfall nicht als ungerecht.
Die Wissenschaftler der Universitäten Bielefeld und Konstanz sowie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin zeigen, dass, wenn nach den konkreten Vorstellungen gefragt wird, wie hoch ein gerechtes Arbeitseinkommen im konkreten Einzelfall sein sollte, einer Frau ein deutlich geringerer Lohn zugebilligt wird als einem gleich qualifizierten Mann. Entscheidend ist dabei, dass nicht nur Männer dieser Meinung sind, sondern Frauen diese Ansicht teilen. Diese Ergebnisse stützen sich auf insgesamt drei repräsentative Bevölkerungsumfragen, die in den Jahren 2008 und 2009 deutschlandweit durchgeführt wurden.
Gründe für die Einkommensunterschiede
Zu den Ursachen für die unterschiedlichen Einkommen von Männern und Frauen tragen möglicherweise in der Bevölkerung verankerte Vorstellungen darüber bei, dass es vornehmliche Aufgabe des Mannes ist, seine Familie zu versorgen und der Platz der Frauen zunächst im Haushalt ist, so die Studienautoren. Außerdem bilden sich Vorstellungen über gerechte Einkommen vor allem über Vergleiche mit anderen.
Dabei besteht die grundsätzliche Tendenz, sich mit Personen zu vergleichen, die ähnliche Merkmale aufweisen wie man selbst. Dementsprechend vergleichen sich Frauen zunächst mit anderen Frauen. Wenn Frauen häufig in „Frauenberufen“ tätig sind, das Lohnniveau in diesen Berufen aber niedriger ist als in „Männerberufen“, so vergleichen sie sich immer mit denjenigen, die weniger verdienen als Männer.
Frauen, die in Haushalten leben, in denen beide Partner erwerbstätig sind, haben jedoch deutlich höhere Ansprüche an ihr Einkommen als allein lebende Frauen oder alleinverdienende Frauen. Ein Grund für diesen Unterschied besteht in den Vergleichsmöglichkeiten, die sich Frauen in Zweiverdienerhaushalten eröffnen. Sie können sich mit ihren – in der Regel besser bezahlten – Männern direkt vergleichen.
Dies gilt insbesondere, wenn beide im gleichen Beruf tätig sind oder über eine ähnliche Ausbildung verfügen. Frauen können unter diesen Bedingungen Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern unmittelbar wahrnehmen. Deshalb haben Frauen in Zweiverdienerhaushalten ein deutlich höheres Ungerechtigkeitsempfinden im Bezug auf ihr eigenes Einkommen als Frauen, die alleine leben.
Damit erschöpft sich die redaktionelle Argumentation der Personalmagaziner. In der Original-Meldung des DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin) liest sich das in wesentlichen Punkten ganz anders.Die Redakteure des DIW zeigen jedoch noch mehr Ursachen für den Gender Pay Gap auf, als das Personalmagazins erwähnen wollte.
Das DIW argumentiert in seiner Meldung, die „Wahrgenommene Einkommensgerechtigkeit sei konjunkturabhängig“. Weiterhin weisen die Forscher am DIW darauf hin, dass insbesondere die „Intransparenz des Entlohnungssystems“ eine grosse Rolle für die empfundene „Gehaltsgerechtigkeit“ spielt. So schreibt das DIW:
Frauen bescheiden sich beim Einkommen – aus Unkenntnis
Das Einkommen, das Frauen für sich als gerecht ansehen, liegt überraschenderweise unter dem Einkommen, das Männer real erzielen. Die Zurückhaltung zeigte sich bei ungelernten Hilfskräften ebenso wie bei Akademikerinnen. Die Untersuchungsergebnisse weisen auf die Folgen von Geschlechterstereotypen und Intransparenz bei der Entlohnung hin: Da Frauen häufig in Frauenberufen tätig sind, das Lohnniveau in diesen Berufen aber niedriger ist als in Männerberufen, vergleichen sie ihr Gehalt eher mit dem anderer Frauen und stellen deshalb auch geringere Forderungen.
Die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen kann also nicht allein durch individuelle Anstrengungen reduziert werden, solange die Entlohnungssysteme nicht transparent gemacht werden. Wenn sie die Lohnunterschiede zu ihren männlichen Kollegen sehen, werden Frauen auch höhere Forderungen stellen.
Weiterführende Links:
Personalmagazin: Studie: Frauen finden ihr geringeres Gehalt gar nicht ungerecht
DIW: Wahrgenommene Einkommensgerechtigkeit ist konjunkturabhängig