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Gleichstellung der Geschlechter − Zeit zu handeln

Die Frage der Gleichstellung der Geschlechter ist nicht nur eine Frage der wirtschaftlichen Teilhabe. Sie ist ein moralischer Imperativ – ein Imperativ der Fairness und Gerechtigkeit, der zahlreiche politische, soziale und kulturelle Dimensionen hat. Zudem belegen  Umfrageergebnisse, dass die Geschlechtergleichstellung weltweit ein entscheidender Faktor für subjektives Wohlbefinden und Zufriedenheit ist.


Viele Länder in aller Welt haben in den letzten Jahrzehnten erhebliche Fortschritte bei der Förderung der Gleichstellung der Geschlechter im Bildungsbereich erzielt. Auf einigen Gebieten erzielen die Mädchen heute bessere Ergebnisse als die Jungen, und sie brechen mit geringer Wahrscheinlichkeit die Schule ab als Jungen. Doch damit ist erst der halbe Weg geschafft: Frauen verdienen noch immer weniger als Männer, sie gelangen seltener an die Spitze der Karriereleiter, und sie laufen größere Gefahr, die letzten Jahre ihres Lebens in Armut zu verbringen.

Chancenungleichheit zwischen Männern und Frauen bedeutet nicht nur, dass auf einen erheblichen Teil des wichtigen Beitrags verzichtet wird, den Frauen zum Wirtschaftsgeschehen leisten können, sondern auch, dass Jahre der Investition in die Bildung von Mädchen und jungen Frauen vergeudet werden. Durch eine optimale Nutzung der vorhandenen Kompetenzen und Talente wird sichergestellt, dass Männer und Frauen die gleiche Chance haben, ihren Beitrag zu leisten – zu Hause und am Arbeitsplatz –, womit sich ihr eigenes Wohlergehen und das der Gesellschaft erhöht.

Ökonomische Gründe für die Gleichstellung der Geschlechter

Etwa die Hälfte des im OECD-Raum in den vergangenen fünfzig Jahren verzeichneten Wirtschaftswachstums war dem Anstieg des Bildungsniveaus geschuldet – und dieser Anstieg war zu einem großen Teil darauf zurückzuführen, dass mehr Mädchen höhere Bildungsabschlüsse erworben haben und dass die Zahl der Bildungsjahre von Frauen und Männern sich immer weiter angeglichen hat.

Mehr Chancengleichheit in der Bildung ist jedoch keine Garantie für Chancengleichheit am Arbeitsplatz. Wenn hohe Kinderbetreuungskosten zur Folge haben, dass es sich für Frauen nicht lohnt, einer Vollzeitbeschäftigung nachzugehen, wenn die herrschende Arbeitsplatzkultur bedeutet, dass die Karriere von Frauen leidet, wenn sie eine Babypause einlegen, und wenn es weiterhin die Frauen sind, die die Last der unbezahlten Hausarbeit, der Kinderbetreuung und der Pflege älterer Familienangehöriger tragen, dann wird es ihnen schwer fallen, ihr Erwerbspotenzial voll auszuschöpfen. Und wenn in Entwicklungsländern diskriminierend wirkende soziale Normen dazu führen, dass Frauen früh heiraten und nur begrenzt Zugang zu Krediten haben, dann kann sich der erhebliche Anstieg des Bildungsniveaus der Mädchen dort möglicherweise nicht in einer erhöhten formellen Beschäftigung und unternehmerischen Initiative niederschlagen.

Es handelt sich hier um komplexe Fragen, die nur dann erfolgreich gelöst werden können, wenn sich die Funktionsweise unserer Gesellschaft und Wirtschaft ändert. Männer und Frauen müssen in der Lage sein, Berufs- und Privatleben in einer Weise miteinander in Einklang zu bringen, die ihren Anforderungen gerecht wird, und zwar unabhängig von Familienstand oder Haushaltseinkommen.

 

Die Arbeitsteilung in der Kindererziehung kann sich schwierig gestalten, wenn in den Unternehmen eine Kultur herrscht, die Männern fehlendes berufliches Engagement unterstellt, wenn sie die Möglichkeit eines Elternurlaubs nutzen, und die Frauen mit Kindern aufs berufliche Abstellgleis schiebt. Und wenn keine guten, erschwinglichen Kinderbetreuungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, kann es für viele Eltern – und insbesondere für solche mit geringerem Einkommen – schlicht und einfach unmöglich sein, gleichzeitig auf Vollzeitbasis zu arbeiten und sich um ihre Familien zu kümmern.

Gut durchdachte Politikmaßnahmen können hier helfen, mögliche weitere Eingriffe müssen jedoch genau geprüft werden, um sicherzustellen, dass künftige Veränderungen sich genauso positiv auf das Wachstum und die soziale Lage auswirken, wie dies in der Vergangenheit für die Erhöhung des Bildungsniveaus zu beobachten war. Dazu sind u.U. allgemeine Politikreformen in den Bereichen Wirtschaft, Arbeitsmarkt und unternehmerische Initiative notwendig und muss dem Mangel an umfassenden und verlässlichen Informationen auf einigen wichtigen Gebieten entgegengewirkt werden.

In Entwicklungsländern hat die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter mindestens genauso viele – wenn nicht sogar noch mehr – positive Effekte, denn die wirtschaftliche Teilhabe von Frauen ist Voraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung, ein armutsminderndes Wachstum und die Verwirklichung sämtlicher Millenniumsentwicklungsziele. Investitionen in die Gleichstellung der Geschlechter sind von allen Entwicklungsinvestitionen diejenigen, die die größten Erträge bringen.

Bildung

In den meisten Ländern der Welt ist es zwar inzwischen gelungen, den Zugang zur Grundschulbildung für alle zu gewährleisten, im Bereich der Sekundar- und der Hochschulbildung ist die Erfolgsbilanz jedoch wesentlich uneinheitlicher. Außerdem muss die Politik weiter entschlossen darauf hinwirken, dass eine kontinuierliche Verbesserung der Qualität der Bildung gesichert ist.

Mädchen haben in West-, Ost- und Mittelafrika sowie in Südasien noch immer weniger Chancen als Jungen, eine Sekundarschulbildung überhaupt nur beginnen zu können. In den OECD-Ländern ist die Bildungsteilnahme im Sekundarbereich weniger ein Problem, da dort im Allgemeinen bis zum Alter von 15 oder 16 Jahren Schulpflicht herrscht. Jungen brechen die Schule im Sekundarbereich jedoch mit größerer  Wahrscheinlichkeit ab, gerade in Hocheinkommensländern.

Das hat zur Folge, dass junge Frauen in vielen OECD-Ländern zunehmend besser ausgebildet sind als junge Männer. Was z.B. ihre Lesekompetenz anbelangt, liegen die Jungen am Ende der Pflichtschulzeit im Durchschnitt um das Äquivalent von einem Schuljahr hinter den Mädchen. Zudem verbringen sie mit weitaus geringerer Wahrscheinlichkeit Zeit damit, zum Vergnügen zu lesen. In Mathematik erzielen die Jungen bessere Ergebnisse als dieMädchen, der Leistungsunterschied zwischen den Geschlechtern ist dort jedoch geringer als im Bereich der Lesekompetenz.

Mädchen entscheiden sich noch immer mit geringerer Wahrscheinlichkeit für ein Studium in naturwissenschaftlichen oder technischen Fächern, und selbst wenn sie dies tun, ergreifen sie mit geringerer Wahrscheinlichkeit einen Beruf in diesen Bereichen – was Anlass zu Besorgnis gibt in Anbetracht des herrschenden Fachkräftemangels, der im Allgemeinen besseren Aufstiegs- und Verdienstchancen in naturwissenschaftlichen und technischen Berufen sowie der wahrscheinlich bestehenden positiven Ausstrahlungseffekte auf Innovation und Wachstum.

Bildungsvorstellungen und -erwartungen entwickeln sich in den OECD-Ländern bereits zu einem frühen Zeitpunkt im Leben, weshalb eine Antwort auf dieses Problem darin bestehen sollte, mehr Aufmerksamkeit auf die Veränderung von geschlechtsstereotypen Vorstellungen und Einstellungen in jungen Jahren zu richten. Geschlechtsstereotype Vorstellungen werden häufig auf subtile, unauffällige Art und Weise im Elternhaus, in der Schule und im gesellschaftlichen Kontext geprägt. Wenn die Grundschullehrer fast immer Frauen und die Lehrkräfte im Sekundarbereich, vor allem in Naturwissenschaften, hauptsächlich Männer sind – welcher Eindruck von der Erwachsenenwelt wird Jungen und Mädchen dann vermittelt?

Wenn die Beispiele in den Lehrbüchern klassische Rollenverteilungen widerspiegeln – die Mutter ist Krankenschwester, der Vater Ingenieur –, und wenn die Lehrkräfte selbst ihre Vorstellungen von den jeweiligen Fähigkeiten von Mädchen und Jungen in Mathematik oder Sprachen auf die Schüler projizieren – welche Einstellung zu diesen Fächern werden die Kinder dann entwickeln? Die Veränderung von Geschlechterstereotypen in der Schule ist indessen nur ein Teil der Gleichung, denn solche Einstellungen werden auch entscheidend durch das Elternhaus geprägt.

In Entwicklungsländern, wo es sich die Eltern u.U. nicht leisten können, alle ihre Kinder zur Schule zu schicken, wird häufig den Jungen der Vortritt gelassen. In der Tat steigen die Schulbesuchsquoten der Mädchen, wenn die Grundschulbildung kostenlos ist. Die Kosten der Bildung beschränken sich jedoch nicht auf die Schulgebühren. Auch Schuluniformen und -mahlzeiten kosten Geld – Unterstützung in diesen Bereichen kann dazu beitragen, dass Mädchen zur Schule gehen und dort auch bis zum Ende der Sekundarschulzeit bleiben. Außerdem ist Bildung ein Geschenk, das immer wieder weitergeschenkt wird: Mädchen, die zur Schule gegangen sind, werden später zu Müttern, die ihrerseits Wert darauf legen, dass ihre Töchter eine gute Ausbildung erhalten.

Um den größten wirtschaftlichen und sozialen Nutzen aus Bildungsinvestitionen zu ziehen, ist es daher wichtig, zu untersuchen, warum genau sich die Einstellungen von Mädchen und Jungen zum Lesen und zu Mathematik unterscheiden und wie dieses Ungleichgewicht beseitigt werden kann. In den Entwicklungsländern muss sich das Hauptaugenmerk indessen weiterhin darauf richten, dass die Mädchen eingeschult werden und ihre Schulbildung abschließen können, wobei es auch darum geht, dafür zu sorgen, dass ihr Schulweg sicher ist und dass in den Schulen geeignete sanitäre Einrichtungen vorhanden sind.

Beschäftigung

Der Übergang von der Bildung in die Erwerbstätigkeit ist ein entscheidender Moment, in dem viele Aspekte der Ungleichbehandlung, mit der sich Frauen während ihrer gesamten Berufslaufbahn konfrontiert sehen, ihren Ursprung nehmen. In den letzten Jahren ist die Zahl der Frauen gestiegen, die in den Arbeitsmarkt eingetreten sind, sie stehen jedoch häufig vor größeren Schwierigkeiten als Männer bei der Suche nach einer ersten Stelle, verdienen weniger und arbeiten mit größerer Wahrscheinlichkeit auf Teilzeitbasis. Zudem führt die unterschiedliche Studienfächerwahl von jungen Frauen und Männern dazu, dass sich die „Geschlechtertrennung“ im Arbeitsmarkt fortsetzt und die Frauen im Unternehmenssektor unterrepräsentiert und in Gesundheits-, Sozial-, Erziehungs- und Verwaltungsberufen überrepräsentiert sind.

Solche Genderunterschiede existieren zu einem großen Teil deshalb, weil die Last der unbezahlten, aber unvermeidbaren Aufgaben des häuslichen Alltags, wie Kindererziehung und Hausarbeit, immer noch bei den Frauen liegt. In Entwicklungsländern ist die  Wahrscheinlichkeit, weder beschäftigt zu sein noch an Bildung oder Ausbildung teilzunehmen, bei jungen Frauen größer als bei ihren männlichen Altersgenossen. Und wenn Frauen dort in den Arbeitsmarkt eintreten, müssen sie sich mit größerer Wahrscheinlichkeit mit den unsichersten Arbeitsplätzen zufrieden geben, häufig im informellen Sektor.

Doch auch unabhängig von ihren familiären Verpflichtungen ist es für Frauen oft schwierig, auf der Karriereleiter aufzusteigen. Die Ungleichheit nimmt effektiv zu, je höher die Frauen auf der Gehaltsskala stehen: Während die Frauen im OECD-Raum im Durchschnitt  16% weniger verdienen als Männer, beläuft sich dieses Verdienstgefälle in der Gruppe der Spitzenverdiener auf 21%. Die sogenannte  „gläserne Decke“ existiert: Frauen sind bei der Besetzung von Entscheidungs- und Führungspositionen benachteiligt, und auf Ebene der Aufsichtsräte kommt nur noch eine Frau auf zehn Männer.

Das Beispiel Norwegens zeigt, dass Quotenregelungen ein wirksames Instrument zur Verbesserung des Gleichgewichts zwischen Männern und Frauen in den Aufsichtsorganen von Unternehmen sein können. Welche wirtschaftlichen Konsequenzen solche gesetzlichen Quotenregelungen insgesamt haben, muss sich jedoch erst noch zeigen. In der Zwischenzeit kann ein breites Spektrum von Instrumenten eingesetzt werden, um auf ein ausgewogeneres Geschlechterverhältnis hinzuarbeiten: Vorgabe von Zielen, Befolgung von Corporate- Governance-Kodizes sowie – in jedem Fall – Beobachtung und Bekanntmachung der erreichten Fortschritte.

Probleme mit der Vereinbarkeit von beruflichen und familiären Aufgaben sind der Hauptgrund für die ungleiche Beschäftigungsverteilung zwischen Männern und Frauen. Familien mit kleinen Kindern brauchen bezahlbare Kinderbetreuungsmöglichkeiten, wenn die Eltern einer Erwerbstätigkeit nachgehen sollen. Wenn der Großteil des Gehalts für die Kinderbetreuung ausgegeben werden muss, lohnt sich die Erwerbstätigkeit in finanzieller Hinsicht nicht oder nur kaum, so dass ein Elternteil – zumeist die Mutter – wahrscheinlich darauf verzichten wird, arbeiten zu gehen. Wie die Eltern das Leben im eigenen Haushalt organisieren, spielt aber ebenfalls eine wichtige Rolle. Vielfach wird die Kindererziehung noch immer implizit als die Aufgabe der Mutter betrachtet, und überall erledigen die Frauen einen größeren Teil der unbezahlten Arbeiten, unabhängig davon, ob sie Vollzeit berufstätig sind oder nicht.

Staatlichen Instanzen kommt eine wichtige Rolle bei der Förderung der Gleichstellung von Männern und Frauen zu, nicht nur indem sie die Genderdimension bei der Ausarbeitung und Evaluierung von Politikmaßnahmen berücksichtigen, sondern auch indem sie Chancengleichheit im öffentlichen Dienst garantieren – der Staat hat hier eine Vorbildfunktion für andere Arbeitgeber. Die Regierungen vieler Länder haben in der Tat große Anstrengungen unternommen, um Eltern dabei zu helfen, berufliche und familiäre Aufgaben miteinander zu vereinbaren, z.B. mit bezahltem Elternurlaub und Unterstützung bei der Kinderbetreuung.

Tatsache bleibt jedoch, dass es in erster Linie die Frauen sind, die familienfreundliche Maßnahmen, wie z.B. flexible Arbeitszeitregelungen, nutzen, womit sie die Vorstellung weiterleben lassen, dass familiäre Pflichten Frauensache sind. Auch die Unternehmen müssen über die Effekte ihrer Unternehmenskultur und ihrer Arbeitsweisen nachdenken.

 

Wenn Frauen gut für Unternehmen sind, warum schaffen es dann so wenige von ihnen in Führungspositionen und warum geben so viele einfach auf? Telearbeit, Teilzeit- oder befristete  Beschäftigungsverhältnisse können auf kurze Sicht attraktive Optionen zur Vereinbarung von Familie und Beruf sein, auf lange Sicht können sie sich jedoch als kostspielig erweisen – nicht nur in Bezug auf das Gehalt, sondern auch auf Rentenansprüche und Arbeitsplatzsicherheit. Familienfreundliche Formen der Arbeitsorganisation können es leichter machen, Berufs- und Privatleben miteinander zu vereinbaren, allerdings nur dann, wenn sie von Männern ebenso genutzt werden wie von Frauen.

Doch erleichtern die Arbeitgeber Männern und Frauen tatsächlich die Teilung der häuslichen und familiären Aufgaben außerhalb des Arbeitsplatzes? Was passiert z.B., wenn Männer ihre Elternurlaubsansprüche voll ausschöpfen? Wird ihnen dann unterstellt, dass sie es an beruflichem Engagement fehlen lassen, werden sie dann womöglich bei der nächsten Beförderung übergangen?

Veränderungen sind nicht immer einfach, und es braucht Zeit, bis sich tief verwurzelte Einstellungen im Kontakt mit einer sich wandelnden Realität verändern. Volkswirtschaften sind heute jedoch auf das gesamte vorhandene Angebot an Kompetenzen angewiesen, um für die Zukunft nachhaltiges Wachstum und Wohlstand zu sichern, während zugleich die richtige Balance gefunden werden muss zwischen häuslichen und beruflichen Pflichten, damit alle ein besseres Leben führen können.

Unternehmerische Initiative

Obwohl die Erwerbsbeteiligung der Frauen in den letzten fünfzig Jahren stetig gestiegen ist, sind sie unter den Unternehmern weiterhin deutlich unterrepräsentiert. Zu diesem Thema befragt, geben Frauen seltener als Männer an, dass sie einer selbstständigen Beschäftigung den Vorzug geben würden. Wenn sie sich selbstständig machen, nennen sie als Hauptgrund dafür häufiger als Männer eine bessere Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben und/oder wirtschaftliche Zwänge. Dennoch leisten Unternehmen, die im Besitz von Frauen sind, einen entscheidenden Beitrag zum Haushaltseinkommen und zum Wirtschaftswachstum.

Unternehmerische Initiative spielt in Entwicklungsländern eine ebenso wichtige Rolle für Arbeitsplatzschaffung, Innovationstätigkeit und Wachstum wie in Industrieländern. Die Förderung unternehmerischer Initiative ist ein wichtiges Politikziel aller Länder, die sich darin einig sind, dass eine hohe unternehmerische Aktivität eine nachhaltige Beschäftigungsschaffung sichern kann. Außerdem können erfolgreiche neue Unternehmen die Entwicklung innovativer Produkte, Verfahren und Organisationsformen fördern.

Doch während immer mehr Frauen eine abhängige Beschäftigung aufnehmen, hat sich die Zahl der weiblichen Unternehmer im OECD-Raum kaum verändert. Wenn Frauen Unternehmen gründen, geschieht dies zudem meist in kleinerem Rahmen und beschränkt sich auf ein begrenztes Spektrum von Sektoren. Selbstständig beschäftigte Frauen verdienen häufig 30-40% weniger als selbstständig beschäftigte Männer. Zwei wichtige Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Unternehmern tragen zur Erklärung dieses Verdienstgefälles bei: Frauen beginnen ihre unternehmerische Tätigkeit meist, ohne dass sie über viel Managementerfahrung verfügen, und sie verwenden deutlich weniger Zeit auf ihr Unternehmen als Männer.

Der Anteil der Unternehmen in Frauenbesitz liegt im OECD-Raum derzeit unverändert bei rd. 30% der Gesamtzahl der Unternehmen; in den Entwicklungsländern, wo dieser Anteil anfangs sehr niedrig war, bewegt er sich ebenfalls etwa auf diesem Niveau. Es müssen ganz klar mehr und bessere Informationen über die unternehmerische Tätigkeit als eine attraktive Karriereoption bereitgestellt werden, sowohl für junge Frauen, die noch in der Ausbildung sind, als auch für Frauen, die derzeit nicht am Arbeitsmarkt teilnehmen, aber über den Einstieg bzw. Wiedereinstieg ins Erwerbsleben nachdenken. Etwa ein Viertel der Frauen, die in Europa ein Unternehmen gründen, geben als Grund für die Rückkehr ins Erwerbsleben an, dass ihre Kinder nun alt genug sind, um ihnen dies zu gestatten.

Frauen nehmen auch mit geringerer Wahrscheinlichkeit Kredite auf, um ihre unternehmerische Tätigkeit zu finanzieren. Dafür gibt es mehrere Gründe. Von Frauen werden u.U. höhere Zinsen und mehr Bürgschaften verlangt, weil ihre Kreditbiografie häufig kürzer ist, sie geringere Betriebskapazitäten haben und weniger Sicherheiten stellen können. Es ist auch möglich, dass Frauen von vornherein darauf verzichten, Kreditanträge zu stellen, weil sie eine Ablehnung fürchten oder nicht genügend Vertrauen in das Wachstumspotenzial ihres Unternehmens haben.

 

In einigen Entwicklungsländern wird die Differenz zwischen den Kreditmöglichkeiten von Frauen und Männern durch eine Palette von Mikrokreditund sonstigen Finanzierungsmechanismen speziell für Frauen verringert, die häufig von internationalen Entwicklungsagenturen oder Nichtregierungsorganisationen angeboten werden. Solche Angebote können jedoch kein Ersatz für die Gleichbehandlung von Kreditanträgen von männlichen und weiblichen Unternehmern durch reguläre Finanzinstitute und Banken sein. Eines der Haupthindernisse bei der Untersuchung der Frage, wie die unternehmerische Initiative von Frauen gefördert werden kann, ist das Fehlen stichhaltiger, verlässlicher Daten. Daher ist es notwendig, mehr geschlechtsspezifische Daten in diesem Bereich zu sammeln.

Wichtigste Ergebnisse

Wirtschaftliche Faktoren, soziale Normen und Verankerung der Gleichstellung der Geschlechter in der öffentlichen Politik

  • Etwa die Hälfte des im OECD-Raum in den vergangenen fünfzig Jahren verzeichneten Wirtschaftswachstums war dem Anstieg des Bildungsniveaus zuzuschreiben.
  • Mehr Chancengleichheit für Jungen und Mädchen in der Bildung erhöht die Erwerbsbeteiligung von Frauen und das Wirtschaftswachstum.
  • Die Arbeitsmarktergebnisse der Frauen müssen verbessert werden, um für die Zukunft ein starkes, nachhaltiges und ausgewogenes Wirtschaftswachstum zu sichern.
  • Das Fortbestehen diskriminierend wirkender gesellschaftlicher Institutionen und kultureller Normen beschränkt in der Mehrzahl der Länder der Welt die wirtschaftlichen und sozialen Chancen von Mädchen und Frauen.
  • Mit Genderfragen befassten öffentlichen Stellen fehlt es oft an der nötigen Sichtbarkeit und Autorität sowie den erforderlichen Mitteln, um die Gleichstellung von Frauen und Männern wirksam und ressortübergreifend voranzutreiben.

Bildung

  • Der Zugang zu Primarbildung für alle ist in vielen Ländern so gut wie vollständig gesichert. Im Sekundarbereich brechen Jungen die Schule aber mit höherer Wahrscheinlichkeit ab als Mädchen, und dies gerade in Hocheinkommensländern, und junge Frauen sind zunehmend besser ausgebildet als junge Männer.
  • Mädchen erzielen im Bereich Lesekompetenz bessere Ergebnisse als Jungen, schneiden in Mathematik aber weniger gut ab, wobei ihr Leistungsrückstand allerdings geringer ist als der der Jungen im Lesebereich. Unterschiedliche Einstellungen sind ein wichtiger Erklärungsfaktor für diese Leistungsunterschiede zwischen Jungen und Mädchen.
  • Obwohl Mädchen hohe Erwartungen an ihre Bildungs- und Berufslaufbahn stellen, bestehen systematische Unterschiede zwischen den Geschlechtern bei der Studienfach- bzw. Ausbildungswahl im Tertiärbereich und in der beruflichen Bildung.
  • In vielen Niedrigeinkommensländern ist die Wahrscheinlichkeit, weder an bezahlter Beschäftigung noch an Bildung oder Ausbildung teilzunehmen, bei jungen Frauen größer als bei jungen Männern.

 

Beschäftigung

  • Die Arbeitsmarktbeteiligung der Frauen hat generell zugenommen, und die Geschlechterdifferenz bei der Erwerbsbeteiligung hat sich verringert. Die berufliche Segregation hat jedoch nicht abgenommen, zwischen Männern und Frauen besteht nach wie vor ein Lohngefälle, und Frauen sind in leitenden Funktionen und vor allem in Vorstand und Aufsichtsrat immer noch unterrepräsentiert.
  • Besonders wichtig für die Erhöhung der Beschäftigungsbeteiligung der Frauen und die Schaffung von mehr Chancengleichheit im gesamten Berufsleben sind Kinderbetreuungseinrichtungen.
  • Frauen leisten in allen Ländern mehr unbezahlte Arbeit als Männer, und wenn sie Kinder haben, vergrößert sich diese Differenz noch.
  • Frauen sind häufig auf Teilzeitbasis erwerbstätig, weil es dadurch für sie leichter ist, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren, dies geht jedoch häufig auf Kosten ihrer langfristigen Karriere- und Verdienstaussichten.

Unternehmerische Initiative

  • Der Ehrgeiz, ein eigenes Unternehmen zu gründen, ist bei Frauen geringer als bei Männern, und so bleiben Unternehmerinnen in allen Ländern in der Minderheit.
  • Unternehmen in Frauenbesitz sind in der Regel deutlich kleiner und weniger stark in kapitalintensiven Sektoren vertreten. Diese und andere Faktoren wirken sich in der Tendenz negativ auf ihren Umsatz, ihren Gewinn und ihre Arbeitsproduktivität aus.
  • Weibliche Unternehmer greifen sowohl bei der Unternehmensgründung als auch bei der Finanzierung ihrer Aktivitäten wesentlich weniger auf Kredite zurück als männliche Unternehmer.

 

Quellen: Text OECD, Fotos Crosswater Job Guide

 

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