Employer Branding Nachrichten Recruiting Social Media Recruiting

HR Social Media/Social Recruiting – trotz Kinderschuhen Ziele erreichen

Ein Gastbeitrag von Nina Kalmeyer

Nina Kalmeyer
Nina Kalmeyer

Ratingen. Ein verregneter Samstag Nachmittag. Gerade haben Sie es sich mit einer Tasse Tee und einem guten Buch auf dem Sofa bequem gemacht und sind mit sich und der Welt im Reinen. Dann klingelt das Telefon und schreckt Sie aus der nachmittäglichen Ruhe auf.
Irgendjemand, den Sie vielleicht einmal irgendwann irgendwo getroffen haben, ruft Sie an. Er bezeichnet sich als den einzigen Experten, wenn es um das Thema “Bücher” geht und verrät Ihnen, dass es Bücher ab sofort nur noch in einem Laden in der ganzen Stadt gebe. Springen Sie dann auf, lassen alles stehen und liegen und rennen in Socken und Wohlfühlkleidung durch den Regen und die ganze Stadt?


Sicher nicht. Zunächst werden Sie sich Gedanken darüber machen, wie zuverlässig die Information tatsächlich ist. Ist der Mensch, den Sie kaum kennen, wirklich ein Experte? Hat er einen nachweisbaren Background für das Thema oder weiß er gar nicht wovon er redet? Hat er vielleicht nicht einmal ein Bücherregal daheim oder kann er gar überhaupt nicht lesen? Sie werden Freunde anrufen, die ebenfalls gerne lesen, und fragen, ob sie schon einmal in dem bewussten Laden gekauft haben. Sie denken darüber nach, wie Sie den Laden schnell und bequem erreichen. Und vor allem: Sie ziehen sich Schuhe und eine Jacke an, bevor Sie das Haus verlassen.
Was hat das mit Personalbeschaffung oder dem Thema Social Recruiting zu tun?


In den vergangenen Wochen gab es mehrere Veranstaltungen, bei denen das Thema “Einsatz von Social Media in der Personalbeschaffung” ganz oben auf der Agenda stand. Jeder, der zu diesem Thema präsentierte, oder mit auf dem Podium saß, konnte sich eines großen Publikumsinteresses sicher sein. Wurde diesem großen Interesse auch durch interessante Inhalte Rechnung getragen?


Ich meine: NEIN.


Es wurden immer wieder die gleichen Studien präsentiert, die zusammengefasst das Fazit haben:

  • Im Personalmarketing & Recruiting stecken die Social-Media-Aktivitäten der Unternehmen noch in den Kinderschuhen.
  • Dax-Unternehmen stehen mit ihren Aktivitäten an erster Stelle und die TecDAX-Unternehmen sind das Schlusslicht. Kleine und mittelständische Unternehmen werden, wenn überhaupt, nur am Rande erwähnt.
  • Bisher sind die Budgets klein und die Erwartungen groß.

Was aber fängt der Durchschnittspersonaler, der seine Personalbeschaffungsprozesse auch “Social Media Ready” machen soll oder will, mit diesen Informationen an? Nichts.

Social Media Recruting: Sackgasse oder Königsweg? Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie die Experten, den Guru Ihres Vertrauens oder kontaktieren Sie die Hellseherin Madame Cathy Aurore in Mougins (Cote d'Azur, Frankreich)

Schlimmer noch: Inzwischen tummeln sich auf diesem Parkett eine Reihe von selbsternannten und sich gegenseitig immer wieder selbst empfehlenden “Experten”, die seit Monaten wie Missionare das Thema als neue “Recruiting Religion” den HR-Verantwortlichen bei jeder Gelegenheit predigen. Dies wird scheinbar mit den genannten Studien untermauert, die aber hauptsächlich dazu dienen sollen, den eigenen
“Expertenstatus” zu festigen.


Nun ist es ja nicht so, dass es für dieses Thema keine Experten am Markt gibt. Aber wie kann sich denn jemand als Social Media-Experte empfehlen, der weder twittert, noch bloggt, ein verödetes Xing-Profil hat, auf LinkedIn gar nicht vertreten ist, nicht weiß, wie ein Smartphone funktioniert oder beim Stichwort Reputation mit den Schultern zuckt? Aber auch ein halbwegs aktiver Twitter-oder Facebook Account und ein Blog, in dem pro Monat zwei oder drei Artikel gepostet werden, machen eine Person noch nicht zum Social Media-Experten. Aber wir wissen ja, unter den Blinden ist der Einäugige König!


Andere wiederum sind Experten darin, Social Media-Tools und -Plattformen mit allem drum und dran technisch und optisch sehr ansprechend zu implementieren. Wenn es aber dann beim Einsatz der Tools Probleme gibt, sind sie nicht die richtigen Ansprechpartner. Grund sind die fehlenden Kenntnisse von Recruiting-Prozessen, Kommunikationsprozessen, Change Management, um nur ein paar davon zu nennen.


Andererseits sind wie oben bereits erwähnt, Unternehmen meist noch nicht dazu bereit, für das Aufsetzen dieser Prozesse und das Entwickeln von interner Social Media-Kompetenz eigene Budgets bereit zu stellen. Dass die Success Stories bisher auf sich warten lassen, verwundert somit nicht.


Die selbst ernannten “Experten” erklären uns dann, dass Social Media noch in den Kinderschuhen steckt, dass natürlich noch viel ausprobiert werden muss, dass man erst Erfahrungen machen muss, um dann daraus zu lernen, um es dann besser machen zu können. Und dass es gar nicht schlimm ist, mit Sandalen durch den November-Regen gelaufen zu sein. Okay, Sie sind nass und haben sich erkältet. Aber das geht
doch wieder vorbei.


Leider bestehen diese Erfahrungen für Unternehmen, die mutig genug sind, sich in dieses neue Umfeld begeben, oft aus Fanpages, auf denen gähnende Langeweile oder Themenchaos herrscht, aus Blogs, bei denen Mitarbeiter nach Herzenslust über Themen bloggen, die sonst keinen Menschen interessieren oder aus Stellenanzeigen, die wie wild sinnlos durch die ganze Welt getwittert werden.


Themen werden unstrukturiert auf Plattformen platziert, ohne vorher zu prüfen, ob die Zielgruppe, die man erreichen will, auch dort ist oder ob diese Themen für sie überhaupt interessant sind. Mitarbeiter, die vor wenigen Wochen noch nicht einmal wussten, wie man sich auf Facebook registriert, werden ins Abenteuer Social Media gestürzt. Man probiert sich eben erst mal aus.


Erfahrungen müssen gemacht werden – das ist wahr. Allerdings lassen sich manche nasse Füße schon im Vorfeld vermeiden, wenn man sich im Vorfeld ein paar Gedanken macht.

1. Die richtigen Schuhe aussuchen
Bevor ein Unternehmen irgendwelche Aktivitäten im Social Web startet, braucht es eine Social Media-Richtlinie. Auch dann, wenn Sie Ihren Mitarbeitern sämtliche Zugriffe sperren, brauchen Sie eine. Denn viele Mitarbeiter werden trotzdem mit privaten Geräten in sozialen Netzen unterwegs sein – auch das muss abgeklärt sein.

2. Die Schuhe passend machen
Laden Sie sich nicht einfach einen dieser kostenlosen Beispiel-Leitfäden aus dem Internet, vertrauen Sie auch nicht auf einen der so genannten “Social Media-Experten”. Jedes Unternehmen braucht eine rechtssichere Richtlinie, die zu den individuellen Anforderungen passt. Lassen Sie sich von einer guten Kanzlei beraten. Deren Spezialisten werden Sie darauf aufmerksam machen, dass sich die Richtlinien auch in den Arbeitsverträgen wiederfinden müssen und dass eventuell eine Betriebsvereinbarung notwendig ist.

3. Schleife statt Knoten
Wenn die Richtlinie fertig ist, ist dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter sie auch verstanden und unterschrieben haben. Je nach Umfang der Richtlinie kann eine Trainingseinheit sinnvoll sein. Dies kann vor Ort, per Video, per e-Learning oder auch als Webinar umgesetzt werden.

4. Stilexperten befragen
Klug ist es ebenfalls, je nach Unternehmensgröße einen oder mehrere speziell geschulte Mitarbeiter als Ansprechpartner zur Verfügung zu stellen, wenn es Fragen zur Richtlinie bzw. zum richtlinienkonformen Verhalten gibt.

5. Im Winter die Stiefel, im Sommer Sandalen
Das Social Web entwickelt sich ständig weiter, deshalb ist auch die Richtlinie nicht als statisch zu verstehen, sondern muss regelmäßig überprüft und angepasst werden.Wenn Sie diese wichtigen Vorarbeiten geleistet haben, müssen Sie Ihren Mitarbeitern nicht die Zugänge während der Arbeitszeit sperren, denn die Richtlinie weist klar aus, was erlaubt ist und was nicht. Wenn sich ein Mitarbeiter nicht daran hält, hat er mit Konsequenzen zu rechnen.

Nun können Sie mit einem ersten Projekt starten.

  1. Sichern Sie sich im Vorfeld ein eigenes, genehmigtes Budget und vergessen Sie die interne Manpower nicht.
  2. Diskutieren Sie Ihr Anliegen, Social Media in Ihre Personalbeschaffung mit einzubeziehen, mit Beratern, die sich mit E-Recruiting, Recruitingprozessen und Personalmarketing auskennen. Eine Werbeagentur, die Produktmarketing im Web 2.0 macht, wird Ihren Ansprüchen nicht gerecht – Headhunter und Personalagenturen, die ebenfalls das Social Web als neue Spielwiese für sich entdeckt haben, übrigens auch nicht.
  3. Wenn das Konzept entwickelt ist, wird das Design umgesetzt.
  4. Konzentrieren Sie sich erst einmal auf eine Zielgruppe. Aber bedenken Sie, es ist schwer, mit nur EINER Facebook Karrierefanpage gezielt EINE Zielgruppe zu erreichen und zu binden.
  5. Denken Sie daran, dass gerade die über 35-jährigen im Social Web besonders aktiv sind und hohe Qualitätsansprüche im Hinblick auf Inhalte haben.
  6. Das Social Web ist keine Spielwiese für Praktikanten! Richten Sie eine Stabsstelle ein, wenn Ihnen das Thema ernst ist.
  7. Binden Sie erfolgreiche, angesehene Mitarbeiter ein. Stärken Sie deren Social Media-Kompetenz, denn sie liefern die besten Themen und Inhalte und haben eine hohe Glaubwürdigkeit.
  8. Das Social Web eignet sich nur sehr eingeschränkt zur kurzfristigen Personalbeschaffung. Setzen Sie sich Ihre Ziele mittelfristig, aber dafür nachhaltig.

Wenn Sie sich jetzt noch auf eine offene, dialogorientierte und authentische Kommunikation mit potentiellen Mitarbeitern freuen, sind Sie auf der Erfolgsspur! Und Sie werden sich freuen, dass Sie sich Gedanken über den Weg gemacht haben und die dafür passenden Schuhe sorgfältig ausgewählt haben.

newcruiting – Über uns:

Wir nennen uns weder Social Media Experten noch Social Media Berater. Unsere Expertise beruht nicht nur auf Studien oder einem ‚Hype‘ sondern auf jahrelanger praktischer und gelebter Erfahrung in den Bereichen: HR, IT, Kommunikation und auch Social Media. Soziale Zusammenhänge und deren Ausprägungen – technisch und inhaltlich – im Internet zu erkennen und in nachhaltige Recruiting Strategien zu implementieren ist unser spezielles Know How. Verwandte Themen, wie Aufbau und Implemetierung von Social Media Competence und Social Behaviour in Unternehmen, Synergien zwischen Social Recruiting und e-Recruiting sowie Webreputation im Employer Branding runden unser Portfolio ab. Mit newcruiting, wie der Name es sagt, bieten wir Ihnen neue Beratungsansätze, wie sich Unternehmen in Zeiten des Fachkräftemangels und Demografiewandels erfolgreich als attraktiver Arbeitgeber positionieren können. Den Zusatz ‚HR Trend Scouts‘ haben wir gewählt, weil wir weltweit HR Trends verfolgen und unseren Beratungsansatz ständig weiterentwickeln. In unserem Blog newcruiting.de schreiben wir und Gastautoren regelmäßig über aktuelle Themen rund um neue Recruiting Ansätze.

Nina Kalmeyer M.A.

Nina Kalmeyer
Nina Kalmeyer

Studium Politikwissenschaften/Wirtschaftswissenschaften und Germanistik an den Universitäten Tübingen und Stuttgart. Abschluss in beiden Fächern als Magistra Artium (M.A.). Während und nach dem Studium verschiedene freiberufliche Tätigkeiten in Werbe-und Messe- & Kongressagenturen in Europa. Weitere Stationen als Knowledgemanager (Ernst & Young International, Stuttgart & Cleveland, USA), als Projekt Manager (Lotus Development GmbH (IBM), München), Business Development Executive Central Europe (IBM, NL Stuttgart & IBM Headquarter Europe). Strategische Unternehmensberaterin; Schwerpunkt Social Media; Web 2.0 (Kopenhagen). sowie als Country Manager Central Europe (MrTed AG, Köln).

Lars Grigo

Lars Grigo

Jahrgang 1975, Marketing-Kommunikationswirt (DAMK). Stationen unter anderem bei der Commerz NetBusiness AG, PricewaterhouseCoopers, IBM und der itelligence AG, sowie bei StepStone Solutions und als Unternehmensberater (unter anderem für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, MrTed AG und verschiedene Startups). Zu seinen Erfolgen zählt er den Aufbau einer aktiven Gruppe mit mehr als 450 Mitgliedern zum Thema „Talent Management“ im Business-Netzwerk XING, die inzwischen von StepStone Solutions weitergeführt wird. Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gestaltete er außerdem erfolgreich den Online-Wahlkampf mehrerer Bundestags- und Landtagskandidaten im Web 2.0.

Kontakt:

newcruiting UG (haftungsbeschränkt) | Geschäftsführer: Nina Kalmeyer, Lars Grigo
Leidlingsweg 20 | 40880 Ratingen | T +49 2102 9422866 | F +49 2102 9422867
http://www.newcruiting.de

1 Comment

  • Hallo,

    erstmal: Ein gelungener Artikel. Social Media ist ein neuer Kanal, nicht mehr und nicht weniger. Auch stimme ich dem Grundtenor zu, einen reiner „Social Media Experte“ („Sie müssen Ihr Business neu überdenken“) wird in vielen Fällen nicht helfen. Bei Social Media müssen aber mehr ins Boot. Mit Recruiting kann man beginnen, es gibt aber auch andere Einstiege. Wichtig ist es auf jeden Fall, die Bereiche zu vernetzen. Wenn eine neue Stabsstelle geschaffen werden sollte (und dazu haben die wenigsten Unternehmen das Geld), dann sollte diese unabhängig sein und sowohl Marketing, Personal, PR etc. zuarbeiten, bzw. dessen Bedürfnisse koordinieren.

    Eines der interessantesten Beispiele ist, wie ich finde, Siemens, dass allein bei LinkedIn mehr als 56.000 Follower mittlerweile hat (wesentlich mehr als bei Twitter).

    Aber zum Schluss komme ich wieder zur Übereinstimmung: Es sind Experten notwendig, die die originäre Zielsetzung (Also bei Euch: Personalbeschaffung) im Focus haben. Denn allen Rufen zum Trotz haben Social Media Plattformen immer noch nicht den Penetrationsgrad, um andere Kanäle „abzuschaffen“. Dieser Punkt gibt aber den Unternehmen die Zeit, sich sukzessiv eine Reputation aufzubauen. Hektische Aktivität ist nicht angesagt – die Hektischen haben auch Millionen in Second Live versenkt…

    Liebe Grüße
    Stephan

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert