Zukunft Personal ist Vergangenheit
Von Gerhard Kenk, Crosswater Job Guide
Fachmesse zwischen Licht und Schatten
Als sich letzte Woche die Pforten der größten europäischen Fachmesse für Personal und HR in Köln schlossen, ist eine Pflichtveranstaltung für Personaler, Recruiter und Anbieter von Jobportalen routiniert und auch ein wenig ereignislos zu Ende gegangen. War die Messe Zukunft Personal erfolgreich? Welche Eindrücke bleiben über den Messealltag hinaus bestehen? Was sollte sich für die Wiederauflage in 2015 ändern?
Impressionen
Als langjähriger „Pflichtbesucher“ und auch als Aussteller der letzten drei Jahre gewinnt man natürlich mit der Zeit eine spezielle Sicht der Dinge. Das war auch dieses Jahr so. Angefangen hat es mir der Planung eines Gemeinschaftsstandes und eines Vortrags-Slots, weil die Initiatoren des Qualitätswettbewerbs „Deutschlands Beste Jobportale“ die Preisverleihung vor einem relevanten Zielpublikum gestalten wollten. Profilo Rating Gmbh, Crosspro-Research.com, Crosswater Job Guide und ICR, das Institute for Competitive Recruitng, sind die Initiatoren, die mit Online-Umfragen die Zufriedenheit von Personalern und Bewerbern mit den Jobportalen des Landes ermitteln und dadurch mehr Transparenz in den Dschungel der über 1.500 Jobportale des Landes bringen wollen. Die Ergebnisse sind hier zusammengefasst: Die Sieger stehen fest: Das sind Deutschlands beste Jobportale 2014.
Messeplanung
Obwohl der gewünschte Planungrahmen für die Zukunft Personal 2014 bereits auf der letztjährigen Messe mit der Projektleitung besprochen wurde, dauerte es mehr als 6 Monate, bis verbindliche Zusagen zum Zeitslot des Vortrags gegeben wurde. Ein weiteres Problem: Wer nur einen Vortrag ohne Messestand buchen möchte, wird mit exorbitanten Kosten konfrontiert – dadurch soll der Veranstalter wohl zur Buchung eines Messestandes „überzeugt“ werden, weil dann die Vortragskosten geringer ausfallen. Eine Milchmädchenrechnung, denn die Gesamtkosten fallen aufgrund diverser versteckter Zuschläge, die sich erst im Laufe der Aussteller-Planung herauskristallisieren, insgesamt höher aus.
Pressemitteilung und Publicity: Vorbildlich
Eine erstklassige Leistung bei der Publikation von Pressemitteilungen und der damit eingehenden Publicity zeigte im Vorfeld der Messe Stefanie Hornung, Pressesprecherin „Zukunft Personal“. Die zeitliche Frequenz und die inhaltliche Prägnanz ihrer Pressearbeit und der damit einhergehenden Interviews mit den handelnden Personen sind vorbildlich. Gäbe es einen Journalistenpreis für die beste Pressearbeit in der HR, würde Stefanie Hornung diesen Preis unangefochten gewinnen – damit wäre auch Sascha Theisen, Agentur-Chef von Stammplatz-Kommunikation und intimer Kenner der Jobbörsen-Szene, sicherlich mit einverstanden.
Fachvorträge: Licht und Schatten
Die Auswahl der Vorträge in den diversen Fachforen erfolgt eigentlich so, dass sie im Details nicht nachvollziehbar sind. Das Ergebnis: Aktuelle inhaltliche Publikumsmagnete werden auf kollidierende Zeitslots gelegt, andere Vorträge finden vor lediglich einem halben Dutzend Zuhörer statt, nach 45 Minuten Quälerei bekommt der Referent nicht einmal einen Höflichkeitsbeifall am Ende.
Auch HR-Blogger Tim Verhoeven äußert sich in seinem Blogbeitrag so:
Zu viele Überschneidungen. Die grundsätzliche Frage, die sich jeder Besucher dieser Messe stellen muss: will ich konsumieren oder interagieren. Beides gleichzeitig klappt nicht. Dafür sind viel zu viel thematisch überschneidende Beiträge zu eng hintereinander getaktet. Teilweise sogar parallel (Wie bei der Verleihung von „Deutschland besten Jobportalen“ und der „HR-Innovation-Slam“).
Also liebe Zukunft Personal: Gebt den Menschen mehr Möglichkeit zu interagieren und vermeidet Überschneidungen.
Bei der Preisverleihung für „Deutschlands beste Jobportale“ zeigte sich einmal mehr, dass das interessierte Publikum aus der Welt der Recruiter überwiegend weiblich ist: Wo ist der Quoten-Mann?
Image-Wandel bei Monster
Seit Monster-CEO Sal Iannuzzi vor einigen Monaten die neue Strategie für das weltweit operierende Karriereportal vorstellte, brummt die Produktentwicklungsmaschine auf höchsten Touren. Weg vom Problem-Owner – Hin zum Solution Provider. Was als Handlungsempfehlung für die Recruiter gilt, ist auch für Monster das Motto: Weg von der einseitigen Abhängigkeit der Stelleanzeigen-Publikation, hin zum breit aufgestellten Solution Provider. Sei es als Job Aggregator, Social Media Recruiting Spezialist oder als HR-Technologie-Provider. Dieser Wandel in der Unternehmenskultur geht einher mit einem gezielten Veränderung des Markenauftritts. Die Webseite mit Trumposaurier und den grellen Farben ist einem einfarbigen, grundseriösen Webauftritt („Lila – die Farbe des Geldes“) gewichen. Doch der Messeauftritt der Monster-Mannschaft zeigt auch, dass die Vergangenheit nicht ganz abgelegt ist. Das Messe-Outfit in lila Cordhosen, farbigen Sneakern und breiten Gürtelschnallen erinnert an frühere Zeiten. Und als Dr. Lars Janzik (Senior Director Produkt Management CE) dynamisch auf die Rednerbühne hüpfte, begann er seinen Vortrag mit der Einleitung: „Wir sind lila, wir sind bekloppt, wir sind Monster“.
Weniger bekloppt ging es da auf Monsters Presseempfang zu, als Dr. Katrin Luzar den Pressevertretern die Neuerungen und Entwicklungen des neuen Monster TalentBin für das Active Sourcing vorstellte. Hier zeigte sich, wie Monsters neue Strategie als Solution-Provider nach der Übernahme von TalentBin in den USA umgesetzt wird. Weiterhin zeigte sich, dass neue Technologie-Service-Provider in diesem aktiven Technologie-Umfeld neue Lösungen anbieten, so z.B. Textkernel aus den Niederlanden oder Dice mit openWeb. Der Wettbewerb im Active-Sourcing-Solution-Bereich wird intensiver, die Auswahl der verfügbaren Produkte wird grösser.
Technologischer Fortschritt treibt den Wandel im Recruiting
Eine Fachmesse wie die Zukunft Personal ist natürlich auch eine willkommene Gelegenheit, neue Technologien und Anwendungen auf dem Silbertablett zu präsentieren. Frank Hensgens von Indeed Deutschland präsentierte mit MoBolt eine innovative Lösung für das Mobile Recruiting und speziell die Schnittstelle zwischen Mobile Bewerbung und den Talent Management Systemen der Arbeitgeber. CareerBuilder war konsequent und positionierte sich als HR-Solution-Provider und wechselte in die Ausstellungshalle 3.2 der Software-Anbieter, während die Tochtergesellschaften Jobscout24 und Jobs.de die Fahne als Karriereportal hochhielten.
Dass sich Jobware seit einigen Jahren bei dem Thema „Stellenanzeigen“ mit innovativen Lösungsansätzen verdient gemacht hat, war seit der „Eye Tracking Studie“ wohl jedem Recruiter bekannt. Nun kamen die Paderborner pünktlich zur Messe wieder mit einer Neuerung und präsentierten mit MOPS (Mobil-Optimierte Stellenanzeige) eine Lösung für den Smartphone-Bewerber und zeigt damit auf, dass eigentlich die rechteckig gestaltete Stellenanzeige neu durchdacht werden muss: Mobile Recruiting ist erst dann erfolgreich, wenn die inhaltliche Struktur der Stellenanzeige den Lesegewohnheiten (und Einschränkungen) des SmartPhone-Nutzers angemessen angepasst wird. Hinter den Kulissen verborgen blieb auch eine Neuentwicklung von Textkernel – eine Messe bietet sich natürlich auch als ein Sounding-Board für geplannte Innovationen an.
Mit einem ganz neuartigen Ansatz für die Jobsuche wartete Founder Clemens Dittrich auf: Seine Swipe-Lösung (www.truffls.de) baut auf den Grundlagen des Präferenzmarketings auf und berücksichtigt im Jobsuchprofil des Kandidaten Stellenangebote, die weniger attraktiv sind und solche, die für den Truffls-Nutzer gute Karrierechancen bieten. Dadurch kann das Suchprofil dynamisch und interaktiv – wie beispielsweise bei Musik-Portalen – an den Präferenzen des Bewerbers ausgerichtet werden. Leider bietet die Messe Zukunft Personal keine adäquate und kostengünstige Präsentationsmöglichkeit für Start-ups wie truffls.de. So bediente sich Clemens Dittrich auf seinem Messerundgang einfach der Guerillia-Taktik des Start-ups: Anstelle eines kostenträchtigen Ausstellerstandes tigerte er durch die Gänge der Halle 3.1 und präsentierte seine Swipe-Lösung direkt dem Interessenten so, wie es konzipiert war: Jobsuche mit truffls.de muss nicht kompliziert sein.
Konzepte wie von truffls.de gibt es nicht erst seit heute, doch die Macher von truffls.de haben diese Entwicklungen zum ersten Mal auf die Stellensuche per SmartPhone umgesetzt. Biologen und Soziologen haben die Grundlagen der Autopoiesis (Maturna, Varela) oder selbstreferenzierten Systemen (Niklas Luhmann) begründet. Schon 1991 definierte Willke diese so: „Ein autopoietisches System reproduziert die Elemente, aus denen es besteht, mit Hilfe der Elemente, aus denen es besteht.“ Auch das semantische Web baut auf diesen Grundlagen auf. Katy Börner, Absolventin der HTWK Leipzig und Professorin an der University of Indiana hat diese Konzeption anhand von Präferenz-basierten semantischen Webs am Beispiel der Musik bildhaft dargestellt (A Semantic Landscape of the Last.fm Music Folksonomy)
Doch genug von Theorien und Innovationen. Diese sollen zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgegriffen werden.
Aufmerksamkeitswettbewerb, Bespassung, Fachinformationen, Innovationen – und der ganz normale Messewahnsinn
Die Planung und Organisation der Zukunft Personal ist sicherlich aus strategischer Sicht und operativer Umsetzung eine Herausforderung erster Güte. Wie dieses Kalaydoskop auf die Besucher wirkt, erkennt man beim ungezwungenen Schlendern durch die Messegänge. Vorbei ein sachlich-nüchternen Ausstellern, denen es alleine um die fachliche und sachliche Information geht, vorbei an den Häppchen-Ständen, die mit Fruchtdrinks, Croissants oder dem schon traditionellen Jobware-Eisstand um Aufmerksamkeit und das leibliche Wohl buhlen. Gelegentlich wird man dann mit den Maskottchen konfrontiert, den in Papp-Maché verkleideten „Bunten Vögeln“ oder der eher langweiligen Variante à la CareerBuilder.
Den optischen Aufreger des ersten Messetags lieferten die Macher des Karriereportals Placement24 / Jobtender. Ganz in Weiß präsentierten sich die Messehostessen und sorgten mit ihrem Outfit, den super-hohen High Heels und den großzügigen Decolletées für reflexhaftes Staunen bei den männlichen Messegästen, Verwunderung beim weiblichen Fachpublikum und für allerlei Gerangel hinter den Kulissen. Das optische Feuerwerk dauerte nur kurze Zeit, später wurden die Mädels entschärft, die High-Heels mit flachen Tretern ausgetauscht und so optisch etwas entschärft.
Was bringt die Zukunft Personal 2015?
Noch ist nichts über die zukünftige inhaltliche Positionierung bekannt und zum jetzigen Zeitpunkt sollte man – entgegen der von der Messeleitung positiv dargestellten Erfolgen (14.212 Fachbesucher, 14% ausländische Aussteller, positiver Besucherfeedback für die neuen interaktiven Formate „FutureLAB HR“ und „HR Solution Check“) auch die Risiken und Nebenwirkungen für 2015 im Auge behalten.
- Die Terminplanung der ZP14 fiel genau in die Schulferienzeit in NRW, der Lokführerstreik der GDL war nicht absehbar und dämpfte die Besucher-Resonanz
- Die Tageskarte für einen Messeparkplatz wird vielfach als teuer empfunden
- Die Registrierung am ersten Messetag ist trotz Online-Registrierung schon seit Jahren mit unzumutbar langen Warteschlangen verbunden
- Die Messedauer von 3 vollen Tagen sollte hinterfragt werden und im Sinne eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen Kosten und Besucherfrequentierung auch überdacht werden
- Nachholbedarf besteht dringend bei der inhaltlichen und zeitlichen Planung der Fachforums-Vorträge. Auffallend waren zeitliche Konflikte und Überschneidungen von hochaktuellen Vorträgen und die Anhäufung von Vorträgen vor gähnend leerem Pubklikum. Das passt irgendwie nicht zusammen.
- Insbesondere für kleine Aussteller und Start-ups muss dringend ein anderes Kostenmodell entwickelt werden, das finanzierbar und unabhängig vom Risiko der Besucherfrequentierung ist.
- Ein potentieller Trend zum Exodus ist klar erkennbar. Vorjahresaussteller wie Experteer, Mediaintown, Job Ticket, Absolventa – um nur einige zu nennen – haben dieses Jahr auf eine Messerepräsentanz verzichtet. Wenn dieser Trend anhält, so wird die Messe Zukunft Personal in zwei Jahren nicht mehr existieren- wie es der Geschäftsführer und langjährige Branchenkenner eines Personaldienstleisters formulierte.
Die Quadratur des Kreises bleibt als Managementaufgabe des Messeveranstalters bestehen: Aufmerksamkeit, Fachinformation, Besucherfrequentierung, Kosten-/Leistungsverhältnis. Was kann noch schwieriger sein?
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