Nie wieder abgelenkt – Zeitdiebe im Büro enttarnt
Wer kennt das nicht: Kurz vor Feierabend ist die eigene To-do-Liste immer noch ellenlang und man fragt sich, wo die liebe Zeit geblieben ist. Was habe ich die letzten Stunden eigentlich genau gemacht? Dieses Hadern mit dem eigenen Zeitmanagement ist offenbar kein Einzelphänomen: Laut einer aktuellen Studie der internationalen Managementberatung Bain & Company werden jedes Jahr in den Büros rund um den Globus tausende Stunden an Arbeitszeit vergeudet.
Stellt man sich die Frage nach der verlorenen Zeit in unschöner Regelmäßigkeit, ist unbedingt konsequentes Gegensteuern angesagt. Denn nur wer seine Arbeitszeit optimal nutzt, wird dauerhaft solide bis exzellente Leistungen bringen können – und sich so für höhere Aufgaben empfehlen. Was aber ist das eigentliche Geheimnis hinter einem guten Zeitmanagement? Wie nutze ich meine Arbeitszeit bestmöglich aus?
Pausen fest einplanen
Zeitmanagement-Expertin und Coach Petra Schmidt verblüfft mich im Gespräch mit einer etwas überraschenden Herangehensweise: Sie empfiehlt gestressten Berufstätigen bei der Planung eines Tages auch die Pausen verbindlich zu fixieren: „Sie gehören zum Arbeitstag einfach dazu. Nur wer sich auch mal etwas regeneriert, hat genug Energie, um zum Leistungsträger zu avancieren.“ Außerdem hält Schmidt nur wenig von pauschalen Erfolgsrezepten fürs Zeitmanagement. Ihre Begründung: „Jeder Mensch ist unterschiedlich und tickt im wahrsten Sinne des Wortes anders. Der eine braucht kurze Pausen, der andere eher lange. Der eine kann gut zwischen verschiedenen Themen springen, dem anderen bereitet so etwas große Probleme.“
Ausgangspunkt sämtlicher Optimierungsansätze müsse demnach die Analyse der individuellen Eigenschaften und Vorlieben sein, ist Schmidt überzeugt. Was für ein Arbeitstyp bin ich? So lautet die Kernfrage. Dazu gehöre auch die Selbsteinschätzung, ob man sich gerne für bestimmte Aufgaben im Büro vergräbt oder doch den permanenten Austausch mit Kollegen braucht, um wirklich produktiv zu arbeiten. „Reflektieren sie sich selber: Warum schiebe ich bestimmte Aufgaben immer wieder vor mir her? Vielleicht weil mir diese Art von Tätigkeit überhaupt nicht liegt? In solchen Fällen sollte man über das Delegieren oder Ändern der Job Description nachdenken“, rät die Expertin. Hier sei eigenes Engagement gefragt, um einen Fit zwischen den eigenen Vorlieben und den zugeteilten Aufgaben herzustellen.
Positiv denken hilft
Und falls dies nicht ohne weiteres möglich ist? Schmidt dazu: „Versuchen sie sich nicht zu unangenehmen Dingen zu zwingen, sondern zu motivieren. Fokussieren sie die positiven Effekte dieser Tätigkeiten.“ Das Denkmuster sollte also etwa folgendermaßen sein: je früher ich die lästige Kostenkalkulation aufgestellt habe, desto eher kann ich daraus wertvolle Einsparpotentiale fürs Unternehmen ableiten. Und desto eher kann ich diese neuen Erkenntnisse meinem Chef vortragen und mich für die gewünschte Beförderung empfehlen.
Doch es gibt überdies auch regelrechte Zeitdiebe im Büro, die unschädlich gemacht werden müssen, betont die Expertin: Unterbrechungen jedweder Art (so trivial und zugleich einleuchtend das ist) gehörten zu den größten Störfaktoren bei konzentrierter Kopfarbeit. „Wenn ich Sachen am Stück erledigen kann – sei es mal eine halbe Stunde die Telefonliste abzuarbeiten oder die E-Mails zu checken – ist das viel effektiver, als ein ewiges Hin und Her“, erläutert Schmidt. So führe beispielsweise die Störung beim Lesen eines komplexen Vertrages dazu, dass man später fast wieder von vorne beginnen müsse, um sich erneut reinzudenken. Solche „geistigen Rüstzeiten“ gelte es zu vermeiden.
Unterbrechungen sind lästige Zeitfresser
„Natürlich kann ich im Berufsalltag Unterbrechungen nicht ganz verhindern. Aber der Chef kann beispielsweise seine Sekretärin anweisen, dass er für eine halbe Stunde nicht gestört werden will“, meint Schmidt. „Und Büro-Kollegen können sich gegenseitig mal für eine bestimmte Zeit den Telefondienst abnehmen. Dann komm ich vielleicht eine Stunde zu nichts, weil ich permanent am Hörer hänge. Aber danach kann ich wieder für eine Stunde ungestört Gas geben. Das ist im Übrigen auch besser für die Nerven.“
Nicht unwichtig ist in diesem Zusammenhang auch das Verwalten von E-Mails – laut Bain & Company Studie erhalten Führungskräfte davon satte 30 000 Stück im Jahr. „Das ist aber nicht zwangsläufig nur schlecht. Denn anders als beim Telefonat muss man auf E-Mails nicht unmittelbar reagieren, sondern kann die Reaktionszeit selber steuern“, streicht Schmidt einen klaren Vorteil der elektronischen Kommunikationsform heraus. Manchmal – etwa bei Terminfindungen mit mehreren Kollegen – sei jedoch ein kurzes Telefonat viel ergiebiger als ein nie endender E-Mail-Verkehr. Schmidt versucht ihre Schützlinge daher für einen bewussten Einsatz der unterschiedlichen Kommunikationsmittel zu sensibilisieren. „Dafür kann man ein Gespür entwickeln. Übrigens auch dafür, wann man den Kollegen bitten sollte, nicht dauernd in CC gesetzt zu werden, damit die E-Mail-Flut etwas abebbt.“
Meetings oft überflüssig
Eine weitere zeitfressende Unsitte will die Expertin ebenfalls noch benennen, nämlich die Meeting-Kultur in vielen Unternehmen. „Meetings sind oft gar nicht nötig. Manchmal trifft man sich einfach nur, weil ja gerade der erste Montag im Monat ist – ganz gleich, ob es essentielle Dinge zu thematisieren gibt oder nicht“, so Schmidt. „Es ist auch weit verbreitet, wenn man an einer Stelle nicht mehr weiter weiß, erstmal ein Meeting einzubestellen.“ Vielleicht können diese Erkenntnisse ja auch ein Stück weit als Erklärung für die astronomischen Ergebnisse der erwähnten Studie von Bain & Company herhalten. Demnach verbringt die gesamte Belegschaft von größeren Unternehmen 15 Prozent ihrer Arbeitszeit in Besprechungen. Die Sitzungszeiten des Top-Managements einer Firma können sich dabei sogar auf 7000 Stunden pro Jahr summieren.
Doch kann man überhaupt als Nicht-Chef etwas dagegen tun? „Jedes Meeting sollte ein Ziel, eine nach Prioritäten geordnete Agenda und einen verbindlichen Zeitrahmen haben. Darum kann man sich auch als einfacher Angestellter kümmern“, antwortet Schmidt und fährt fort: „95 Prozent aller Meetings fehlen diese Dinge. Und wenn ein Meeting willkürlich für zwei Stunden eingeplant ist, dann wird dieses Zeitfenster ungeachtet der Notwendigkeit in der Regel auch gefüllt.“ Wohltuend und ganz im Sinne eines effektiven Zeitmanagements sei es hingegen, ein Meeting abzukürzen oder bei offensichtlichem Themen-Mangel ganz ausfallen zu lassen. „Wenn ein geblockter Termin ausfällt, gewinnt man plötzlich unerwartet Zeit hinzu. Das ist ein netter Nebeneffekt.“
Über den Autor:
Marc Wiegand ist verantwortlicher Redakteur der Absolventenmagazine UNICUM BERUF WIRTSCHAFT und UNICUM BERUF TECHNIK. Damit ist er bei UNICUM zentraler Ansprechpartner bei allen Fragen rund um die Themen Berufseinstieg und Karriere.
Über den Karriere-Kompass
Die Online-Kolumne erscheint regelmäßig im Ratgeber-Bereich des UNICUM Karrierezentrums (http://karriere.unicum.de/). Sie behandelt Themen, die man in der Regel nicht vom Prof. in der Vorlesung hört oder in herkömmlichen Karriereratgeber liest. Häufig sind es aber gerade diese vermeintlichen Randthemen, die darüber mitentscheiden, ob eine Karriere steil nach oben zeigt oder stagniert.
Über UNICUM:
Vor über 30 Jahren als studentischer Verlag gegründet, steht UNICUM heute als starke Dachmarke der Unternehmensgruppe für Expertise in der Kommunikation mit Abiturienten, Studenten und Absolventen.