Jobwechsel im Realitäts-Check
Von Gerhard Kenk, Crosswater Job Guide
Unzufriedenheit mit dem Chef? Karriere in der Sackgasse? Stagnierendes Gehalt?
Es gibt viele Gründe, immer wieder einmal über einen Jobwechsel nachzudenken. Aber ein Jobwechsel ist nicht immer die Lösung für eine stagnierende Karriere, ein höheres Gehalt auf einer grüneren Wiese der Arbeitgeberattraktivität erfüllt nicht immer alle Erwartungen.
Kandidaten sollten deshalb ein Realitäts-Check machen.
Die 10 grössten Fehler beim Jobwechsel
- Ich habe mich vom höheren Gehalt verleiten lassen
- Ich habe nicht auf mein Bauchgefühl gehört
- Ich habe die Belange meiner Familie außer Acht gelassen
- Ich habe auf den neuen Titel und die neue Position vertraut
- Ich habe vorher nicht erkannt, dass ich für die Aufgabe nicht geeignet bin
- Ich habe nur einen befristeten Arbeitsvertrag angeboten bekommen
- Ich habe ein Wettbewerbsverbot oder eine lange Kündigungsfrist nicht berücksichtigt
- Ich habe die Kontinuität meines Lebenslaufs mit Füßen getreten
- Ich habe den Job gewechselt, ohne die finanziellen Verluste zu sehen
- Ich habe mich im Vorfeld nicht ausreichend über das Unternehmen informiert
Quelle: Dr. Gesine Herzberger (Der Grosse B2B-Gehaltsreport, Vogel Business Media)
Neben der individuellen Lebens- und Karriereplanung stehen zwei Aspekte im Mittelpunkt des Realitäts-Checks: Informationen über den neuen potentiellen Arbeitgeber und Informationen über Gehaltsentwicklungen.
Arbeitgeber-Informationen
Wenn Wechselwillige die Unternehmenswebseite als einzige Informationsquelle nutzen, stehen diese bald im Regen. Es handelt sich dabei um Selbstdarstellungen wie sie von Marketing-Abteilungen und PR-Experten ausgetüftelt werden. Aktienanalysten sprechen in diesem Zusammenhang vom Konzept „Dressing up the Bride“ – Die Braut muss gefallen, die Realität kommt nach der Hochzeitsnacht.
Wenn ein Kandidat vor einem wichtigen Jobinterview steht, müssen unbedingt weitere Informationen vorab in Erwägung gezogen werden.
- Lesen Sie den aktuellen Geschäftsbericht aufmerksam durch
- Gibt es in den Internet-News oder in Sozialen Medien Hinweise auf Personalfluktuation oder Stellenabbau?
- Wie beurteilt die Börse (falls Sie bei einem börsennotierten Unternehmen arbeiten möchten) die Aktienkursentwicklung des potentiellen Arbeitgebers und dessen Wettbewerber?
- Werden im Geschäftsbericht Informationen über die Personalentwicklung (Anzahl Mitarbeiter, Diversity-Aspekte) dargestellt oder fristen diese ein Mauerblümchen-Schicksal?
- Wie schneidet das Unternehmen bei Arbeitgeberbewertungsportalen ab? Berücksichtigen Sie dabei die Anzahl der Beurteilungen immer im Kontext der Gesamtzahl der Mitarbeiter, d.h. wie hoch ist die Relevanz der Aussagen?
- Verschaffen Sie sich einen Überblick über die Gehaltssituation nach Region, Branche, Tätigkeitsgebiet, Verantwortungsstufe und zeitliche Entwicklung. Daten für diese Gehaltsanalyse finden Sie in der Crosswater-Datenbank der Gehaltsvergleiche, mit z.Zt. über 40.000 Quellenhinweisen.
Im Jobinterview haben Sie ausführlich Gelegenheit, ihren Jobwechsel-Realitätscheck auf die nächste Stufe zu stellen. Recruiter durchleuchten Bewerber bis auf die Knochen, Generationen von Jobsuchenden werden mit immer wieder gleichen Fragen konfrontiert: Weshalb haben Sie sich bei uns beworben? Was sind Ihre größten Stärken und Schwächen? In der Arbeitswelt 4.0 findet Sigmund Freuds Therapie-Couch hier ihre Fortsetzung.
Spätestens wenn das Signal „Haben Sie noch weitere Fragen?“ kommt, schlägt die Stunde des mündigen Bewerbers.
- Handelt es sich bei der ausgeschriebenen Stelle um eine Personal-Ersatzbeschaffung oder um eine neu geschaffene Position?
- Was passiert bei einer neu geschaffenen Position falls sich die Erwartungen der Geschäftsentwicklung nicht erfüllt?
- Weshalb ist eine Personal-Ersatzbeschaffung notwendig geworden?
- Wie hoch ist die Fluktuation in der zukünftigen Abteilung?
- Haben Mitarbeiter in der zukünftigen Abteilung häufig innerbetrieblich gewechselt?
- Haben Sie Ihren zukünftigen direkten Vorgesetzten im Jobinterview kennen gelernt?
- Können Sie im Rahmen des Jobinterviews einen Blick auf ihren zukünftigen Arbeitsplatz werden? Falls das ermöglicht wird (weshalb eigentlich nicht), schauen Sie sich nicht den Schreibtisch oder die Büropflanzen an, sondern werfen Sie einen prüfenden Blick auf die zukünftigen Kollegen und versuchen Sie, das Ambiente der Abteilung emotional zu erfassen: Herrscht Langeweile, werkelt jeder Mitarbeiter vor sich hin, ist Hektik erkennbar?
Stellen Sie diese Fragen mit diplomatischem Fingerspitzengefühl – aber stellen Sie die Fragen.