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Wo Chefs verführen: HR in Deutschland und Frankreich im Vergleich

Christine Reik
Christine Reik

Von Helge Weinberg

Wir sind Nachbarländer, doch die Unterschiede in der Personalarbeit könnten kaum größer sein. Was Franzosen motiviert, das würde bei Deutschen kaum gut ankommen. Und umgekehrt. „Vive la différence! HR in Deutschland und Frankreich gestalten“ war eines der Themen auf dem HR Innovation Day 2016 am 28. Mai in Leipzig. Mehr über diese „différences“ erfahren Sie hier – und wie Sie sich im Personalmanagement Frust und Kosten ersparen können. Dieser Beitrag wurde erstmals im RETHINK-Blog von StepStone Deutschland veröffentlicht: http://www.rethink-blog.de/hr-insights/wo-chefs-verfuehren-hr-in-deutschland-und-frankreich-im-vergleich/http://www.rethink-blog.de/hr-insights/wo-chefs-verfuehren-hr-in-deutschland-und-frankreich-im-vergleich/

Der HR Innovation Day fand zum nunmehr fünften Mal statt. Veranstalter war Peter M. Wald, Professor für Personalmanagement an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig. Der Vortrag von Christine Reik von der HR-Beratungsagentur Premium HR zu grenzüberschreitender Personalarbeit zählte zu den Highlights. Reik hatte unter anderem im E.ON-Konzern als Senior Executive die Personalarbeit in Deutschland und Frankreich gestaltet.

Die Themen des 5. HR Innovation Day
Die Themen des 5. HR Innovation Day

Regeln sind eher Richtlinien

Was unterscheidet denn die Arbeitskräfte in beiden Ländern? Ganz einfach: Franzosen sind erziehungsbedingt Individualisten, während wir Deutsche eher teamorientiert sind. Im Arbeitsleben handeln Franzosen oft so, wie sie es persönlich für richtig halten. Gesetze und Regeln, in Deutschland sakrosankt, sind für sie eher Richtlinien. Also der persönlichen Auslegung unterworfen. Schließlich ist man selbst in der Lage, sich eine Meinung zu bilden und entsprechend zu agieren. Sie erwarten Anerkennung für ihre individuelle Leistung, ihre Originalität, ihre Brillanz. Privilegien, in Deutschland eher schief angesehen, sind für sie erstrebenswertes Ziel. Einer Elite zugehörig zu sein, so etwas motiviert die meisten Franzosen stark.

Autoritäten werden geachtet

So wenig autoritätsgläubig die Franzosen in einer Hinsicht erscheinen mögen, gegenüber Führungspersönlichkeiten gilt das genaue Gegenteil. Autoritäten werden meist nicht hinterfragt, Chefs bestimmen den Kurs, Diskussionen und Meinungsaustausch gibt es kaum. Der typisch deutsche Chef, so Reik, ist ein kompetenter Fachmann, „eventuell auch emotional intelligent“. Sein Job: Das Team einzustimmen auf die Aufgaben, Prozesse gut strukturieren. Der französische Chef hingegen ist in der Regel ein charismatischer, brillanter Geist, entscheidungsstark, durchsetzungsfähig und überzeugend durch seine Persönlichkeit. Er stimmt nicht ein, er bestimmt und verführt.

Paris
Paris

 

Spielraum für eigene Ideen austesten

Französische Führungskräfte neigen dazu, im Alleingang eher global formulierte Entscheidungen zu treffen. Ausführliche Diskussionen wie in deutschen Teams gibt es eher selten. Während diese allerdings bei einer einmal beschlossenen Linie bleiben, testen Franzosen persönliche Freiheiten in der Umsetzung der Entscheidung aus, erklärt Reik. Auch Delegation ist in Frankreich eher global angelegt.

Probleme lösen, wenn sie da sind

Die unterschiedlichen Selbstbilder und Werte erklären die gelegentlichen Irritationen in gemischten Teams. Die meisten Franzosen sind es gewohnt, mit einem Übermaß an Aufgaben und hohem Druck umzugehen. Man kennt es halt nicht anders. Schon im Studium an der Universität werden Studenten mit einer Fülle an Informationen überschüttet und es gilt, das Wesentliche herauszuarbeiten. Probleme lösen sie, wenn sie da sind. Der Austausch mit anderen Mitarbeitern erfolgt spontan und in einem lockeren Rahmen, meist an der Kaffeemaschine. Mit einem solchen Vorgehen können sich deutsche Mitarbeiter nicht immer anfreunden. Für sie gilt: Probleme sollte man antizipieren, eine saubere Planung ist wichtig. Schließlich will man nicht unangenehm überrascht werden. Der Austausch ist eher formal.

Der Chef soll verführen

Ein französischer Chef kann seinen Mitarbeitern durchaus auch unerreichbare Ziele setzen, bei denen Deutsche protestieren würden. Franzosen demotiviert das nicht. Für sie sind es Herausforderungen („défis“), wo sie mit ihren Leistungen glänzen können. Dazu lassen sie sich gerne von ihrem Chef verführen. Das Team – ach, das ist dabei nicht so entscheidend. Der Chef muss toll sein und ich als Mitarbeiter muss das Gefühl haben, dass er mich toll findet, sagt Reik. Der Chef verführt zur Arbeit, zur Herausforderung, in Deutschland völlig undenkbar. Franzosen ist so etwas sehr wichtig – und das findet auch im Recruiting seinen Ausdruck.

Bistro Paris
Bistro Paris

Stellenanzeigen – über das Team kein Wort

In Stellenanzeigen zeigen sich die Gegensätze in aller Schärfe. Französische Unternehmen präsentieren sich in einer Anzeige erst einmal umfassend und ohne falsche Bescheidenheit. Schließlich ist man ja wer. Gut, das machen deutsche Unternehmen auch, aber nicht in dieser epischen Breite. Dann wird es konkreter, allerdings nicht auf den Job bezogen. Sondern auf die Bewerber. Denn diesen wird versichert, dass es das Ziel des Unternehmens sei, sie in ihrer Entwicklung zu unterstützen.

Keine Spur von dem hierzulande vertrauten „jungen, dynamischen Team“. In der Stellenanzeige ist es nicht zu finden. Warum auch, wenn es um Individualisten geht. Folgerichtig tritt aber der Chef auf. An wen die neuen Mitarbeiter berichten werden, das wird unmissverständlich verdeutlicht. Die Aufgabenbeschreibung wiederum ist eher allgemein gehalten – und knapp.

Kurz und knapp: Bewerbungsunterlagen in Frankreich

Auch die Bewerbungsunterlagen lassen aus deutscher Sicht an Aussagekraft und Klarheit vermissen. Während deutsche Jobsucher gerne ein kleines Buch einreichen, besteht die französische Bewerbung aus zwei Seiten. Seite 1: Anschreiben, Seite 2: Lebenslauf.

Arbeitszeugnisse, in Deutschland oft recht ausführlich und mit HR-Geheimcode versehen, die gibt es in Frankreich nicht. Es reicht ein simples „certificat du travail“, vergleichbar einem deutschen einfachen Arbeitszeugnis. Folglich spielt in Frankreich das Vorstellungsgespräch eine wichtigere Rolle als in Deutschland. Gute Referenzen, das ist es, was französische Bewerber bieten müssen.

Deutschland und Frankreich, Mitarbeiter in beiden Ländern sind hinsichtlich Arbeitsweise und Mindset fast perfekt komplementär. Eigentlich ist dies eine gute Basis für kreative und sehr erfolgreiche Teams. Das aber erfordert ein Verstehen der anderen Seite. Für HR sind das echte „défis“, die zu meistern sind.

Helge Weinberg
Helge Weinberg

Autor: Helge Weinberg ist Mitglied der Redaktionen des „PR-Journals“, „DPRG Journals“ und des „Crosswater Job Guide“. Zudem schreibt er als Freelancer in diversen technischen Fachzeitschriften über Arbeitgeberkommunikation, Employer Branding und Personalmarketing.

 

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