Wo Berlin auf dem Weg ins Jahr 2030 steht
DIW Berlin und Bertelsmann Stiftung untersuchen Stärken und Schwächen Berlins – In sieben von acht Kategorien hat sich Berlin seit 2008 verbessert, nur in der Verwaltung ist Berlin zurückgefallen – Im Vergleich zu anderen europäischen Hauptstädten überzeugt Berlin bei vor allem bei Talent und Technologie, aber nicht bei Mobilität und Verwaltung – Vorbilder könnten Städte wie Kopenhagen oder Stockholm sein, aber auch Lissabon hat Berlin etwas voraus
Berlin zeichnet sich in den letzten Jahren nicht nur durch ein Wachstum von Wirtschaft und Bevölkerung aus. Die Stadt ist auch ihren selbst gesteckten Entwicklungszielen aus der BerlinStrategie vielfach nähergekommen. Besondere Stärken hat die deutsche Hauptstadt im Bereich Technologie. Aber die Stadt weist auch Schwächen auf: Bei Nachhaltigkeit und Mobilität hat sie sich zwar verbessert, hinkt aber im Vergleich mit 15 europäischen Hauptstädten kräftig hinterher. Die Qualität öffentlicher Dienstleistungen wird in den letzten Jahren tendenziell immer schlechter bewertet. Die Effizienz der Verwaltung wird aktuell sogar nur in Rom noch schlechter eingeschätzt.
Das sind die wichtigsten Ergebnisse einer aktuellen Studie, die das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) gemeinsam mit der Bertelsmann-Stiftung erstellt hat. Die AutorInnen stellen sie am heutigen Freitag ab 11 Uhr am DIW Berlin gemeinsam vor und diskutieren sie mit Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz.
„Mit der BerlinStrategie hat sich Berlin ja große Ziele gesteckt. Wir wollten wissen, ob Berlin seinen eigenen Ambitionen gerecht wird und wo die Stärken und Schwächen der Stadt liegen – auch im Vergleich zu anderen europäischen Hauptstädten“, fasst Studienautor Martin Gornig vom DIW Berlin das Ziel der Studie zusammen. „Dabei geht es nicht nur um harte wirtschaftliche Fakten, sondern auch um die Lebensqualität.“ Als Teil des Stadtentwicklungskonzept 2030 hatte die Stadt in der BerlinStratgie drei Zieldimensionen identifiziert: „kraftvoller, smarter, kreativer Wirtschaftsstandort“, „urbane, grüne, mobile Lebensqualität „und „solidarische, verantwortungsvolle, engagierte Stadtgesellschaft“.
Wo steht Berlin?
Um die Zielerreichung international vergleichbar zu machen, haben die StudienautorInnen anhand von OECD- und Eurostat-Daten Indikatoren identifiziert, die sich auf die BerlinStrategie anwenden lassen, und 15 andere Hauptstädte in der Europäischen Union zum Vergleich herangezogen. Der Zieldimension „kraftvoller, smarter, kreativer Wirtschaftsstandort“ werden Indikatoren der Bereiche Technologie und Talent zugeordnet. Die Zieldimension „urbane, grüne, mobile Lebensqualität“ wird durch Indikatoren aus den Bereichen Nachhaltigkeit und Mobilität abgebildet. Die Zieldimension einer solidarischen, verantwortungsvollen, engagierten Stadtgesellschaft wird dargestellt durch Indikatoren wie Toleranz, Teilhabe, Lebenszufriedenheit und Administration.
Im Vergleich zu anderen 15 Hauptstädten der EU schneidet Berlin in den Bereichen Talent und Technologie derzeit recht gut ab. Nicht zuletzt dürfte dies auch ein Grund für die gegenwärtig gute ökonomische Performance sein. Im Bereich Talent zählt Berlin (Platz 4) sogar zu den führenden Hauptstadtregionen in Europa. Im Bereich Nachhaltigkeit und Mobilität landet Berlin mit Rang elf von 16 im unteren Mittelfeld. Besonders schlecht schneidet hier die Stadt wenig überraschend beim Luftverkehr ab. Bei der Bewertung des Angebots öffentlicher Verkehrsmittel liegt Berlin dagegen im oberen Mittelfeld der Hauptstadtregionen.
Auch im Bereich Toleranz, Teilhabe, Lebenszufriedenheit und Administration bewegt sich Berlin im unteren Drittel. In der Kategorie Administration landet Berlin sogar weit hinten auf Rangplatz 13. Nur Budapest, Athen und Rom schneiden noch schlechter ab. Auch die Qualität des öffentlichen Gesundheits- und Bildungssystems wird unterdurchschnittlich bewertet. Beim Sicherheitsgefühl landet Berlin dagegen zumindest im Mittelfeld.
„Ein Vorbild kann Berlin sich vor allem an den nordischen Hauptstädten und hier insbesondere Kopenhagen und Stockholm nehmen, die in sehr vielen der Dimensionen in Europa führend sind. Jedoch sind bei der ökonomischen Teilhabe Prag und Warschau und bei der Toleranz Lissabon führend in Europa“, sagt Christian Kastrop, Direktor des Europaprogramms der Bertelsmann Stiftung.
Wohin bewegt sich Berlin?
Die StudienautorInnen wollten aber auch wissen, in welchen Bereichen sich Berlin auch im Vergleich zu anderen Hauptstädten in den letzten Jahren gut oder schlecht entwickelt hat. Es zeigt sich, dass sich Berlin in sieben der acht Bereiche seit 2008/2009 verbessert hat – lediglich in der Administration hat es sich verschlechtert.
„Berlin braucht dringend weiterhin mehr produktive und innovative Jobs, so dass die vergleichsweise geringe Produktivität und letztlich das Einkommen und Wohlstand zunehmen können“, schließt Studienautor und Präsident des DIW Berlin, Marcel Fratzscher, aus den Ergebnissen. „Arbeiten müssen wir aber auch an anderen Stellen: Zu denken geben sollte uns das schlechte Abschneiden im Bereich Nachhaltigkeit und Mobilität. Auffällig ist zudem die im Vergleich mangelnde Effizienz der Verwaltung, die dringend verbessert werden sollte.“
Mit der Studie allein ist es nicht getan, wissen die AutorInnen. „Auf der Basis der vorliegenden Analyse sollten vielmehr umfassende Fallstudien durchgeführt werden, die konkrete Übersetzungen von „best practices“ aus den jeweils erfolgreichsten Hauptstadtregionen für die deutsche Hauptstadt ableiten, empfiehlt Martin Gornig.