Nürnberg. Heinrich Alt, Vorstand Grundsicherung der Bundesagentur für Arbeit (BA) und Thomas Sattelberger, Personalvorstand der Deutschen Telekom zogen nach einem Jahr Bilanz über das gemeinsame bundesweite Modellprojekt „Meine Chance – Ich starte durch“. Ergebnis: In vielen Jugendlichen schlummern Talente. Die Suche danach lohnt sich!

Im September letzten Jahres starteten die Deutsche Telekom und die BA ein Pilotprojekt zur Integration arbeitsloser Jugendlicher. Unter dem Motto „Meine Chance- Ich starte durch“, erhielten 61 junge Menschen die Möglichkeit über ein Langzeitpraktikum in eine Ausbildung bei der Deutschen Telekom einzusteigen. Zielgruppe waren Jugendliche aus der Grundsicherung („Hartz IV“), denen bislang der Übergang in die Berufswelt nicht gelungen ist. Ein Jahr danach zeigt sich, dass es sich lohnt, vermeintlich schwachen Jugendlichen eine zweite Chance zu geben. 50 junge Frauen und Männer werden von der Deutschen Telekom in ein festes Ausbildungsverhältnis übernommen, davon gehen 42 direkt in das zweite Ausbildungsjahr. Dass sich Unternehmen künftig stärker um leistungsschwächere Jugendliche bemühen müssen, wissen sowohl Alt als auch Sattelberger.

„Die Demografie gibt uns eine klare Richtung vor und damit auch eine notwendige Strategie. Kein Talent darf ungenutzt bleiben“, unterstreicht Alt. „Die Situation auf dem Lehrstellenmarkt dreht sich. Die Sahnehäubchen unter den Lehrlingen werden seltener. Deutschland kann es sich in Zukunft nicht mehr leisten, einen Jugendlichen, ein Talent, liegen zu lassen. Alle werden gebraucht, unabhängig von ihren jeweiligen Leistungsvoraussetzungen. Über die Ausbildungsreife Jugendlicher zu diskutieren, bringt uns nicht weiter. Fest steht, jeder Jugendliche bringt etwas mit  – sich selbst und keiner ist talentfrei. Unsere Aufgabe ist es, ihre Begabungen zu suchen, zu fördern und sie auf ihrem Weg in den Beruf so gut wie möglich zu unterstützen. Wir brauchen Unternehmen, die bereit sind in dem einen oder anderen Fall ein Risiko einzugehen. Gerade Jugendliche, die sich zu Beginn ihres Berufsweges schwer tun und vielleicht nicht die besten Voraussetzungen mitbringen, entfalten ihre tatsächlichen Fähigkeiten erst in der betrieblichen Praxis, auch wenn dies manchmal Zeit braucht. Das zeigt das Projekt mit der Deutschen Telekom.“

Auch Sattelberger sieht als Unternehmer in der demografischen Entwicklung einen Auftrag. „Angesichts des drohenden Fachkräftemangels von zwei Millionen Menschen bis 2020 ist es an der Zeit, ausgetretene Pfade zu verlassen und die Talentgewinnung und -auswahl deutlich breiter aufzustellen. Weg vom Abgleich an immer gleichen Standards, hin zur Entdeckung individueller Begabung. Unser Projekt zeigt, dass es sich lohnt, gerade den auf den ersten Blick nicht sichtbaren Talenten eine Chance zu geben. Der Schlüssel für eine wettbewerbsfähige Belegschaft ist zunächst eine qualifizierende Erstausbildung. Wer frühzeitig die dafür notwendigen Qualifizierungs-Strukturen schafft, braucht später nicht zu jammern. Hier stehen die Unternehmen in der Verantwortung.“

Alt unterstreicht dies: „Unsere Frage muss lauten: Wie bringen wir „Problemschüler“ auf die Pole-Position? Jeder zehnte Jugendliche in Deutschland schafft keinen Schulabschluss. 14 Prozent der jungen Menschen zwischen 15 und 25 Jahre sind ohne Ausbildung. Das hat gravierende Folgen. Nur selten können sich Betroffene ins Berufsleben und in die Gesellschaft integrieren. Wir haben rund 300.000 arbeitslose Jugendliche, davon hat jeder Zweite keine Berufsausbildung. Über die Hälfte ist in Hartz IV. Damit entstehen gesellschaftliche Hypotheken für Jahrzehnte. Eine Berufsausbildung ist und bleibt der Schlüssel zur Integration. Wir müssen weg von Pauschalverurteilungen oder Schlagzeilen wie „Generation kann nix“,  –  damit vermitteln wir den Jugendlichen auch das falsche Signal. Wir sehen, dass die Wirtschaft schon jetzt auf die Leistungsschwächeren zugeht.“

Sowohl die BA als auch die Deutsche Telekom gehen zusammen den eingeschlagenen Weg weiter und verlängern die erfolgreiche Kooperation. Auch im neuen Ausbildungsjahr sollen 66 Jugendliche aus der Grundsicherung in den Ausbildungszentren der Deutschen Telekom über ein Langzeitpraktikum integriert werden. Die ersten Auswahlgespräche laufen bereits.

Hintergrund:

Betriebliche Einstiegsqualifizierungen sind ein von der Wirtschaft im Rahmen des Ausbildungspaktes entwickeltes Angebot, das jungen Menschen mit Vermittlungshemmnissen als Brücke in die Berufsausbildung dient. Mit einer Übergangsquote in betriebliche Berufsausbildung von über 60 Prozent haben sich betriebliche EQ in den vergangenen Jahren als ein erfolgreiches Instrument zur beruflichen Integration junger Menschen und zur Stabilisierung und Ausweitung betrieblicher Berufsausbildung erwiesen. Die betriebliche EQ beinhaltet ein betriebliches Langzeitpraktikum von mindestens 6 bis maximal 12 Monaten. Eine Übernahme in Ausbildung sollte vom Unternehmen angestrebt werden. Arbeitgeber, die EQ durchführen, können mit einem Zuschuss zur Vergütung in Höhe von bis zu 212 Euro monatlich gefördert werden. Die BA fördert jährlich rund 30.000 Jugendliche über EQ. Die Ausgaben dafür beliefen sich im Jahr 2009 auf 71 Millionen Euro.

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