Verliert das Mantra des Employer Brandings sein Lametta?
Von Gerhard Kenk, Crosswater Job Guide
Über ein Jahrzehnt galt Personalmarketing und Employer Branding als „Heiliger Gral“ des Personalwesens. Zahlreiche Dienstleistungsanbieter unterstützen Arbeitgeber bei der Herausforderung, das eigene Personal-Weltbild den intensiv umworbenen Fachkräften und Young Professionals am Arbeitsmarkt nahezubringen.
Zwei HR-Kommunikationsexperten wagen sich nun in die Höhle des Löwen und sind im Begriffe, dem Mantra des Employer Brandings sein Lametta streitig zu machen.
Dabei haben Sascha Theisen und Dr. Manfred Böcker, beides erfahrene HR-Kommunikationsexperten, Buchautoren und Mitherausgeber sowie Gründer und Inhaber der Agenturen Stammplatz-Kommunikation und HR-PR Consult nichts anderes gemacht, als die sich immer wiederkehrenden Aussagen der Arbeitgeber zu ihrem Employer Branding einer kritischen empirischen Analyse zu unterziehen. Und genau darüber sprechen sie beim 10. Recruiting Convent in Bensberg.
Als sich die beiden in Köln im traditionellen Peters Brauhaus bei einem Glas Kölsch (OK, vielleicht waren es auch zwei oder drei) zu einem Gedankenaustausch trafen, war schnell klar, dass sie das Thema Employer Branding aus einem anderen Blickwinkel angehen wollten. Herausgekommen ist die Analyse „Club der Gleichen“ – damit haben sie die Monotonie der Employer Branding Statements unter die Lupe genommen.
Das Waterloo der HR-Kommunikationsstrategie
Arbeitgeber wiederholen wie in einem fernöstlichen Mantra immer die gleichen Redewendungen, die Stellenanzeigen sprechen Bände davon. Doch ständige Wiederholungen machen die Argumente nicht überzeugender und die Gleichförmigkeit führt zu einer Art Beliebigkeit und Austauschbarkeit – ein Waterloo jeder HR-Kommunikationsstrategie.
Die Höhle des Löwen
Es gehört schon eine gewisse Chuzpe dazu, eine Einladung zu diesem Thema auf dem Recruiting Convent in Bensberg auszusprechen, schließlich hat der Initiator des Recruiting Convent, Prof. Dr. Christoph Beck über ein Jahrzehnt das Credo des Personalmarketings und Employer Branding vertreten. Unterstützt wird er dabei von dem einflussreichen Verband Queb e.V., dem Bundesverband Employer Branding, Personalmarketing, Recruiting. Ebenso beachtlich ist der Mut von Sascha Theisen und Dr. Manfred, sich mit diesem konfrontativen Thema in die Höhle des Löwen zu begeben. Der Recruiting Convent findet in Bensberg vor den Toren ihrer Heimatstadt Köln statt, doch es ist nicht garantiert, dass dies ein lockeres Heimspiel für die beiden Referenten wird, um in der Fußballersprache des bekennenden Alemannia-Aachen Fans Sascha Theisen zu sprechen.
Club der Gleichen
Eine Analyse von 120.000 Stellenanzeigen mit dem Jobfeed-Tool von Textkernel zeigt u. a. folgende Ergebnisse:
„Im Schnitt mehr als 20 „-ungs“ pro Stellenanzeige, in der Spitze über 80
In 120.000 Stellenanzeigen entdeckten wir weit über eine Million „-ungs“. Dies ist ein Indiz für einen Sprachstil in der Mitarbeitersuche der deutschen Arbeitgeber, der den spröden Charme eines Finanzamt-Hinterzimmers versprüht oder eben den einer Halbzeitansprache in der Kreisliga C im Kreis Düren. Die einzelnen Unternehmen liefern sich einen dermaßen regen Schlagabtausch um die Tabellenspitze der Nominalisierungstabelle, der den auf dem grünen Rasen um Längen schlägt.
Die Deutsche Bahn und die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) ringen beispielsweise unerbittlich um die „-ung-Hoheit“ in deutschen Stellenanzeigen. Während es die GIZ im Schnitt auf stattliche 23,6 „-ungs“ bringt, bleibt ihr die Bahn mit 23,4 „-ungs“ dicht auf den Fersen. Interessanterweise sind es allerdings nicht nur Großkonzerne, die vielleicht schon Opfer eines nicht zu verhindernden Verwaltungseinflusses geworden sind. Ebenfalls große Verfechter der Nominalisierung sind durchaus auch Unternehmen, die man aufgrund ihres Geschäftsfelds hier eher nicht vermuten würde. So kommen beispielsweise die Wirtschaftsprüfer und Berater von PWC auf 18 „-ungs“ pro Anzeige und das Medienunternehmen Sky immerhin auf 15,2.
Haben wir uns gerade erst die Mittelwerte angesehen, wird es in der Spitze atemberaubend. So bringt es GlaxoSmithKline mit der Suche nach einem „Senior Finance Partner Sales“ auf unglaubliche 86 „-ungs“ in einer einzigen Stellenanzeige. Die Stadt Hamburg folgt in der Stellenbeschreibung für „eine/n Baurätin/Baurat“ mit 77 und auf Platz 3 des „-ung“- Treppchen steht das Bezirksamt Eimsbüttel mit 73 „-ungs“. All das sind Werte bei denen – keine Frage – selbst der Coach einst resignierend abgewunken hätte.
Ergebnis einer verfehlten Arbeitgeberkommunikation
Wer sich also das Gros der Stellenanzeigen auf Online-Jobbörsen, Karrierewebseiten oder Jobsuchmaschinen einmal näher anschaut, muss leider erkennen: Ohne Nominalisierungen geht hier gar nichts – ein Armutszeugnis für die gegenwärtige Arbeitgeberkommunikation, die nun seit zehn Jahren von unermüdlichen Lobbyisten der Employer Branding Idee zu immer neuen Kommunikationsblüten getrieben wird. Die HR-Gemeinschaft muss sich aber davon lösen über Snapchat-Nutzung von Arbeitgebern zu diskutieren.“
Wohin geht die Reise im Employer Branding?
Wohin die Reise im Employer Branding geht, ist nicht ganz vorauszusagen. Auf alle Fälle fährt die Diskussion darüber auf dem 10. Recruiting Convent 2017 in Bensberg ab.
Das Programm
Prof. Dr. Christoph Beck (Institut für Personalmanagement & Arbeitsrecht), Vorstandssprecher/in Queb
Sonja Auf der Maur, Désirée Nater (Universitäts-Kinderspital Zürich – Eleonorenstiftung)
Dr. Norbert Dörschner (Kaufland)
Jan Schüttler (Bayer)
Dr. Ulrich Rust (Jobware), Sebastian Goldstein (USEYE)
Prof. Dr. Wolfgang Jäger (DJM Consulting)
Klaus Werle (C3)
(Ende offizieller Teil um 22:00 Uhr)
Sascha Theisen (Stammplatz Kommunikation), Dr. Manfred Böcker (hr-pr Consult)
Workforce Differentiation and the Impact on HR Marketing
Klaus Töpfer (access KellyOCG), Susan DeFazio (KellyOCG)
Frank Hassler (XING), Barbara Wittmann (LinkedIn), Stefan Zöller (Ledvance); Moderator: Wolfgang Brickwedde (Institute for Competitive Recruiting)
Roman Dykta (Capgemini)
Tiago Huber (Swisscom)
Prof. Dr. Christoph Beck (Institut für Personalmanagement & Arbeitsrecht), Dr. Michael Schulte (neusta software development)
Prof. Dr. Alfred Quenzler (TH Ingolstadt)
3 Studierendenteams – Im Wettstreit um den Queb-Wissenschaftsaward