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Print-Stellenmarkt der F.A.Z. erodiert weiterhin auf 7,15 Seiten im 1. Halbjahr 2013

Ein Gastbeitrag von Marcus K. Reif

Marcus K. Reif

Im 1. Halbjahr 2013 sinkt der Schnitt von 8,81 Seiten pro Woche auf nun 7,15

Wie gewohnt schaue ich mir zwei Mal im Jahr die Print-Auflage des Stellenmarkts der F.A.Z. an. So auch Mitte 2013 wieder mit Blick auf die letzten 26 Wochen F.A.Z.-Stellenmarkt. Als ehemaliger Projektleiter des F.A.Z.-Online-Stellenmarkts verliere ich mein Faible und die Wertschätzung für die beste deutsche Tageszeitung und den bedeutendsten Print-Stellenmarkt für Fach- und Führungskräfte nicht. Jeden Samstag twittere ich die Anzahl der Stellenmarkt-Seiten.

Im zurückliegenden Halbjahr ist allerdings der Durchschnitt der wöchentlichen Seiten an Print-Stellenanzeigen weiter zurückgegangen auf nun 7,15 Seiten. Dies entspricht einem Minus von 18,8 %. Eine der wesentlichen Begründung dürfte sicherlich die Dynamik des Arbeitsmarkts sein, der sich nicht so eindrucksvoll, sondern eher zurückhaltend zeigte. Dennoch ist die Erosion des Print-Stellenmarkts seit dem April 2000 unverkennbar. Steht die F.A.Z. doch als Primus inter Pares für eine ganze Branche.

 

Das Rieplsche Gesetz

Ich hatte mich immer gegen die Prognosen gewehrt, dass die Online-Stellenmärkte die Print-Stellenmärkte vollständig substituieren. Während in den wirtschaftlichen Spitzenjahren die Auflage großer Zeitungen selbst anzeigenproduktionstechnische Grenzen überschritten (April 2000, F.A.Z. mit 280 Seiten Stellenanzeigen), sind wir doch heute meilenweit von diesem Niveau entfernt. Nach dem Rieplschen Gesetz – nach Chefredakteur der Nürnberger Nachrichten Wolfgang Riepl benannt – ersetzt kein neues Medium ein probates vollständig. So geschehen bei Kino und Zeitung, Zeitung und Radio, TV und Radio, Internet und TV und so weiter. Neue Medien haben immer zu einer Veränderung der etablierten Medien geführt. So hätte es auch bei den Print-Stellenmärkten sein müssen. So war es aber nicht. Die Verlage haben so lange das Pferd geritten, bis es tot war. Und viele reiten heute noch, obwohl das Pferd schon seit langem tot ist. Und nun müssten sie absteigen und schauen, wie man weiterkommt.

Stellenanzeigen unter dem Hammer

F.A.Z.-Print-Stellenmarkt

Zurück zum Print-Stellenmarkt der F.A.Z. Im letzten halben Jahr, beginnend mit der Ausgabe vom Samstag, dem 5. Januar 2013, der mit 4 Seiten eher moderat war. Zur Erinnerung: am Samstag zuvor, dem 29. Dezember 2012, erschien eine einzelne Seite Stellenmarkt, in Summe verzeichnete die F.A.Z. fürs ganze Jahr 2012 gesamt 229 Seiten Print-Stellenanzeigen. Verglichen mit dem ersten halben Jahr, wo in Summe 305 Seiten erschienen, entspricht dies einem Rückgang von gut 25 %. Und nun messen wir im ersten Halbjahr des Jahres 2013 186 Seiten Stellenmarkt in der F.A.Z. Zum gleichen Zeitraum des Vorjahres bedeutet dies ein Minus von 39 %! Das ist eine beängstigende Entwicklung!

Vergleichen wir mal die Jahre 2011 und 2012 miteinander. Im Jahr 2011 erschienen noch 714 Seiten im Print-Stellenmarkt der F.A.Z., während das Volumen im Jahr 2012 um -25,2 % auf 534 Seiten zurückging. Das sind schwindelerregende Rückgänge. So mancher Journalist würde hier auf Substantive, wie “Marginalisierung” oder “Implosion” zurückgreifen. Das Thema ist allerdings wenig polemisch, sondern für die gesamte Zunft der Personalerbranche signifikant und essenziell. Und wir dürfen nicht außer Acht lassen, dass die deutsche ökonomische Situation auch nicht vergleichbar ist mit den Jahren 2010, 2011 und die ersten Monate 2012. Das ist ebenfalls ein wichtiger Teil der Wahrheit für die Erosion. Doch das erste Halbjahr 2013 zeigt, dass sich die Situation des Print-Stellenmarkts der F.A.Z. noch weiter deutlich verschlechtert. Schauen wir mal auf die Halbjahres-Durchschnitte:

Die Halbjahres-Durchschnitte

  • 1. Halbjahr 2011: 15,68 Seiten
  • 2. Halbjahr 2011: 13,7 Seiten
  • 1. Halbjahr 2012: 11,73 Seiten
  • 2. Halbjahr 2012: 8,8 Seiten
  • 1. Halbjahr 2013: 7,5 Seiten

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Das alleine ist schon ein deutliches Zeichen. Eine weitere Perspektive wäre das nachfolgende Diagramm, in dem ich die letzten 12 Monate veranschauliche:

Auflage F.A.Z.-Print-Stellenmarkt am Samstag

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Diese Grafik beschreibt die samstägliche Auflage des Print-Stellenmarkts der F.A.Z. im 2. Halbjahr des Jahres 2012 und dem 1. Halbjahr 2013. Die geringe Auflage in der zweiten Dezemberhälfte sowie während der Sommerferien sind nicht ungewöhnlich und sind quasi normal.Auffallend ist, schaut man zuerst auf die nachfolgende Grafik und wieder zurück, dass einzelne Peaks/Ausreißer weniger auftreten.

Auflage des F.A.Z.-Print-Stellenmarkts seit Januar 2011

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Die Trendlinie zeigt leider die statistische Realität. Wie man es dreht und wendet, als dauerhafte und starke Erlösquelle scheidet der Print-Stellenmarkt schon seit einiger Zeit aus.

Dazu passt folgende Pressemeldung von turi2 vom 3. Dezember 2012:

“FAZ” fährt Millionen-Verlust ein.

faz_verlust_grossKein gutes Jahr für Print: Im nächsten großen Medienhaus bröckeln Umsätze und Gewinne, diesmal ist die altehrwürdige “Frankfurter Allgemeine Zeitung” betroffen. Das Blatt fährt in diesem Jahr offenbar einen Verlust im zweistelligen Millionen-Bereich ein. Medien-Insider Kai-Heinrich Renner schreibt in seiner “Abendblatt”-Kolumne von 10 bis 20 Mio Euro, die am Ende fehlen werden. Grund für den Verlust ist hauptsächlich der Einbruch im Stellenmarkt der “FAZ”, der für Umsatz und Gewinn des Blattes von immenser Bedeutung ist. Das Geschäft mit den Job-Angeboten ist schneller geschrumpft als prognostiziert und liegt heute bereits auf einem Niveau, das die “FAZ”-Geschäftsführung erst in fünf Jahren erwartet hatte. Offiziell bestätigt ist der Millionen-Verlust noch nicht, wohl aber der Einbruch beim Stellenmarkt. Trotz der schlechten Zahlen und anders als bei anderen Krisen-Blättern soll es laut Geschäftsführer Tobias Trevisan bei der “FAZ” in näherer Zukunft keinen Stellenabbau geben. Der Verlag will die Verluste über Rücklagen aus den vergangenen Jahren abfedern. Außerdem sei bereits bei der Zusammenlegung der kaufmännischen Bereiche der “FAZ” und ihres Schwesterunternehmens Frankfurter Societät gespart worden.Quelle: turi2.de

Finanzierungsmodell der Zeitungen passé

Die populären Zeitungen finanzier(t)en sich über ein dreisäuliges Modell. Anzeigen-/Werbeerlöse, Einzel- und Abonnentenverkauf sowie Stellenmarkt-Erlöse. Durch die Erosion der Stellenmärkte hin zu und in die digitale Medien entfällt faktisch eine der drei Säulen. Bei manchen Printmedien entsprach diese Säule allerdings gut der Hälfte der Gesamterlöse. Die Einzelverkaufs- und Abonnementerlöse decken heutzutage nicht mal mehr die Logistikkosten für die Distribution der Zeitungen an sich. Für eine große Zeitung sind dies rund 1 Mio. € pro Tag (sic!). Grob kalkuliert bedeutet das für eine Zeitung mit 400.000 Auflage und einem Einzelverkaufspreis von 2,20 € Kostenunterdeckung in Höhe von rund 100.000 € am Tag. Somit werden Zeitungen viel krisenfühliger und anfälliger für die Zyklen der geschalteten Werbung. Die Kosten, insbesondere Logistik und Produktion, sind völlig vom Wirtschaftszyklus und den Werbemaßnahmen entkoppelt. Bei Statista habe ich ein sehr gutes Diagramm zu diesem Thema gefunden: die verkaufte Auflage der Tageszeitungen in Deutschland. Und wir müssen hier ebenfalls die statistische Realität zur Kenntnis nehmen, dass die verkaufte Auflage in den letzten 20 Jahren um ein Drittel zurückgegangen ist. Das ist epochal!

Verkaufte Auflage der Tageszeitungen

Verkaufte Auflage der Tageszeitungen in Deutschland von 1991 bis 2012
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista

Thesen zur Zukunft der Print-Medien

  • die Erosion der Print-Auflagen wird überproportional zunehmen
  • das Zeitungssterben wird zunehmen, insb. bei Tageszeitungen
  • Wochenzeitungen werden Auftrieb und stärkere Auflagen erhalten
  • Tageszeitungen scheitern am Kostendruck und den Kostensenkungsprogrammen
  • Herausgeber, Verlage und Redaktionen verstehen die Möglichkeiten des Internets zu wenig, daran scheitert das Geschäftsmodell
  • Angst vor der Kannibalisierung des Print-Geschäfts durch eigene Online-Ableger verhindert Erfolg im Internet und beschleunigt das Ende der eigenen Zeitung
  • Fach- und Führungskräfte-Stellenmarkt hat keinen Marktführer mehr
  • und Bezahlmodelle für das redaktionelle Angebot sind und bleiben eine Chimäre

Das Fazit bleibt aber. Die Erosion der Printmedien schreitet weiter und drastisch voran. Innovationskraft der Herausgeber und Verlage reicht nicht aus, diesen Trend umzukehren. Und die Erosion insbesondere des F.A.Z.-Print-Stellenmarkts am Samstag zeigt die Entwicklung in aller Dramatik. Während die F.A.Z. über Jahrzehnte lang die Marktführerschaft als Stellenmarkt für Fach- und Führungskräfte inne hatte – mühevoll von “Die Welt” abgerungen -, ist davon heute keine Rede mehr.

Marcus Reif

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