Recruiting Convent 2014: Teilnahme-Rekord und Fokus auf aktuelle HR-Herausforderungen
von Gerhard Kenk, Crosswater Job Guide.
27.3.2014. Wieder einmal ist es Prof. Dr. Christoph Beck als Veranstalter der 8. Insider-Jahrestagung für Personalmarketing und Recruiting gelungen, eine handverlesene Schar von Referenten zusammen zu stellen, die allesamt mit ihren Beiträgen ihre Sicht der Dinge zu den aktuellen HR-Herausforderungen darlegten. Mit 180 Teilnehmern erreichte der Recruiting Convent 2014 eine rekordverdächtige Kulisse – die Konferenz-Lokation im Schloss Bensberg – quasi über den Bergen von Köln – lieferte ein Ambiente wie es selten anderswo anzutreffen ist.
Nach wie vor lebt eine Jahrestagung für Personalmarketing und Recruiting von der Nähe zu aktuellen HR-Trends mit all ihren Herausforderungen, aber es gelingt Beck immer wieder, den anwesenden HR-Verantwortlichen den Spiegel der Realität vor Augen zu halten – ob es schmerzhaft ist oder nicht. Reflektion, Änderung des HR-Selbstbild und Motivation zum Handeln – das sind die Techniken, die Beck seit Jahren bei den Insider-Jahrestagungen geschickt einsetzt und damit eine wohltuende Gegenposition zu vielen anderen HR-Veranstaltungen, die ihre Priorität auf dem eigenen Schulterklopfen sieht, schafft.
Dies wurde insbesondere in seinem Schlußpladoyer deutlich. „Das ‚Praktikum‘ als Recruiting-Pipeline oder was alles gut bzw. schief gehen kann – Studierende und Unternehmen zwischen Illusiuon und Realität“ – wie es im Tagungsprogramm diplomatisch formuliert wurde, war nicht das Salz in der Suppe, eher das Salz in der Wunde. Denn bei Praktikum, Jobsuche nach dem Studienabschluss und den ersten Schritten im Berufsleben der Hochschulabsolventen geht einiges schief, die Kluft zwischen Wunschvorstellungen und der rauen Wirklichkeit des Berufsleben scheint sich eher zu vergrößern. Beck untermauerte seine Argumentation mit wenigen, aber eigentlich ernüchternden Zahlen.
Eine typische Informationsasymmetrie herrscht bei den Praktikanten-Stellenausschreibungen. Was Studenten über das Praktikum wissen wollen – und was Arbeitgeber an Informationen bereitstellen – da gibt es eine erhebliche Kluft.
Ein weiteres Problemfeld ist die Praktikumsdauer und der Startzeitpunkt. Auch hier sind die Unternehmen meilenweit entfernt, die Bedürfnisse der Studenten zu berücksichtigen.
Es ist was faul im Staate Academica
Am Rande der Referate gelang es Beck, auf einige der Entwicklungen im Hochschulwesen hinzuweisen, auf die sich Recruiter zwangsläufig einstellen müssen. Einerseits steigt bei den Schulabgängern der Anteil der Studierenden stetig an, andererseits fehlen Absolventen trotz Bologna-Reformen grundlegende Aspekte der Lebenserfahrung. Ob ein Praktikum oder ein Auslandssemester diese Lücken schliessen können, bleibt nach wie vor offen. Andererseits grenzt es schon an ein systematisches Versagen der Hochschulen, wenn diese eine Art „Nichtangriffspakt“ mit den Studenten geschlossen haben und eine zunehmende Nivellierung der Abschlussnoten stattfindet und so den Zweck eines aussagefähigen Zeugnisses als Leistungsbeweis nicht mehr ausüben. So kommentiert beispielsweise die ZEIT die derzeitige Lage:
Note Drei? Ist wie Note Sechs
Ein inoffizieller Nichtangriffspakt sorgt dafür, dass Studenten immer besser bewertet werden. von Barbara Kuchler und Stefan Kühl
Dass man in den meisten Fächern an den Universitäten oder Fachhochschulen gute oder sehr gute Noten bekommt, ist seit Längerem bekannt. Bei Absolventen aus Fächern wie BWL, Soziologie oder Psychologie, in denen 70 bis 90 Prozent mindestens mit einer Zwei im Abschlusszeugnis auf den Arbeitsmarkt entlassen werden, sind gute Noten für die Personaler in der Regel Voraussetzung – ohne dass diese aber in irgendeiner Form über Einstellung oder Nichteinstellung entscheiden. Es gibt wenige Ausnahmen wie Jura und Medizin. In den meisten anderen Fächern aber, zum Beispiel Pädagogik, Biologie oder Geografie, müssen sich Dozenten gegenüber ihren Studenten sogar fast schon dafür rechtfertigen, wenn sie für eine Hausarbeit oder ein Referat lediglich »befriedigend« vergeben.
Die Inflation guter Noten hat sich – so das Ergebnis einer neuen Studie des Wissenschaftsrates – weiter verstärkt. Auf einem bereits sehr hohen Niveau haben sich in den letzten sechs, sieben Jahren die Noten noch einmal signifikant verbessert. Während im Jahr 2000 durchschnittlich 70 Prozent eines Abschlussjahrgangs eine gute oder sehr gute Note erhielten, waren es 2011 über 80 Prozent.
(Quelle: http://www.zeit.de/2012/48/Hochschule-Notenvergabe)
Wenn Arbeitszeugnisse von nahezu 90% der Arbeitnehmer selbst geschrieben werden und Hochschulabschlussnoten nach den Regeln eines Nichtangriffspakts weichgespült werden – welchen Sinn hat es für Recruiter dann noch, auf diese schriftlichen Nachweise bei einer Bewerbung zu bestehen und darauf zu vertrauen?
Eigentlich müsste der Recruiting Convent als Insider-Tagung ein Pflichttermin für Personaler und Recruiter sein. Der nächste Recruiting Convent findet am 23. und 24. März 2015 statt. Vormerken lohnt sich.