Gute Texte für HR
Drei erfahrene Journalistinnen versprechen, dass die Personalberichte aus ihrer Feder nicht ungelesen im Altpapier landen und die von ihnen konzipierten Karriere-Webseiten auch angeklickt werden. Im Interview mit CROSSWATER verraten sie, was gute Texte ausmacht – und wie hilfreich diese in der Personalarbeit sein können.
Was William Shakespeare, David Bowie, Kurt Cobain praktizierten oder der amerikanische Kult-Autor der Beat-Generation, William S. Burroughs mit seinem Stilmittel der Cut-Up-Technik demonstrierte, würde jedem Dozenten an der Henri-Nannen-Schule für Journalismus die Zornesröte ins Gesicht treiben.
Shakespeare ersetzte gelegentlich Verben mit Substantiven, Bowie und Cobain nutzten die Cut-Up-Technik beim Texten ihrer Songs und Burroughs strapazierte seine Leser mit Büchern, die komplett mit Hilfe der Cut-up-Technik geschrieben wurden .
Bei der Cut-Up-Technik geht es im wesentlichen um die zufallsbedingte Verschiebung von Worten im Text, so dass ein komplett neuer Text mit einem anderen Sinn geschaffen wird – fast immer ist dieser schwerer zu verstehen als das Original.
Ein zufallsbedingt veränderter Text könnte beispielsweise so aussehen:
Lehm gebrannt.
Heute muß der Erden
Steht die Form, aus Lehm gebrannt.
Heute muß die Glocke werden
Steht die Glocke werden.
Frisch Gesellen, seid zur Hand.
Von der Segen kommt von oben,
Doch der Segen kommt von oben,
Doch der Erden.
Frisch Gesellen, seid zur Hand.
Von der Segen kommt von oben,
Doch der Schweiß,
Soll das Werk den Meister lobenhttp://www.richkni.co.uk/php/text/text.php
Natürlich haben Sie gleich erkannt, falls Sie die Erinnerung an Ihre Schulzeit nicht erfolgreich verdrängt haben, dass dieser Random-Text Schillers „Glocke“ als Vorlage hat.
Harte Journalistenschule: Frauen weinen, Männer fangen das Rauchen wieder an
Mit solchen zufallsbedingten Text-Verfremdungen dürften sich jedoch die Schüler der Henri-Nannen-Schule nicht abgeben. An der Hamburger Journalistenschule, von drei großen deutschen Medienhäusern (Gruner+Jahr-Verlag, ZEIT und Spiegel) gegründet, lernen und trainieren junge Leute das mitunter harte Handwerk des guten Journalismus. Dort herrschen hohe Qualitätsansprüche, wie das Beispiel von Wolf Schneider zeigt.
Nach seiner Zeit als Schulleiter war Wolf Schneider – vom 19. Lehrgang an – regelmässig Gastdozent im Grundseminar. So kamen auch spätere Schüler in den Genuss seiner dreifarbigen Anmerkungen. Die brachten Frauen zum Weinen, Männer fingen wieder mit dem Rauchen an und die Zukunft schien düster [1] .
Betrachtet man die gegenwärtige Qualität der HR-Kommunikation, ist man hin- und hergerissen zwischen den beiden Extremen: der zufallsbedingten Textverschiebung der Cut-up-Technik einerseits und dem Anspruch der Henry-Nannen-Journalisten-Schule andererseits.
Im Interview mit Crosswater diskutieren die drei Journalistinnen Ruth Hoffmann, Inka Schmeling und Andin Tegen, alles Absolventen der Henri-Nannen-Schule, weshalb HR gute Texte dringend benötigt.
Wie würden Sie als Journalistinnen auf unsere erste Frage antworten:
Was zeichnet gute Sprache aus?
Im Kern geht es darum: Wörter sind wichtige Werkzeuge. Darum sollte die Personalabteilung eines Unternehmens sie auch sehr gezielt einsetzen. Möchte HR die Mitarbeiter in der Breite über neue Vergütungsregeln aufklären?
Dann müssen auch komplexe Regeln verständlich erklärt werden. Wird einem Mitarbeiter per Post zur Geburt des Kindes gratuliert? Wer für solch wichtige Momente im Leben keine empathischen Worte findet, sollte den Brief oder das Mail gar nicht erst abschicken. Viel zu oft verstecken sich Personalabteilungen hinter Worthülsen und wundern sich dann, wenn ihre Botschaften nicht bei den Menschen ankommen. Wir bieten uns da als Übersetzer an, wir übernehmen die Textarbeit oder bilden HR’ler sprachlich fort. Schließlich gibt es, wie bei allen Werkzeugen, auch für den Umgang mit Worten klare Handwerksregeln.
Was sind das für Regeln? Wie schafft man es zum Beispiel, Lesern komplexe Sachverhalte nahe zu bringen?
Texte müssen zuallererst verständlich sein – alles andere ist zwar nicht unwichtig, aber zweitrangig. Wolf Schneider, selbsternannter Sprachpapst und Dozent an der Henri-Nannen-Journalistenschule, sagt immer: ‚Einer muss sich anstrengen: entweder der Leser oder der Autor.’ Ein weiser Satz, an den man sich beim Schreiben immer mal wieder erinnern sollte. Denn natürlich ist es der Autor, der sich anstrengen muss, sonst verliert er die Leser, und zwar spätestens im zweiten Absatz.
Gerade bei komplizierten Sachverhalten ist es daher unerlässlich, die Materie erst einmal selbst zu durchdringen und sich dann zu überlegen, wie man sie einem Freund erklären würde. Natürlich ist geschriebene Sprache nicht dasselbe wie gesprochene. Trotzdem lohnt es sich immer, einen Text daraufhin zu überprüfen, ob man sich im Gespräch genauso ausdrücken würde. So kommt man unnötig gestelzten Formulierungen auf die Spur. Eine gute Möglichkeit, um Komplexes verständlich und gut lesbar zu machen, ist, es über eine Geschichte zu erzählen.
Das so genannte Storytelling…
Ja, genau. Darum geht es im Grunde bei jedem Thema. Man muss die Geschichten finden, die dahinterstecken, und dann die spannendste, anrührendste oder unterhaltsamste von ihnen auswählen. Jeder Leser möchte etwas Neues erfahren, aber er will sich dafür nicht anstrengen müssen. Das gilt für die Leser eines Buches oder eines Magazinartikel genauso wie für die Leser eines Personalberichtes. Eine gute Geschichte zieht mich in ein Thema rein, möglicherweise sogar in eines, das mich ursprünglich gar nicht so sehr interessierte.
Zum Beispiel?
Es kann dabei um eine junge Frau gehen, die lange nicht wusste, welchen Weg sie einschlagen sollte und sich nach einem Praktikum nun erfolgreich für eine Azubi-Stelle beworben hat. Was sie zu sagen hat, ist mit ziemlicher Sicherheit eindringlicher als jede offizielle Äußerung des Vorstands zum Thema Talent Management. Auch die Genese einer guten Idee, die sich mittlerweile in einem Unternehmen etabliert und bewährt hat, kann Gegenstand eines Storytellings sein.
Manchmal steckt die Geschichte vielleicht nur in einem Seitenaspekt des Themas, manchmal springt sie einem sofort ins Auge. In jedem Fall lohnt es sich, nach ihr Ausschau zu halten, denn ohne sie ist selbst das relevanteste Thema letztlich nur eine Aneinanderreihung von Fakten. Der Mensch liebt Geschichten, das ganze Leben besteht aus ihnen. Wenn sich zu einem Thema keine finden lässt, sollte man überlegen, ob es wirklich so interessant ist, wie man meinte.
Was reizt Sie als Journalistinnen an der Arbeit mit HR’lern?
Na, die Arbeit mit Menschen – und genau das leistet ja die Personalabteilung – ist für uns Journalistinnen doch die spannendste Aufgabe überhaupt. Wo Menschen sind, da sind auch Geschichten. Nirgendwo sonst kommt ein Unternehmen auf spannendere Geschichten.
Wie aber findet man diese Geschichten – in einem Unternehmen, das mehrere hundert oder gar tausend Mitarbeiter hat?
Gute Texte in HR lassen den Mitarbeiter zu Wort kommen. Niemand sonst steht so sehr für das Unternehmen. Mitarbeiter, die an ihrem Arbeitsplatz ernst genommen werden, die sich engagieren, weiterentwickeln, in einer privaten Notlage von ihrem Arbeitgeber unterstützt werden – sie erzählen die spannendsten und anrührendsten Geschichten. Wenige Imagekampagnen wirken so nachhaltig wie die Wirklichkeit.
Und aus diesen Geschichten erwachsen dann Personalberichte, die auch gelesen werden?
Ja. Weil wir den Anspruch haben, keine „Verkündungstexte von oben“ zu schreiben, sondern die Mitarbeiter quasi direkt an ihrem Arbeitsplatz abholen. Jeder will doch gerne lesen, was der Kollege gegenüber in seiner Freizeit ehrenamtlich leistet oder wie die Kollegin nebenan das im Alltag schafft, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Unsere Texte zeigen ein Unternehmen über seine Mitarbeiter – sympathischer kann man sich doch nicht präsentieren.
Zu wirklich guten Personalberichten gehört z.B. auch, dass ein Unternehmen sich traut, kritische Punkte anzusprechen, die seine Mitarbeiter umtreiben. Sei es die neue Vergütungsregel oder wirtschaftlicher Druck: Wir übersetzen knifflige Themen so, dass alle Mitarbeiter sie verstehen können. Dazu gehört neben einer klaren, geraden Sprache eben immer auch das richtige Storytelling, ein schlüssiger Textaufbau, eine ansprechende Dramaturgie und die Konzentration auf das Wesentliche. Wenn Texte zum Kern eines Themas vordringen, dann werden sie gerne gelesen.
Ruth Hoffmann, Inka Schmeling und Andin Tegen arbeiten als selbstständige Journalistinnen in einem Büro am Hamburger Michel. Mit der Schelenz GmbH,
Kreative Beratung für HR aus Großkarlbach, haben sie bereits mehrfach Texte für unterschiedliche HR-Abteilungen konzipiert und umgesetzt.
[1] (Aus der Ausgabe Jubilum Henri-Nannen-Schule 03. April 2004 1979 – 2004 Seite 60 – 63)