Die Digitalisierung gefährdet vor allem die Jobs der Wissensarbeiter
Von Gerhard Kenk, Crosswater Job Guide.
Ob Angela Merkel oder Sigmar Gabriel die regelmäßige Lektüre des von Dr. Holger Schmidt herausgegebenen Blogs Netzökonom auf ihrer To-Do Liste haben ist fraglich. Zwar hat die Politik die Digitalisierung auf ihre Agenda gesetzt, was damit dann im Einzelnen zu tun ist, bleibt eigentlich sekundär. Für Angela Merkel ist das Internet nach eigenem Bekennen sowieso etwas wie #Neuland. Dr. Holger Schmidt positioniert sich eher auf der entgegengesetzten Skala.
Der promovierte Volkswirt befasste sich als Wirtschaftsredakteur für die Frankfurter Allgemeine Zeitung mit den Themen Internet und Energie, gab die wöchentliche Sonderseite „Netzwirtschaft“ heraus und betreibt das Blog „Netzökonomie“, das 2011 als bestes Wirtschaftsblog ausgezeichnet wurde. Heute arbeitet er beim FOCUS Magazin als Chefkorrespondent mit den Schwerpunkten Internet, Netzwirtschaft und Social Media.
Gestern hatte ich ein längeres Telefongespräch mit Dr. Holger Schmidt, er recherchiert aktuell die Hintergründe zu einem Karriere-Spezial-Artikel über die Matching-Technologie der Jobbörsen. „Da haben Sie sich aber ein ganz spannendes, aber auch schwieriges Thema ausgesucht“ – nach meinen Begrüßungsworten ging es dann wirklich in’s Eingemachte. Aber warten wir doch ab bis der sicherlich spannende Bericht im FOCUS erschienen ist.
Um etwas ganz anderes geht es Schmidt mit dem Thema Digitalisierung. Wie wird sich der digitale technische Fortschritt auf die Arbeitswelt auswirken? Einer der Vordenker in diesem Thema ist Andrew McAfee, der zusammen mit Erik Brynjolfsson das Buch „The second Machine Age: Work, Progress, and Prosperity in a Time of brillant Technologies“ geschrieben hat. Das Buch ist so brilliant, dass es auf der New York Times Bestseller Liste landete.
McAfee nimmt kein Blatt vor den Mund und beschreibt die Risiken der Digitalisierung in eindringlichen Worten:
The sheer density and complexity of our digital world brings risk with it. Our technological infrastructure is becoming ever more complicated and interlinked. The Internet and intranets, for example, now connect not just people and computers but also televisions, thermostats, burglar alarms, industrial sensors and controls, locomotives, automobiles, and an uncountable multitude of other devices. Many of these provide feedback to one another, and most rely on a few common subsystems like the routers that direct Internet traffic.
Any system this complex and tightly couples has two related weaknesses. First, it’s subject to seeing minor initial flaws cascade via an unpredictable sequence into something much larger and more damaging. Such a sascade, which sociologist Charles Perrow labeled a ’system accident‘ or a ’normal accident,‘ characterized the 1979 meltdown of the Three Mile Island nuclear plant, the August 2003 electrical blackout that affected forty-five million people throughout the U.S. Northeast, and many other incidents.
Second, complex, tightly coupled systems make tempting targets for spies, criminals, and those who seek to wreak havoc. A recent example here is the Stuxnet computer worm, which may have been incubated in government labs. In 2010 Stuxnet hobbled at least one Iranian nuclear facility by perverting the control systems ot its Siemens industrial equipment. The worm entered its target sites and spread through them by jumping harmlessly from PC to PC; when it spotted an opportunity, it crossed over to the Siemens machines and did its damage there.
In einem Interview mit Andrew McAfee ging Dr. Holger Schmidt den Auswirkungen der Digitalisierung auf Wirtschaft, Wohlstand und Wandel der Arbeitswelt auf den Grund.
MIT-Forscher Andrew McAfee gehört zu den Vordenkern der Digitalisierung der Wirtschaft. Wenn Roboter und künstliche Intelligenz unsere Fabriken steuern, wird der Wohlstand aller Menschen steigen, sagt er voraus. Bis dahin könnte der Anpassungsprozess aber schmerzhaft werden – vor allem für die Arbeitnehmer, deren Jobs schon kurzfristig von Maschinen erledigt werden.
Der Einzug digitaler Technik in die Fabriken wird als vierte industrielle Revolution bezeichnet. Wird es zu ähnlich heftigen Umwälzungen in der Wirtschaft kommen wie bei den drei ersten Revolutionen?
McAfee: Eines ist schon mal sicher: Der technische Fortschritt, der jetzt in die Fabriken einzieht, wird die Produktivität in den kommenden fünf bis zehn Jahren deutlich erhöhen. Unternehmen und Arbeitnehmer werden deutlich produktiver, weil die Versprechungen der Informatiker und Roboter-Entwickler jetzt erfüllt werden.
Was passiert mit den Arbeitnehmern?
McAfee: Viele Arbeitnehmer werden das Tempo der Digitalisierung nicht mitgehen können – sie werden zurückbleiben. Das ist ein ernstes Problem und damit müssen wir uns beschäftigen. Aber die Reaktion kann nicht sein, die technische Entwicklung zu stoppen. Sie kann nicht gestoppt werden.
Bleiben vor allem die Menschen der aktuellen Generation zurück, die in der analogen Welt aufgewachsen sind und mit dem Tempo der digitalen Welt nicht klarkommen?
McAfee: Ich denke nicht. Die jüngere Generation, die mit dem Internet aufgewachsen ist, wird nicht automatisch zu produktiven Arbeiternehmern. Entscheidend ist eine Reform des Bildungswesens, das die Menschen auf diese digitale Welt vorbereitet.
Weiterlesen:
http://netzoekonom.de/2015/03/09/routine-jobs-der-wissensarbeiter-sind-besonders-gefaehrdet/