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Wie Big Data das Zielgruppendenken verändert

Björn Bloching
Björn Bloching

Die Werbung eines Softwarekonzerns verspricht, Businessdaten in Echtzeit zur Verfügung zu stellen. In der Landwirtschaft gleichen Traktoren heute schon Hightech-Maschinen, um zum Beispiel optimal Aussaaten oder Erntezeiten zu ermitteln. Auch im Human Resource Management ist Big Data auf dem Vormarsch. Was bedeutet das konkret für die Zielgruppendenke? Wir haben die Antworten für Sie recherchiert. Und wir stellen Ihnen ein beispielgebendes Big Data-Tool für das Targeting im Personalmarketing vor.


Weltweit verarbeiten Web- und Suchmaschinenprovider, Konzerne, Behörden und viele weitere Organe Userdaten. Das Internet ist zum Lebensraum der Menschen aufgestiegen und löst die analoge Welt in vielen Bereichen ab. Menschen hinterlassen daher mehr Spuren im Digitalen als im Analogen. Und das unauslöschlich. Der verstorbene Herausgeber Frank Schirrmacher hatte zu Beginn des Algorithmenhypes gewarnt: Das Internet vergisst nicht. Tatsächlich wird heute unter Datenschützern nur noch darüber gestritten, wer Daten einsehen und verarbeiten darf. Die Datenerhebung selbst kann nicht mehr rückgängig gemacht werden. Es sei denn, man zöge sich aus dem Internet raus. Selbst dann werden Spuren durch die Allgegenwärtigkeit der öffentlichen und privat betriebenen Kontrolle aufkommen.

 

Wirtschaft stellt auf Big Data um

Die auf Werbung basierte Wirtschaft macht sich den Megatrend zunutze. Sie will Nachfrage und Angebot möglichst so aufeinander abstimmen, dass keine Überschüsse an Ressourcen, Arbeitskraft, Zeit und Investment entstehen. Damit ändert sich auch die Businessdenke: Der Markt produziert im besten Fall auf spezielle Anforderung der Verbraucher, statt ihnen ihre Lösungen im Pushprinzip zu verkaufen. Doch was will der Konsument eigentlich? Das erfahren Werber und Manager, indem sie soziologische, geographische, konsumrelevante, gehaltstechnische Verbraucherdaten auswerten. Mit anderen Worten: Sie lesen aus großen, komplexen, schnelllebigen oder schwach strukturierten Datenmengen – genannt Big Data – ab, was eine Region für ihr Geschäft wert ist, wie Konsumenten sich verhalten und welche Produkte und Services demzufolge gefragt sind, beziehungsweise sein könnten.

Zielgruppen
Zielgruppen

Die Businessdenke ändert sich fundamental

In ihrem Buch „Data unser“ zitieren die Autoren Björn Bloching, Leiter des internationalen Competence Centers Marketing & Sales von Roland Berger Strategy Consultants, Lars Luck als Partner des Centers und brand eins-Autor Thomas Ramge zur Einführung ihres Themas Larry Summers. Dieser stand der Harvard University als Präsident vor und ist Chief economic advisor unter Barack Obama. Er sagte über die Rolle von Big Data: „Ich glaube, dass Geschichtsschreiber in zweihundert Jahren über die heutige Zeit sagen werden, dass sich ein Trend entwickelte, der für das menschliche Denken maßgeblich war. Diese Maßgeblichkeit liegt darin, dass wir anfingen, wie nie zuvor rational, analytisch und datengetrieben zu sein.“ In Wirtschaft und Politik gilt schon seit den 1980er Jahren die Maxime: Auf Zukunft wartet man nicht. Man macht sie. Oder in den Worten der Managementvordenkerin Sonja Radatz ausgedrückt: „Gestalte, ansonsten wirst Du gestaltet“. Mit den exponentiell anwachsenden Datenuniversen wird das in einem nie gekannten Ausmaß möglich. Server regieren die Welt. Watson von IBM und HANA von SAP machen es vor.

 

Und Human Resources?

Big Data führt uns also in das seit den 1980er Jahren vorausgesagte Age of Reason, wie die Amerikaner es nennen. Wenn nun also Politik, Wirtschaft und auch die Gesellschaft auf dem Wege des Konsums den Weg der offenen Türen beschreiten, wäre es da nicht naheliegend darüber nachzudenken, ob nicht auch im Personalmarketing mit Big Data gearbeitet werden sollte. Ein Manager, der seine Entscheidungen auf diese gründet, wird wissen wollen, wie die Datenbasis für seine Personalentscheidungen aussieht.

Zugegeben: Big Data ist ein informationstechnologisches, mathematisch-statistisches, analytisches Thema. Es geht um Algorithmen – also festgelegte Handlungsentscheidungsautomatismen, Datenaufbereitung, Datenbewertung und vieles mehr. Eine komplexe und auch unter Umständen komplizierte Materie. Man muss sich in Grundlagen auskennen, um gut einzusteigen oder bei der Suche nach Anbietern nicht über den Tisch gezogen zu werden. Dennoch zeigen Studien, dass Big Data über die Konzerne hinaus Einzug in den Mittelstand gehalten hat.

 

Zuletzt berichtete das Haufe-Medium „personalmagazin“ im Juni 2016 über eine Erhebung der Bitkom Research im Auftrag von KPMG. 704 Unternehmen und 102 Verwaltungen mit mehr als 100 Mitarbeitern waren befragt worden. Das Magazin schrieb: „Immer mehr Unternehmen in Deutschland treffen relevante Entscheidungen auf Basis von Datenanalysen und schaffen es auch, die entsprechenden Erkenntnisse nutzbringend anzuwenden. Gut ein Drittel der Unternehmen in Deutschland nutzt bereits Big-Data-Analysen für die Auswertung großer Datenmengen“. Vor zwei Jahren wären es lediglich 23 Prozent gewesen, was einen wesentlichen Anstieg bedeutet. Die Umfrage habe außerdem ergeben, dass vier von fünf Unternehmen relevante Entscheidungen zunehmend von Erkenntnissen aus der Datenanalyse abhängig machen.

Angesichts dieser Befunde ist es offenbar nur noch eine Frage der Zeit, bis auch Personaler im Gespräch mit Managern über Big Data sprechen müssen. Dies allerdings wäre eine klare Qualifikationsfrage für HR.

Vorreiter Amerika zeigt, was Big Data im HR kann

Was Human Resources mit Big Data zu tun vermag, zeigt sich am Beispiel amerikanischer Unternehmen und Analysetool-Anbieter; und zwar deswegen, weil der Datenschutz dort laxer behandelt wird als hierzulande. Das hat sich seit Snowden und der NSA allgemein herumgesprochen. Was also kann der Amerikaner, was im Deutschsprachigen nicht vorstellbar ist?

Der Werbefachmann und Geschäftsführer der topdesign Werbeagentur GmbH & Co KG Thomas Schuster hat einige Hinweise zusammengetragen. So biete der Datenbankdienstleister LexisNexis zum Beispiel einen so genannten „Accurint for Law Enforcement“. Mit diesem können Behörden nach einzelnen Personen recherchieren, wie zum Beispiel in sozialen Netzwerken. Auch die Personensuchmaschine Spokeo bietet seinen Nutzern ausführliche Profile zuvor ausgewählter Personen; darunter Angaben zu persönlichen Beziehungen, Vermögen und Religion. Die Firma werbe auch im HR mit dem Slogan: „Personalchefs – hier klicken!“.

Das ähnlich gelagerte Angebot von MicroStrategy unter dem Titel „Wisdom Professional“ wurde von der deutschen Employer Branding und Social Media Marketing-Agentur Wollmilchsau in 2013 getestet. Die Amerikaner überließ ihr ihre Software zur Auswertung von Facebook-Daten und diese stellte einige Testberichte zusammen. Fazit der Experten: Ein brauchbares Tool, nützliche Ergebnisse, gewährleistet mehr Durchblick für Personalwerber. Grund genug also, Wisdom Professional einmal unter die Lupe zu nehmen, um besser zu verstehen, was Big Data im Personalmarketing bedeuten kann.

Wisdom Professional ist eine analytische Applikation, mit der das gesamte Spektrum der im Netzwerk hinterlassenen Verbraucherdaten erforscht werden kann. Die von Wisdom verarbeiteten Daten stammen aus dem „Wisdom Netzwerk“, in dem Millionen Verbraucher der Verarbeitung ihrer Daten zugestimmt hätten (Opt in | laut Angabe des Anbieters). Nur so ist zu erklären, dass überhaupt mit Facebook-Daten gearbeitet werden kann. Der Provider stellt seine Schätze nämlich nicht einfach so zur Verfügung.

Grundsätzlich werden Wisdom-Anwender folgende Funktionalitäten und Optionen geboten:

  • Vertiefte Einblicke in die Demographie, Interessen, Aktivitäten und Motivationen der Verbraucher.
  • Erweiterte Filterfunktionen, um gewünschte Zielgruppen einzugrenzen. Dafür stellt Wisdom voreingestellte Attribut-Kombinationen zur Verfügung.
  • Analyse der eingegrenzten Zielgruppen, um gemeinsame und unique Vorlieben der Mitglieder zu ermitteln.

Die Software bietet wie Google Analytics oder gleichwertige Analysesoftware Steuerungsansichten und Reportings. Eine der wesentlichen Funktion von Wisdom wird unter der Bezeichnung „Psychographischen Profilen“ geführt. Dabei handelt es sich um voreingestellte Profile, welche Facebook-User anhand von ähnlichen Interessen und Aktivitäten bündeln. Wisdom rankt die Profile ausgehend von Affinitäten zwischen Verbrauchern. Damit lassen sich Aussagen über Werte und Einstellungen von Gruppen treffen. So seien zum Beispiel Coca Cola-Konsumenten wesentlich markenbewusster als andere, schreibt der Anbieter in seiner Beschreibung.

Wisdom-User können Profile aber auch in zwei Schritten selbst erstellen: Sie identifizieren Facebook-Mitglieder dazu mittels einer Kombination von Page-Likes, Check-Ins und demographischen Charakteristiken. Zweitens müssen sie Kriterien bestimmen, um den Kreis ihrer gewünschten Zielpersonen einzugrenzen. Dies könnte zum Beispiel durch die Zuweisung des Kriteriums „Fan von drei der mehr Sportseiten“ geschehen. Weitere mögliche Kriterien wären Selbstangaben über Familienstände (verlobt, ledig, Kinder etc.), offenkundige Informationsrecherchen des Facebook-Mitgliedes oder die Popularität von Personen in der Facebook-Community.

Neben diesem Profiling kann der Wisdom-Anwender verschiedene Reportings erstellen, wie zum Beispiel zum Thema „Gender“, „Beziehungsstatus“ oder „Vergleich von Psychogrammen“.

Da Facebook-User oft nicht alle vom Netzwerk geforderten Angaben immer vollständig erbringen, vervollständigt Wisdom fehlenden Informationen durch Auswertung weiterer Infoquellen und Suchalgorithmen. Dies kann zum Beispiel geographische Standortangaben Bildungsniveaus, Psychoprofile, Gehaltsangaben, Mitgliedschaften und Popularität betreffen. Externe Quellen sind laut Angaben von MicroStrategy Eurostat, die Weltbank, das nationale Statistikwesen Japans, der US Census und andere öffentliche nationale und globale Organe.

Die im deutschsprachigen Raum angebotenen Big Data-Tools bedienen sich solcher Quellen nicht und bieten auch nicht so umfassende Informationen. Der Datenschutz schiebt dem einen Riegel vor. Es bleibt abzuwarten, ob und wie sich die Tools für das Personalmarketing dem amerikanischen Standard angleichen. Das dürfte auch von der Nachfrage abhängen. Die Deutschlandzentrale eines Softwarekonzerns hat jedenfalls schon erfolgreich mit Big Data gearbeitet: Er ermittelte aus ihnen einen optimalen neuen Standort, an dem unter anderem genügend Fachkräfte zu Verfügung stehen, ein gutes Bildungsniveau herrscht und die Verkehrswege günstig sind. Der Umzug war erfolgreich.

Quelle:

HRM Research Institute GmbH
Rheinkaistraße 2,
68159 Mannheim

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