Personalentwicklung in der Wissenschaft geschlechtergerecht gestalten
Ein Beitrag von Petra Wagner
Eine geschlechtergerechte Personalentwicklung ist eine der zentralen Herausforderungen der Personalarbeit in Hochschulen, Ressortforschungseinrichtungen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Wie kann sie gelingen? Und wie können die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten der Wissenschaftsinstitutionen die Realisierung echter Chancengleichheit unterstützen? Diese Fragen standen jüngst im Mittelpunkt einer Fachtagung am IAB in Nürnberg.
Personalentwicklung ist nicht nur ein Thema in Unternehmen. Personalentwicklung erstreckt sich auch in der Wissenschaft über den gesamten Bereich der Personalarbeit. Sie reicht von der Anwerbung und Auswahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über deren Bindung und Unterstützung in der täglichen Arbeit, die Anreizgestaltung und die Weiterbildung der Beschäftigten bis hin zum Wissenstransfer und zum Trennungsprozess beim Ausscheiden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dem sogenannten Offboarding.
Geschlechtergerechte Personalentwicklung bedeutet dabei die Ausgestaltung der Personalentwicklung mit einem besonderen Fokus auf die Gleichstellung von Frauen und Männern und dem Ziel der Realisierung echter Chancengleichheit.
Chancengerecht: Von der Anwerbung bis zum Offboarding
Wie aber kann Personalentwicklung in der Wissenschaft im Allgemeinen und deren geschlechtergerechte Ausrichtung im Besonderen konkret aussehen? Welche Themen, Methoden und Maßnahmen sind relevant, und welche Praxisbeispiele können zur Weiterentwicklung der eigenen Personalarbeit von den Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten der Wissenschaftsinstitutionen herangezogen werden? Wie ist auf die spezifische Situation und Bedarfslage unterschiedlicher Beschäftigtengruppen einzugehen?
Diesen Fragen widmete sich eine Fachtagung, die das IAB zusammen mit der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und der Landeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an Bayerischen Hochschulen (LaKoF) am 5. Juli 2018 veranstaltete. Die Tagung diente darüber hinaus der Vernetzung von Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten von Hochschulen, Ressortforschungseinrichtungen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen.
„Willkommen im IAB“ mal anders
Jenseits der üblichen Begrüßungsrituale für Fachtagungen gaben Valerie Holsboer, Vorstand Ressourcen der Bundesagentur für Arbeit (BA), und Prof. Dr. Ulrich Walwei, Vizedirektor des IAB, eine Einführung nicht nur in das Thema, sondern auch in die Rolle des IAB, die Räumlichkeiten und die politisch-soziale „Mechanik“ der Bundesagentur. Sowohl der BA als auch dem IAB ist die Gleichstellung ein zentrales institutionelles Anliegen. Valerie Holsboer bekräftigte nicht zuletzt anhand persönlicher Erfahrungen, wie wichtig ihr dieses Thema ist.
Geschlechtergerechtes Talent-Management in der Wissenschaft
Prof. Dr. Claudia Peus, Senior Vice President Talent Management and Diversity an der Technischen Universität München (TUM), verdeutlichte in ihrer Keynote, dass wissenschaftliche Institutionen noch weit von der Gleichstellung entfernt sind. Die Gründe für die Unterrepräsentanz von Frauen lassen sich auf der individuellen, der organisationalen und der gesellschaftlichen Ebene finden. Zentral ist hier die Wirkung von Stereotypen – ein Forschungsfeld, mit dem sich Claudia Peus intensiv beschäftigt.
Gendergerechte Personalentwicklung beginnt schon bei der Ansprache: Typisch maskuline Formulierungen in Ausschreibungen wie „zielstrebig“ oder „durchsetzungsstark“ haben andere Wirkungen als feminine Formulierungen wie „engagiert“ oder „verantwortungsvoll“. Gender-Bias können auch bei der Personalauswahl wirken, vor allem wenn die Auswahl unstrukturiert und auf der Grundlage schwammiger Kriterien erfolgt.
Eine weitere Herausforderung ist es, mit und in Vielfalt zu führen. Claudia Peus verdeutlichte anhand des Leadership-Programms der TUM, wie (künftige) weibliche Führungskräfte unterstützt werden können bei der Entwicklung ihrer eigenen Führungsidentität und einem effektiven Führungsstil sowie im Führungsalltag.
Blick in die Unternehmenswelt: Unternehmerische Gründe für Diversität
Was kann die Wissenschaft in puncto geschlechtergerechte Personalentwicklung von einem global agierenden Unternehmen lernen? Katja Ploner, Global Diversity & Inclusion Manager der Siemens AG, zeigte in der zweiten Keynote anschaulich, wie ein Unternehmen diese Herausforderung gestaltet.
Für Siemens ist Diversität strategisch relevant: Durch Diversität wird das Unternehmen innovativer und erfolgreicher. Vor diesem Hintergrund erstaunt nicht, dass Diversitätsmanagement bei Siemens in die Personalprozesse integriert ist. Das zeigte Katja Ploner an einer Reihe von Beispielen zu Rekrutierung und Onboarding, also Prozessen rund um das „Ankommen“ neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, zu Personalentwicklung und Coaching sowie zu Nachfolgeplanung.
Die lebhafte Diskussion moderierten Prof. Dr. Annette Keilhauer, Universitätsfrauenbeauftragte der FAU und Petra Wagner, Gleichstellungsbeauftragte des IAB.
Workshops befassten sich mit vier wichtigen Zielgruppen
Was bedeutet das Gehörte nun für die Personalarbeit der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten? In vier parallelen Workshops wurden Maßnahmen und Methoden für unterschiedliche Beschäftigtengruppen skizziert.
Mit dem wissenschaftlichen Nachwuchs beschäftigte sich der erste Workshop. Er wurde von Dr. Iris Werner von der Stabsstelle „Gleichstellung, Diversität & Familie“ an der Universität Kiel sowie Gleichstellungsbeauftragte, und Sabine C. Jenner, Dezentrale Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte der Charité – Universitätsmedizin Berlin, geleitet.
Iris Werner und Sabine Jenner erarbeiteten mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine Fülle von einzelnen Maßnahmen entlang zentraler Bereiche der Personalentwicklung wie Personalauswahlverfahren, Befristungspraxis, Karriereförderung für Wissenschaftlerinnen sowie Vereinbarkeitsregelungen und Quoten als strukturelle Rahmenbedingungen.
Neu ankommende Führungskräfte beziehungsweise Professorinnen und Professoren sind eine weitere Zielgruppe der geschlechtergerechten Personalentwicklung in der Wissenschaft. Der Workshop hierzu, den Nicole Richter vom Welcome Center der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen leitete, befasste sich zunächst mit der Konzeption und den Erfahrungen mit Onboarding an der RWTH Aachen.
Anschließend wurden auch hier Fragen und Anregungen zur weiteren Ausgestaltung der Prozesse rund um den Eintritt und die Integration neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in wissenschaftlichen Institutionen erörtert. Dabei wurden der Service für neu ankommende Professorinnen und Professoren, die Weiterbildung, Fragen des institutionellen Commitments, Fragen rund um Vereinbarkeit und Familie sowie kulturelle Aspekte vertieft.
Etablierte Führungskräfte: Motor oder Hemmnis?
Etablierte Führungskräfte in der Wissenschaft können ein großer Hinderungsgrund geschlechtergerechter Personalentwicklung sein – oder eben ein wichtiger Motor. Katja Ploner vertiefte in ihrem Workshop die sich schon nach ihrer Keynote entfaltende Diskussion für diese spezielle Zielgruppe. Unconscious Bias – unbewusste Denkmuster – bestimmen unsere Wahrnehmung und Bewertung. Siemens will mit seiner Unconscious-Bias-Initiative durch gezielte Trainings die Entscheidungsprozesse und die Kommunikation von Führungskräften und Mitarbeitenden verbessern.
Eine in der Praxis wissenschaftlicher Personalentwicklung oft wenig beachtete Gruppe sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die unbefristet beschäftigt sind – der sogenannte „unbefristete Mittelbau“. Vera Rabelt vom Umweltbundesamt leitete einen Workshop zu dieser Zielgruppe. In der Diskussion wurden unter anderem Fragen des Beurteilungssystems, der Wertschätzung der Beschäftigten und der Arbeitsteilung behandelt.
Die abschließende Podiumsdiskussion mit den Referentinnen der vier Workshops wurde von Prof. Dr. Karl Wilbers, Sonderbeauftragter der FAU für Personalentwicklung, moderiert. Dabei ging es zunächst um das Verhältnis von Geschlecht und Diversität – ein Thema, das im Plenum kontrovers und mit Blick auf weitreichende Folgen für die geschlechtergerechte Personalentwicklung diskutiert wurde. Auch konkrete Einzelaspekte der Personalarbeit, zum Beispiel Teilzeitprofessuren sowie die Ansprache und Einbindung von „Unwilligen“, wurden unter breiter Beteiligung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Fachtagung vertieft.
Vernetzt, viel voneinander gelernt, aber noch viel zu tun
Das Ziel der Fachtagung, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über zentrale Aspekte der Personalentwicklung im Allgemeinen und der geschlechtergerechten Personalentwicklung im Besonderen zu informieren, wurde erfolgreich umgesetzt. Die vorgestellten guten Beispiele für die geschlechtergerechte Personalentwicklung können die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte bei der weiteren Entwicklung der eigenen Personalarbeit unterstützen.
Sehr gut gelang auch die Vernetzung von Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten von Hochschulen, Ressortforschungseinrichtungen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Diese Gruppen pflegen sonst keinen systematischen Austausch, befassen sich aber mit vielen ähnlichen Gestaltungsfragen.
Trotz allem: Bei der geschlechtergerechten Personalentwicklung in der Wissenschaft ist noch viel Luft nach oben. Die Organisatorinnen der Veranstaltung, die Universitätsfrauenbeauftragte der FAU Prof. Dr. Annette Keilhauer, Dr. Imke Leicht vom Büro für Gender und Diversity an der FAU, LaKoF-Sprecherin Dr. Margit Weber, Prof. Dr. Karl Wilbers und Petra Wagner, überlegen daher, die erfolgreiche Zusammenarbeit im nächsten Jahr fortzusetzen. Dies hatten auch viele der Teilnehmerinnen und Teilnehmer angeregt.