Recruiting ist im Lollapalooza-Zirkus angekommen
Von Gerhard Kenk, Crosswater Job Guide
Nahezu jedes Unterhaltungsgenre hat ein symbolträchtiges Festivalformat. Legendär sind Musik-Festivals wie Woodstock, Wacken Open Air, die Bayreuther Festspiele oder Lollapalooza, ein amerikanisches Musik-Festival mit Alternative Rockbands, Mode und Kunst, das im Grant Park von Chicago stattfindet.
Auch im Recruiting zeigen sich Tendenzen, das klassisch-akademische Konferenzformat mit einem Kaleidoskop von bunten, unterhaltsamen und modischen Veranstaltungsformaten zu ergänzen. Dabei ist die Transformation der Recruiting-Veranstaltungen von Fachkonferenz zum Event gekoppelt mit einem Mix von Differenzierungskriterien. Wichtig dabei ist es, wie eine Veranstaltung inhaltlich konzipiert ist, und zwar nicht auf Mikro-Ebene einzelner Themen oder Referenten, sondern nach der Zielsetzung der einzelnen Vorträge.
ESPE: Explain – Sales Pitch – Entertain
Das Erklärungsmodell der bunten und vielfältigen Veranstaltungen im Recruiting kann auf drei Eigenschaften dargestellt werden:
Die klassische Eigenschaft einer Recruiting-Veranstaltung ist das Element „Explain“ oder Erklärung. Hier werden Themen inhaltlich dargestellt und erklärt und vermitteln so einen Mehrwert für die Teilnehmer. Der „Sales Pitch“ ist ein Element, bei dem in erster Linie ein Produkt oder eine Dienstleistung angepriesen wird. Mit „Entertain“ kommt ein Unterhaltungselement auf die Agenda einer Recruiting-Veranstaltung, um den Teilnehmern leichte und lockere Kost zu bieten. Hier zeigt sich, wie nahe einzelne Recruiting-Veranstaltungen dem Charakter von Musik-Festivals gekommen sind.
Der Recruiting Convent ist die wohl klassischste Veranstaltungsreihe, die vor Jahrzehnten von Prof. Dr. Christoph Beck konzipiert wurde und mit akademischer Stringenz den Themenkomplex Personalmarketing und Employer Branding erklärte. Im letzten Jahr erfolgte eine Stabsübergabe, der Recruiting Convent wurde unter der Federführung von Gero Hesse (Territory Embrace) fortgeführt und in einigen Teilbereichen modifiziert.
Recruiting Convent – eine Metamorphose
Auch Recruiting-Messen unterzogen sich einer Wandlung. Der Klassiker „Zukunft Personal“ in Köln gilt nach wie vor als Leitmesse, geografische Ableger wurden mit der Zukunft Personal in Hamburg und Stuttgart ergänzt. Seit dem letzten Jahr kommt nun mit der TALENTpro in München ein wichtiger Konkurrent hinzu. Die erste Veranstaltung im März 2018 meldete „Ausverkauft“, lange Schlangen an den Messepforten signalisierten den Initial Erfolg des Messekonzepts.
Folgerichtig wurde die TALENTpro im März 2019 auf zwei Tage ausgedehnt.
Der Reigen der HR-Veranstaltungen wird immer größer und bunter, wohlklingende Veranstaltungsbezeichnungen sollen die Teilnehmer anlocken: Racer Symposium, Rethink!, Unleash, HR-Failure (K)Night, H.U.G. 2019 oder Recruiter Slam sind nur einige Beispiele.
Eine Übersicht der HR-Veranstaltungen in 2019 finden Sie im Blog von Searchtalent hier: http://blog.searchtalent.de/terminkalender-top-hr-events-2019-searchtalent
Die Crux mit der Profilerin
Welche Schwierigkeiten die Organisatoren von HR-Veranstaltungen bisweilen haben, demonstrierte der Bundesverband der Personalmanager (BPM) im letzten Jahr. Die Organisatoren hatten die „Profilerin“ Suzanne Grieger-Lange als Key-Note-Speaker eingeladen. In der Folge entfachte diese Personalie einen veritablen Shitstorm in der Recruiter-Szene. Die Journalistin Bärbel Schwertfeger hatte gründlich recherchiert und festgestellt, dass die von Frau Grieger-Lange dargestellte akademische Ausbildung nicht der Realität entspräche. Letztlich landete die Diskussion vor dem Landgericht Bielefeld, das Urteil bestätigte Bärbel Schwertfegers Aussagen und Recherchen vollumfänglich.
So schrieb Kristina Enderle da Silva (Haufe Verlag):
Eine heiße Debatte um das Programm der „Social Recruiting Days 2018“ ist in der HR-Szene entbrannt. Stein des Anstoßes: Die umstrittene Profilerin Suzanne Grieger-Langer sollte die eröffnende Keynote übernehmen. Nun hat die öffentliche Kritik gewirkt: Der Veranstalter Quadriga plant das Programm um.
„Suzanne Grieger-Langer wird nicht Keynote Speakerin, sondern Teilnehmerin einer Podiumsdiskussion sein“, teilt Quadriga auf Anfrage mit und erklärt: „Die Diskussionen um Suzanne Grieger-Langer, die nach unserer Anfrage im Frühjahr aufkamen, haben sich vor allem in den letzten beiden Wochen deutlich verstärkt. Wir als Veranstalter halten eine Podiumsdiskussion nun für das geeignetere Format, um dieser Diskussion und der damit verbundenen Kontroverse den nötigen Raum zu geben.“
Öffentlicher Druck zwingt Quadriga zum Handeln
Damit setzt Quadriga einen vorläufigen Schlusspunkt unter eine Debatte, die in der HR-Szene durchaus ihresgleichen sucht. Die Journalistin Bärbel Schwertfeger hatte aufgedeckt, dass Grieger-Langer Probleme mit der Wahrheit hat und als Keynote-Speakerin auftreten sollte. Sowohl HR-Blogger als auch bekannte HR-Influencer griffen die Recherchen von Schwertfeger auf. Quadriga musste heftige Kritik dafür einstecken, dass Grieger-Langer eine große Plattform für die Darstellung ihrer umstrittenen Profiling-Methoden bei den Social Recruiting Days bekommen sollte.
Der Trend zu vielfältigen Recruiting-Veranstaltungsformen wird auch im aktuellen Jahr nicht aufzuhalten sein.
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