Helge Weinberg: HR BarCamp Berlin festigt Ruf als innovative und exklusive Verantstaltung für Personaler
Von Helge Weinberg.
Es ist nicht das größte und prominenteste HR-Event. Das HR BarCamp hat aber das Potenzial, die innovativste und vielleicht auch exklusivste Veranstaltung für Personaler zu werden. Exklusivste Veranstaltung? Wie im letzten Jahr gab es sehr viele Interessenten, aber längst nicht alle konnten sich auf den Weg nach Berlin machen. Die 135 Tickets für die Veranstaltung am 06. und 07.März 2014 waren innerhalb weniger Minuten verkauft.
Was macht das HR BarCamp so attraktiv? Robindro Ullah (Voith) beschreibt es in seinem Blog als „place to be“, „es ist cool, dort zu sein“. Ein Grund könnte sein, dass sich hier viele der innovativsten und sicherlich auch kommunikativsten Personaler Deutschlands treffen, mit zunehmender ausländischer Beteiligung. Einige von ihnen haben wir angesprochen und nach ihren Eindrücken gefragt. Die Fragen stellte Helge Weinberg, Berater und Blogger aus Hamburg.
Joachim Diercks, Geschäftsführer der CYQUEST GmbH, Hamburg, und Herausgeber des Recrutainment Blogs, fasst seine Einschätzung so zusammen:
Was war für Dich das wichtigste Thema auf dem HR BarCamp 2014?
Auch wenn die Vielfalt der Session natürlich groß war, hatte ich den Eindruck, dass sich sehr vieles um die Frage drehte, wie Unternehmen mit ihren potentiellen und tatsächlichen Kandidaten umgehen, neudeutsch wohl „Candidate Experience“ genannt. Ob das im Zusammenhang mit der Frage war, ob man eine mobile One-Click-Bewerbung anbieten muss oder ob es viel banaler um so Grundlegendes ging wie Freundlichkeit, Verlässlichkeit oder entgegengebrachte Wertschätzung – ich hatte schon den Eindruck, dass man sich zumindest sehr viel mehr Gedanken um den Kandidaten macht als früher. Erfreulich…
Wie intensiv und vielleicht auch kontrovers wurde das Thema in Berlin diskutiert?
Tja, wie twitterte Marcus Fischer von Bâloise es irgendwann zwischendurch: „Im Grunde wissen wir alle wie es geht…“. Den Eindruck hatte ich auch – man war sich eigentlich einig, wie es sein sollte und eigentlich auch einig, wie es geht. Das Schöne an einem BarCamp ist dann aber auch die enorme Offenheit, mit der Viele die Probleme benennen, warum und woran es in der Praxis dann doch oft hapert. Das ändert zwar erstmal auch noch nichts am oft suboptimalen Status Quo, aber es ist immerhin der erste Schritt in die richtige Richtung.
Hast Du (dazu) auf dem BarCamp neue Erkenntnisse gewonnen und welche?
Jetzt nichts aus der Kategorie „Wow, noch nie gehört“, sondern eher so eine Art Grundstimmung: Nämlich, dass wir uns insgesamt viel weniger über Prozesse, Lösungen oder Tools unterhalten haben, sondern viel mehr darüber, dass HR den Menschen in den Mittelpunkt stellen muss! Und das nicht nur beim Thema „Feel-Good-Management“, sondern auch bei traditionell ja vermeintlich eher trockenen Themen wie Eignungsdiagnostik. Ich habe zum Beispiel eine Session zum Thema Berufsorientierung gegeben, in der wirklich sehr lebhaft darüber diskutiert wurde, wie wir alle gemeinsam die Situation verbessern können – die Unternehmen selber ganz explizit eingeschlossen! Früher wäre da viel mehr „auf die Anderen“ wie Schulen, Lehrer, Eltern, Bundesagenturen, Verbände etc. verwiesen worden.
Wo gibt es Handlungsbedarf und welche Handlungsempfehlungen nimmst Du aus Berlin mit?
Wo die Unternehmen immer noch unheimlich einen weiten Weg vor sich haben, ist zu lernen, realistisch und authentisch zu kommunizieren. Auf dem BarCamp waren sich im Prinzip alle einig, dass man als Unternehmen sowohl externen Zielgruppen (also Interessenten oder Bewerbern) wie auch Mitarbeitern reinen Wein einschenken muss, wenn man die „Richtigen“ anziehen möchte und eine zufriedene Belegschaft haben will. Aber wie sagte es einer so schön: „Der natürliche Feind bei der Umsetzung ist das Marketing“, wo man sich von der jahrzehntelang verinnerlichten „Schaufenster-Kommunikation“ einfach nicht lösen kann oder will. Durch dieses dicke Brett sind wir noch nicht mal halb durch… Dass Marketeers jetzt Content-Marketing als DEN heißen Sch*** diskutieren, ist schon skurril. Das ist im Employer Branding ja nun echt keine Sensation mehr…
Rechtsanwältin Nina Diercks, M.Litt (University of Aberdeen), Partnerin bei Dirks & Diercks Rechtsanwälte, Hamburg, Gründerin des „Social Media Recht Blog“, äußert sich über das HR BarCamp so:
Was war für Dich das wichtigste Thema auf dem HR BarCamp 2014?
Ich denke, es gab ein ganz übergreifendes Thema beim diesjährigen HR BarCamp, die „Candidate Experience“. Damit ist letztlich gemeint, dass die Unternehmen ihre Bewerber bzw. Kandidaten ernst nehmen und wertschätzen sollen. So ist es ebenso tabu einen interessierten Bewerber am Telefon mit dem Hinweis auf das Bewerber-Formular abzukanzeln wie einem durch Active Sourcing endlich ausfindig gemachten potentiellen Kandidaten eine 08/15-Nachricht ohne jeglichen persönlichen Bezug zukommen zu lassen. Das klingt zugegebenermaßen nach gesundem Menschenverstand – scheint aber eben noch lange nicht in den HR-Abteilungen angekommen zu sein. Wie schön, dass sich das offensichtlich langsam ändert…
Wie intensiv und vielleicht auch kontrovers wurde das Thema in Berlin diskutiert?
Das Thema wurde sehr intensiv und aus den verschiedensten Perspektiven diskutiert. Vom Active Sourcing und Talent Relationship Management über das Bewerberverfahren (One-Click ja oder nein?), das Feel-Good-Management, die interne Betriebsaufstellung, um aus Führungskräften und Mitarbeitern Talent-Magneten (also den guten alten Markenbotschafter des Unternehmens) zu machen bis hin zu der Frage, wie man richtig absagt. Es drehte sich eben alles um die „Candidate Experience“.
Hast Du (dazu) auf dem BarCamp neue Erkenntnisse gewonnen und welche?
Obwohl ich Anwältin bin, stecke ich aufgrund meiner bestehenden Mandantschaft und des Beratungsalltags relativ tief in den ganzen Themen drin. Deswegen wäre es jetzt gelogen, wenn ich sagen würde, dass es den Punkt „Davon hab ich ja noch nie gehört!“ gegeben hätte. Aber das Besondere am HR BarCamp ist und bleibt, wie intensiv alle Beteiligten in einer ganz persönlichen und vertraulichen Atmosphäre die Themen besprechen. Sowohl Unternehmen wie auch Dienstleister erzählen aus den Nähkästchen. So entsteht ein schon dem Grunde nach wertvoller Erfahrungsaustausch, von dem alle profitieren und der bestimmt für jeden einen ganz persönlichen Erkenntnisgewinn bereithält.
Wo gibt es Handlungsbedarf und welche Handlungsempfehlungen nimmst Du aus Berlin mit?
Handlungs- und Verbesserungsbedarf wurde an allen diskutierten Stellen gesehen. Mir ist ganz besonders aufgefallen, dass das Interesse am Thema Active Sourcing und Talent Relationship Management (TRM) aufgrund der externen Zwänge, also der äußerst schwierigen Stellenbesetzung in Engpassmärkten, einerseits sehr groß ist. Dass aber andererseits zeitgleich eine extrem große Verunsicherung herrscht, wie das denn geht, ob das erfolgreich sein kann und was man denn nun eigentlich rechtlich darf. Insbesondere letzteres zeigte sich auch in der von mir geleiteten Session „Der heiße Sch*** der Personaler & Recht“. Neben den rechtlichen Fragen zu Social Media im Unternehmen wurden vor allem juristische Gesichtspunkte des Active Sourcing & TRM nachgefragt und äußerst rege diskutiert. Wer mag, kann diese Themen übrigens am 23.05. in einem Workshop in Hamburg gerne mit mir weiter diskutieren. 😉
Jetzt folgt die Antwort von Ralf Tometschek, IDENTITÄTER, Wien:
Was war für Dich das wichtigste Thema auf dem HR BarCamp 2014?
Als Berater bin ich am BarCamp, um Denkbreite und -tiefe zu gewinnen: Was bewegt meine Kunden aktuell? Recruiting-Lösungen off-/online sind nach wie vor das Kernthema, wie es scheint.
Wie intensiv und vielleicht auch kontrovers wurde das Thema in Berlin diskutiert?
Sehr intensiv, vor allem unter „Mobile/1-click“ und „Candidate Experience“ – leider viel zu sehr unter dem Aspekt von Technik und Prozessen.
Hast Du (dazu) auf dem BarCamp neue Erkenntnisse gewonnen und welche?
Mit der Perspektive Technik/Prozesse alleine werden wir kaum weiterkommen, weil da der Mensch fast zwangsweise immer irgendwie auf der Strecke bleibt. So brutal das klingt: Öfter zum Telefon greifen, aktiv auf die Menschen zugehen, den direkten Kontakt suchen – sicher bei gleichzeitigen Vorselektionsmaßnahmen wie Videointerviews, Gaming etc.
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Wo gibt es Handlungsbedarf und welche Handlungsempfehlungen nimmst Du aus Berlin mit?
HR selbst muss – siehe #frechmut – stärker in die Offensive gehen im Unternehmen. Mit dem Thema Employer Branding kommt auch HR auf die strategische Ebene und muss sich dort behaupten – eigentlich eine Riesen-Chance, endlich die gesuchte Augenhöhe mit dem Vorstand zu bekommen. Nur: Wer da beim ersten Gegenwind umfällt, hat schon wieder verloren. Dranbleiben – mit aller Konsequenz. Denn was ist die Alternative?
Wenn mein Vorstand die Marke und den nötigen Change nicht vorlebt, dann muss ich mich in meiner HR-Verantwortung (wie auch als externer Berater) fragen: Ist das noch „mein“ Arbeitgeber? „Mein“ Kunde?
Zum Autor:
Helge Weinberg ist Inhaber des Beratungsunternehmens Strategie & Kommunikation in Hamburg. Er ist spezialisiert auf Personalkommunikation / HR-PR. Den vielfältigen „Touchpoints“ in der Kommunikation mit Bewerbern im Personalmarketing und Recruiting gilt sein Interesse. Darüber schreibt er auch als Blogger (http://blog.helge-weinberg.de/) und als Fachjournalist.