Mitarbeiter gewinnen und binden mit dem „Human Relations Report“
Das Beziehungsmanagement in der HR-Kommunikation sichtbar machen.
Von Bernhard Schelenz und Markus Esser
Das Buhlen um die besten Kandidaten ist längst zum War of Talents erklärt worden. Qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen – und langfristig zu binden – setzt ein kontinuierliches Beziehungsmanagement nach außen und innen voraus. Unternehmen fehlt jedoch vielfach in der Regelkommunikation ein Medium, das die Beziehungen der Mitarbeiter untereinander und zum Arbeitgeber aussagekräftig darstellt. Darum plädieren wir für eine neue Gattung der HR-Kommunikation, ein „Kulturbericht“ aus der Arbeitswelt – den „Human Relations Report“.
Bewerber tragen mit großem Selbstbewusstsein konkrete Erwartungen an ihren künftigen Arbeitgeber heran. Fachliche und finanzielle Entwicklungsperspektiven spielen zwar weiterhin eine wichtige Rolle, aber das darüber hinaus gehende Anforderungsspektrum ist deutlich breiter geworden: Es reicht von der Alters- und Gesundheitsvorsorge über Teilzeit- und Home-Office-Möglichkeiten bis zu Sabbaticals und Angeboten der Mobilitätsunterstützung. Darüber hinaus wird verstärkt der Wunsch geäußert, einen aktiven und nachvollziehbaren Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten zu wollen. Viele Arbeitsmarktexperten und Soziologen sind sich darin einig, dass es sich hierbei weniger um taktisches Kalkül, sondern vielmehr um den Ausdruck eines Wertewandels handelt. Im Hochschulanzeiger der FAZ (3/2018) heißt es treffend hierzu:
„Sinnhaftigkeit ist der neue Dienstwagen.“
Bereits 2014 kam eine gemeinsame Untersuchung der Studierenden-Organisation Enactus und der HHL Leipzig Graduate School of Management zu dem Ergebnis, dass die sogenannte Gen Y – also die Altersgruppe der heutigen Hochschulabsolventen und Young Professionals – differenzierter auf das Arbeitsleben blickt als vorangegangene Generationen. Neben einer ausgewogenen Work-Life-Balance gilt vor allem eine sinnstiftende Tätigkeit als erstrebenswert. Dieser Anspruch bezieht sich sowohl auf die eigene Aufgabenstellung als auch auf das Geschäftsmodell des Unternehmens und den Umgang miteinander. Dabei besteht auf Seiten der Bewerber nur noch eine geringe Bereitschaft, diesbezüglich Kompromisse einzugehen. Bewerber suchen den „Cultural Fit“ – und Arbeitgeber müssen hierzu aussagekräftig kommunizieren. Der Human Relations Report bietet dafür den geeigneten Raum.
Beziehungspflege als Wettbewerbsfaktor
Auf einem hart umkämpften Arbeitsmarkt hat sich effektives Personalmanagement zu einem elementaren Strategiefaktor entwickelt. Einschlägigen Marketingtheorien folgend, werden Beschäftigte längst als eigenständige Kundengruppe betrachtet, die ideenreich umworben werden will und auf eine professionelle Betreuung Wert legt. Konzepte wie Touchpoint Management, Employee Journey oder Employee Experience beschreiben die Interaktion des Unternehmens mit seinen Beschäftigten als Kontakt- und Erfahrungsketten. Von der Bewerberansprache über das gesamte Angestelltenverhältnis bis zur Verabschiedung soll eine menschliche Ebene geschaffen werden, die Vertrauen bildet und die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen stärkt.
Voraussetzung ist das Bewusstsein für die Notwendigkeit eines aktiven Beziehungsmanagements gegenüber den externen und internen Zielgruppen. Damit einher geht ein erweitertes Verständnis der Personalarbeit: Die reine Human-Resources-Ausrichtung, die sich auf die Kapazitäten und das Arbeitsvermögen der Beschäftigten fokussiert, wird um einen Human-Relations-Ansatz ergänzt, der sich mit den sozialen Beziehungen im Arbeitsumfeld befasst.
Der Begriff Human Relations ist keineswegs neu. Er entwickelte sich bereits in den 1930er Jahren als Folge von Studien des Soziologen Elton Mayo zur Arbeitsmotivation in einem Werk der in Chicago ansässigen Western Electric Company. Ein wesentliches Ergebnis war die Feststellung, dass für die Beschäftigten keineswegs nur pekuniäre Aspekte eine Rolle spielten. Als mindestens ebenso wichtig wurden das Bedürfnis nach Anerkennung der eigenen Funktion und Leistung sowie die aus innerbetrieblichen Beziehungen entstehende Zufriedenheit empfunden.
Damit trat der Human-Relations-Ansatz der eher mechanistisch geprägten Theorie des Taylorismus aus der Industrialisierungszeit entgegen. Der Arbeitswissenschaftler Frederic Winslow Taylor vertrat die Ansicht, dass sich Leistungssteigerungen vor allem durch monetäre Anreizsysteme sowie kleinteilige und damit für jeden Einzelnen beherrschbare Aufgabenfelder erzielen lassen. Die Möglichkeiten zur persönlichen Entfaltung und Weiterentwicklung waren damit stark beschränkt, zumal Mensch und Maschine nach der Taylor’schen Organisationslehre nahezu gleichgestellt wurden.
Mitarbeiterbedürfnisse in Zeiten der Digitalisierung
Lange Zeit blieb Human Relations ein akademisches Modell. Eine intensivere Auseinandersetzung mit der Thematik und die Umsetzung entsprechender Konzepte wurden aufgrund des damit verbundenen Mehraufwands gescheut. Inzwischen rücken betriebssoziologische Betrachtungen jedoch wieder verstärkt in das unternehmerische Bewusstsein. Das mag nicht zuletzt in den digitalen Transformationsprozessen begründet sein, die Organisationsstrukturen, Anforderungsprofile, Karrierepfade und die Formen der Zusammenarbeit nachhaltig beeinflussen.
Allzu häufig konzentrieren sich zum Beispiel Digitalisierungsprojekte auf strategische und technische Aspekte. Doch was empfinden die Beschäftigten angesichts der damit verbundenen Veränderungsdynamik? „Den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, bedeutet nichts anderes, als die Bedürfnisse des Menschen zu beachten und zu erfüllen: Anerkennung, Sicherheit und Geborgenheit zu spenden …“, schreibt Christoph Keese, Geschäftsführer der Axel Springer hy GmbH, in seinem Vorwort für das 2017 erschienene und in der HR-Welt beachtete Buch „Digital Human“.
Nur die enge Begleitung durch transparente Information und ein regelmäßiger Dialog zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer können sicherstellen, dass Motivation und Engagement aufrechterhalten bleiben. Damit gewinnt das Human-Relations-Modell an Bedeutung. Um diese Ausrichtung auch für alle erkennbar in der Organisation zu verankern, firmieren die Personalbereiche einiger Unternehmen schon unter „Human Relations“.
Der Aufbau und die konsequente Pflege der Beziehungen zu den Mitarbeitern trägt dazu bei, Unsicherheiten abzubauen, Orientierung zu geben, Perspektiven zu öffnen und Sinn zu stiften. Im Kontext der Digitalisierung geht es vor allem darum, Ängste zu nehmen sowie die Chancen für das Unternehmen und jeden Einzelnen herauszuarbeiten.
Dies verlangt ein hohes Maß an Sensibilität im menschlichen Umgang, aber auch umfassende Investitionen in die Weiterbildung und das Arbeitsumfeld. Über die diesbezüglichen Fähigkeiten und Selbstverpflichtungen wird sich künftig ein wesentlicher Teil der Unternehmenskultur definieren. Im Zusammenspiel mit dem Personalmanagement gibt sie Aufschluss darüber, wie sich ein Unternehmen wirtschaftlichen, technologischen und gesellschaftlichen Herausforderungen stellt. Dieser Aspekt ist nicht nur für die Beschäftigten von Relevanz, sondern auch für Bewerber, Personalberater, Kunden und Aktionäre.
Alle, die sich Gedanken um ihre berufliche Zukunft machen, suchen nach hilfreichen Kriterien, nachvollziehbaren Argumenten, aber vor allem – wenn auch oftmals unbewusst – nach emotionalen Anknüpfungspunkten. Bei ihrer Entscheidung, einen neuen Arbeitsvertrag zu unterschreiben oder einem Unternehmen treu zu bleiben, soll sich ein gutes oder gar sicheres Gefühl einstellen im Sinne von: „Dieser Arbeitgeber passt zu mir.“
Dabei machen es einem die klassischen Unternehmensveröffentlichungen nicht gerade leicht. In den Geschäftsberichten etwa finden Personalthemen meist nur noch in Form von Leistungsbilanzen statt – in den zahlengetriebenen Anhängen versteckt und entsprechend nüchtern aufbereitet. Doch wie formuliert das Personalmanagement seine strategische Zielsetzung? An welchen Werten und Leitlinien orientiert man sich? Was zeichnet das betriebliche Miteinander aus? Wo wird Arbeitskultur konkret erfahrbar? Entsprechende Hinweise sind häufig über mehrere Publikationen und Kanäle wie Imagebroschüren, Nachhaltigkeitsberichte, die Karriererubriken der Webseiten und interne Plattformen verstreut oder fehlen im ungünstigsten Falle gänzlich.
Human Relations Report als Referenz für Arbeitgeberattraktivität
Gute Ansätze für ein kompaktes Medium, das nicht nur Human-Resources-bezogene Fakten, sondern auch alle kultur- und beschäftigungsrelevanten Aspekte zusammenführt, wurden in einigen Unternehmen bereits in Form von jährlichen Personalberichten entwickelt. Die Mehrheit derer, die sich für die Veröffentlichung eines Personalberichts entschieden haben, wissen aus Befragungen von Bewerbern und Mitarbeitern, dass das Medium auf großes Interesse stößt. In der Außenwirkung wird vor allem begrüßt, dass man ein Gefühl dafür bekommt, wie ein Unternehmen „tickt“ und die Arbeitswelt „funktioniert“. Intern wird das Bewusstsein für die zahlreichen Facetten der Personalarbeit gestärkt. Personalberichte fallen jedoch seit einigen Jahren leider allzu oft dem Rotstift zum Opfer. Hier wurde – und wird – am falschen Ende gespart, denn gerade dieses Medium ist prädestiniert dafür, authentische und aussagekräftige Einblicke in die Arbeitswelten von Unternehmen zu gewähren.
Wir plädieren für eine neue Sprache – weg vom „Personalbericht“, hin zum „Human Relations Report“. Sprache setzt Signale und kleidet den Gedanken: Es geht um Beziehungen, nur dadurch wird das Arbeitsleben konkret erfahrbar. Der Philosoph Martin Buber hat einmal gesagt, „Alles wirkliche Leben ist Begegnung.“ Potenzielle Bewerber wollen erfahren, wie sich Menschen in einem Unternehmen begegnen, um daraus Rückschlüsse über den Umgang miteinander zu ziehen.
So ist der Human Relations Report Referenz und Ausweis über den Grad der Wertschätzung, die jedem Einzelnen entgegengebracht wird. Wir erweitern das Konzept der bisherigen Personalberichterstattung mit einer neuen, treffenderen Begrifflichkeit – auch weil wir davon überzeugt sind, was die Dichterin Ingeborg Bachmann einmal festgestellt hat: „Keine neue Welt ohne neue Sprache“.
Mit Blick auf die wachsende Bedeutung des Beziehungsmanagements ist es konsequent, den klassischen Personalbericht zu einem Human Relations Report weiterzuentwickeln. Übergeordnetes Ziel des Mediums ist es, die (Arbeits-)Kultur des Miteinanders im Unternehmens zu transportieren. Der Human Relations Report schlägt einen spannenden inhaltlichen Bogen von der Leistungsschau der Personalarbeit über Themenbereiche wie moderne Arbeitswelten, Diversität und Inklusion bis hin zu den vielfältigen Aspekten von Veränderungsprozessen.
Im Wege des Storytellings – d.h. durch lebendige Erzählformen wie Reportagen, Interviews und Erfahrungsberichte – werden Unternehmenswerte wie Verantwortung, Empathie oder Toleranz vermittelt. Dies gibt dem Human Relations Report den Charakter eines „Kulturberichts“, der Aufschluss darüber gibt, wie Arbeitgeber die Beziehungen zu ihren Mitarbeitern gestalten und leben. Damit ist er ein zentrales Modul der Unternehmenskommunikation, eine eigenständige Gattung, und ein wichtiger Beitrag zur Stärkung der Arbeitgeberattraktivität nach innen und außen. Die Erscheinungsweise im jährlichen Turnus bietet die Chance, jedes Jahr ein besonders relevantes „Leuchtturmthema“ in den Mittelpunkt zu stellen (z.B. Digitalisierung, Vertrauen, Leistung, Vielfalt).
In erster Linie als Printprodukt konzipiert, menschelt es auch bei den Einsatzorten des Human Relations Reports: In Empfangsbereichen, bei Bewerbungsgesprächen, im Rahmen von Mitarbeiterveranstaltungen und Vertriebsaktivitäten oder auf Bewerber-Messen, Rekrutierungsveranstaltungen, Fachkonferenzen und Hauptversammlungen. So befriedigt er in Zeiten digitaler Reizüberflutung ganz nebenbei auch das wachsende Bedürfnis nach Haptik und ist emotional hoch wirksam. Mit dem Medium wird Arbeits- und Unternehmenskultur (be-)greifbar und verbindlich, wo digitale Medien sich nur allzu schnell verflüchtigen und Inhalte dabei oft auf der Strecke bleiben.
Die Autoren
Bernhard Schelenz berät Konzerne und Unternehmen des deutschen Mittelstands in Fragestellungen der Personal- und Arbeitgeberkommunikation, der Arbeitgebermarke und des HR-Brandings. Herausgeber und Autor mehrerer Fachbücher für das HR-Management.
Markus Esser hat sich nach langjähriger Tätigkeit als Leiter Unternehmenskommunikation im Finanzdienstleistungssektor auf die Konzeption und Realisation interner Kommunikationsmaßnahmen, die Begleitung von Change-Prozessen und die Content-Entwicklung spezialisiert.