Wird das Volk für dumm verkauft? Billigjournalismus ist das neue Prekariat
Wenn Journalisten sich ihren Beruf nicht mehr leisten können, wird die Meinungsbildung zur Ramschware
Mit dem Trend zu den digitalen Medien verstärkt sich auch die Entwicklung zum Billigjournalismus. Qualifizierte Journalisten haben oft einen geisteswissenschaftlichen Hintergrund, sei es als Germanist, Politikwissenschaftler oder Kommunikationsexperte. Doch der einst glamouröse Job als Journalist muss zusehends mit den Herausforderungen des Prekariats kämpfen. Wenn ein Journalist nicht mehr adäquat von seinem Beruf leben kann, muss die Medienbranche nach Alternativen Ausschau halten. Billigjournalismus und Roboterjournalismus haben Hochkonjunktur. Auf der Strecke bleibt die Meinungsbildung. Wer keine Ramschware konsumieren will, muss zusehends selbst recherchieren. So zeichnet sich in der Medienlandschaft auch eine Zweiteilung ab. Auf der einen Seite stehen Verlage, Zeitschriften und Tageszeitungen in ihren jeweiligen Print- oder Online-Ausgaben, am Horizont tauchen zusehends Blogs und Medien auf, die gegen den Strom der pauschalierenden Meinungsbildung ankämpfen.
Der Journalist Thomas Schnedler hat sich in seiner Dissertation mit diesem Thema auseinandergesetzt und mit prekär beschäftigten Journalisten gesprochen. Im Interview mit Isabelle Klein nimmt er dazu Stellung.
Prekäres Arbeiten in den Medien „Gefahr, dass Journalismus noch mehr Elitenjob wird“
Isabelle Klein: Ab wann gilt Arbeit als prekär?
Thomas Schnedler: Das ist nicht so einfach zu sagen, weil wir unterscheiden müssen zwischen neuen Erscheinungsformen von Arbeit wie atypischen Beschäftigungsformen, also das heißt befristete Arbeitsverträge, Leiharbeit, Teilzeit auch, und eben der freiberuflichen Arbeit. Die ist im Journalismus eigentlich üblich und schon seit vielen Jahrzehnten Teil unseres Berufs. Deshalb kann man nicht sagen: Jeder, der frei arbeitet, und jeder, der vielleicht einen befristeten Vertrag hat, ist automatisch auch prekär beschäftigt. In meiner Arbeit habe ich unterschieden zwischen mehreren Dimensionen, in denen Prekarität vorliegen kann. Eine der wichtigsten ist natürlich das Einkommen. Wenn das Einkommen nicht existenzsichernd ist, kann man von prekärer Arbeit sprechen. Aber auch wenn die ganze rechtliche Absicherung nicht wirklich ausreicht, kann das ein Kriterium sein, um zu sagen, hier liegt tatsächlich prekäre Arbeit vor.
Klein: Ich würde ja mal sagen, das Gehalt, das ist für viele Journalisten auch selbst ein sicheres Anzeichen dafür, ob sie nun prekär sind oder nicht. Aber haben sich in Ihrer Studie die Befragten selber auch als prekär eingestuft? Haben sie das selber auch gesehen, dass sie wirklich prekäre Arbeit machen?
Schnedler: Also mit dem Begriff selber haben relativ wenige der Befragten gearbeitet, vielleicht weil er so aus dem akademischen, politischen Bereich eher stammt. Die Probleme allerdings, um die es mir ging, nämlich zu erfahren, was machen eigentlich unsichere Arbeitsbedingungen mit den Journalisten und was bedeutet das für deren journalistische Arbeit, für das Produkt am Ende, das war denen schon sehr wichtig und sehr bewusst. Und das war für mich als Forscher eigentlich auch ganz wunderbar zu sehen, dass ich da offene Türen einrenne.
Thomas Schnedler ist selbst Journalist und arbeitet als Projektleiter für das Netzwerk Recherche. Für seine Dissertation an der Universität Hamburg hat er 27 Journalisten in einer nicht repräsentativen Studie befragt.
Klein: Was machen denn dann diese prekären Arbeitsverhältnisse mit den Journalisten? Was sind die Folgen?
Schnedler: Das kommt ganz drauf an. Ich habe verschiedene Typen unterschieden. Und es gibt einen, bei dem führt das nicht dazu, dass sie sich unsicher fühlen. Das mag jetzt erstmal ein bisschen widersprüchlich klingen. Aber wenn ich dann weitergefragt habe, kam eben raus, es gibt weitere Sicherheitsgaranten, die dafür einstehen, dass der Journalist sich arrangiert mit seinen unsicheren Arbeitsbedingungen; das sind dann manchmal die Eltern, die Großeltern, vielleicht auch ein Lebenspartner, ein Ehemann, eine Ehefrau. Es gibt aber eine andere Gruppe, die sehr wohl dieses Gefühl der Unsicherheit in sich spürt und damit ringt. Und wenn die Bedingungen zu hart und zu krass werden, kann das zum einen gesundheitliche Folgen haben, und zum anderen kann das aber eben auch bedeuten, dass dann die Betroffenen sagen: Ich werde mich vom Journalismus abwenden und werde mir einen ganz anderen Beruf suchen. Das habe ich tatsächlich auch erfahren in vielen Gesprächen, dass dieser Abschied aus dem Journalismus für viele Betroffene ein ganz relevantes Thema ist.
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Weiterführende Links
Newstrends: Roboterjournalismus in Nachrichtenredaktionen.
Wie News-Bots die Nachrichtenproduktion verändern.“
https://www.stefre.de/html/nachrichtenbots.html#Billigjournalismus
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