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Gegen den Trend: Lebensqualität in Deutschland verbessert sich in Krise

Angel Gurria
Angel Gurría, OECD

Paris/Berlin – Die jüngste Finanz- und Wirtschaftskrise hat das Wohlbefinden der Deutschen kaum beeinflusst. Anders als in der Mehrzahl der OECD-Länder – besonders in südeuropäischen Staaten – haben sich entscheidende Faktoren für das Wohl und die Zufriedenheit der Menschen nicht verschlechtert. Im Gegenteil: Der aktuelle How’s Life Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung belegt positive Entwicklungen in einer Vielzahl von relevanten Feldern, zum Beispiel beim Einkommen, bei der Beschäftigung, der Lebenszufriedenheit und dem Vertrauen der Bürger in die Regierung.


So stieg das inflationsbereinigte verfügbare Haushaltseinkommen in Deutschland zwischen 2007 und 2012 um insgesamt vier Prozent, während es in der Eurozone im gleichen Zeitraum um zwei Prozent sank. Die soziale Ungleichheit, gemessen am Markteinkommen (vor Steuern und Transfers), verschärfte sich nicht – auch das ein, im internationalen Vergleich, gegenläufiger Trend. Ähnlich positiv entwickelten sich in Deutschland die Beschäftigungszahlen – hier sticht vor allem die gesunkene Quote der Langzeitarbeitslosen hervor (minus 2 Prozentpunkte zwischen 2007 und 2012).

 

Die Möglichkeit, zu arbeiten und die Arbeitsbedingungen üben einen starken Einfluss auf die Zufriedenheit der Menschen aus. In Deutschland gaben im vergangenen Jahr 61 Prozent der Befragten an, sie seien mit ihrem Leben zufrieden, das sind acht Prozentpunkte mehr als zu Beginn der Krise. In den Eurokrisenländern Griechenland, Spanien und Italien sanken die Werte für Lebenszufriedenheit um bis zu 20 Prozent. Gleichzeitig klagten hier und in anderen OECD-Ländern mehr Menschen über Stress als noch vor 2009. Deutschland gehört auch bei diesem Indikator zu den deutlichen Ausnahmen, hier nahm der Stress in der Bevölkerung ab. Nicht ganz so klar, aber im Verhältnis zur großen Mehrheit der OECD-Länder immer noch positiv, ist die Bilanz beim Blick in die Zukunft: Gefragt nach ihrer voraussichtlichen Zufriedenheit in fünf Jahren gaben sich die Menschen 2005 im OECD-Schnitt wesentlich optimistischer als 2012. Deutschland ist eines von nur sieben OECD-Ländern, in denen der Anteil der Optimisten mindestens gleich hoch blieb wie 2005.

 

Aus dem Bericht geht zudem hervor, dass sich das Vertrauen in Regierungen und öffentliche Institutionen in den fünf Jahren vor 2012 vor allem in Krisenländern erheblich verringert hat. In Deutschland wuchs das Vertrauen in die Regierung bis 2011 um sieben Prozentpunkte und lag mit 42 Prozent zuletzt höher als im OECD-Durchschnitt. Auf die Solidarität unter den Menschen wirkte sich die Krise im Großen und Ganzen positiv aus: Im Vergleich zu 2007 gaben 2012 OECD-weit mehr Befragte an, erst kürzlich einem Fremden geholfen zu haben. Auch ehrenamtliche Tätigkeiten nahmen in diesem Zeitraum deutlich zu.

 

„Die Fakten, die dieser Bericht präsentiert, sind ein Weckruf für uns alle“, sagte der Generalsekretär der OECD, Angel Gurría. „Sie erinnern uns daran, dass es die vornehmliche Aufgabe von Wirtschaftpolitik ist, das Leben der Menschen zu verbessern. Ihre Bedürfnisse müssen ins Zentrum der Politik rücken, und es ist die Pflicht von Regierungen und Unternehmen, in langfristiges Wohlergehen zu investieren.“
How’s Life? misst die materiellen Bedingungen und die Lebensqualität innerhalb der OECD und in anderen wichtigen Volkswirtschaften und ermöglicht dadurch eine Bilanz der Krisenkosten für jeden Einzelnen. Der Bericht macht auch klar, dass das ganze Ausmaß der Rezession, etwa mit Blick auf die Gesundheit der Menschen oder ihren Verlust an Kompetenzen, erst in ein paar Jahren zu spüren sein wird.

 

Die Publikation ist Teil der 2011 gestarteten „Better Life-Initiative“ der OECD, die zum Ziel hat, Wohlergehen und Fortschritt jenseits von traditionellen Messgrößen wie dem BIP zu erfassen. Der „Better Life Index“ bildet eine weitere Komponente dieser Initiative und ermöglicht es den Nutzern, über ein interaktives Tool die Lebensqualität in 36 Ländern zu vergleichen. Dabei entscheiden sie selbst, welche Elemente das Leben am meisten bereichern. In Kürze wird der Better Life Index auch in Deutsch zur Verfügung stehen.

 

 

(Quelle: OECD)

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