Nicht nur in 2014: Die Jahre der Berufsorientierung
von Gerhard Kenk, Crosswater Job Guide.
Das passt. Jo Diercks, Blogger des Recrutainment Blogs und Gründer-Geschäftsführer des HR-Consulting-Unternehmens Cyquest GmbH in Hamburg hat ein Thema losgetreten, welches kaum auf den Radarschirmen der Personalchefs, der Mainstream-Medien oder der institutionellen Arbeitsmarktforscher zu sehen ist. Fachkräftemangel? Ein bisschen davon. Demografiewandel? Gehört auch dazu. Zuwanderung? Muß berücksichtigt werden. Diversity? Na klar, darum kommen wir nicht drum rum.Doch wenn Jo Diercks das Jahr 2014 zum Jahr der Berufsorientierung deklariert, ist das – sportlich gesehn – eher wie ein Weitsprung aus dem Stand, ohne Anlauf. Was wirklich Not tut, ist ein Dreisprung mit Anlauf, wahrscheinlich eher ein Hindernislauf durch das Dickicht des Bildungs- und Arbeitsmarkts. Und das kann kaum in einem einzigen Jahr umgesetzt werden.
Die Thematik dreht sich – zusammengefasst – um folgendes:
- Der Fachkräftemangel bedroht den Wirtschaftsstandort Deutschland
- Arbeitsplätze werden dort geschaffen, wo es die passenden und qualifizierten Mitarbeiter gibt
- Der Demografiewandel und die damit verbundene Abnahme der Belegschaften verstärkt den Fachkräftemangel
- Arbeitgeber stehen vor der Herausforderung, ältere Mitarbeiter sinnvoll in die Arbeitsprozesse und Arbeitsteams zu integrieren
- Wenn in Folge des Demografiewandels langjährige und ältere Mitarbeiter aus dem Unternehmen ausscheiden, verliert der Arbeitgeber auch wertvolles Know-How
- Der Arbeitsmarkt klafft zusehends auseinander in Blue/White-Collar Jobs von gering qualifizierten Tätigkeiten einerseits und hochqualifizierten Jobs andererseits
- Der technologische Wandel beschleunigt die Anforderungen im Segment der hochqualifizierten Jobs
- Die Verweildauer eines Mitarbeiters bei einem Unternehmen wird immer kürzer
- Unternehmens-intern beschleunigen sich Anpassungsprozesse in Form von Reorganisationen, Restrukturierung, Zusammenlegungen und Outsourcing
- Die Verweildauer eines Mitarbeiters in seinem Ausbildungsberuf wird immer kürzer, im Verlauf des Arbeitslebens werden mehrere Berufs-/Tätigkeitsstadien durchlaufen, Tendenz steigend
- Zeitarbeit und befristete Arbeitsverträge werden zunehmen – nicht nur bei gering qualifizierten Tätigkeiten. Das Bürokratie-Ideal des Beamten wandelt sich, in der akademischen Welt wird der Titel des „Dr. temp.“ als Ausdruck des temporären und befristeten Tätigkeit der hochqualifizierten Arbeitnehmer zum Synonym des beschleunigten Wandels am Arbeitsmarkt
Diese Liste könnte nahezu unendlich erweitert werden.
Wer am Ende einer mehrjährigen Berufsausbildung erwartet, passgenaue Jobangebote zu finden, muss sich mit der Konsequenz der Intransparenz und Beschleunigung des technologischen Wandels hinsichtlich der Job-Anforderungsprofile auseinandersetzen. Dazu gehört eine sorgfältige Auswahl des Ausbildungsberufs oder des Studiengangs und ein sorgfältiges Kalkül der zukunftsorientierten Berufstätigkeit. Der erste Schritt auf diesem Weg wird schon im Gymnasium bei der Auswahl der Leistungskurse getroffen, die nicht nur nach persönlicher Neigung und Eignung entschieden werden sondern auch im Hinblick auf die Beliebtheitsskala der Lehrer oder der Leichtigkeit des Seins im Hinblick auf die Abitursnoten erfolgen.
Partnerwahl und Berufswahl – beide Entscheidungen werden häufig unter diffusen und zufälligen Kriterien getroffen, junge Menschen werden kaum mit einer strukturierten Vorgehensweise auf existentielle Fragen vorbereitet.
Profis der Nation 2.0
Als im August 2002 der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder gemeinsam mit dem Kommissions-Leiter Dr. Peter Hartz die neuen Konzepte zur Modernisierung des Arbeitsmarktes ankündigten, erläuterten Sie auch das Konzept der „Profis der Nation“ so:
Es ist nicht damit getan, die Lösung des Problems alleine den Politikern, den Gewerkschaften, den Unternehmen oder gar den Arbeitslosen zu überlassen. Vielmehr ist jeder gefordert, sich auf sein spezifisches Können und auf seine Stärken zu konzentrieren und mit anzupacken, wo immer es geht.
Und im Bericht „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“, der Carta der Hartz-Reformen, durfte natürlich ein Visualisierung der „Profis der Nation“ nicht fehlen – es handelte sich ja um Visionen:
Was sich damals auf die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit bezog, hat auch heute nach wie vor seine Gültigkeit. Eine vorbeugende Maßnahme zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit ist eine adäquate Berufsorientierung – und Jo Diercks gebührt Dank für seine Initiative, die Notwendigkeit der richtigen Berufsorientierung auf die Agenda 2014 zu setzen.
Weitere Informationen:
Machen wir 2014 zum Jahr der Berufsorientierung
2 Comments
[…] Gerhard Kenk (Crosswater Job Guide): Nicht nur in 2014: Die Jahre der Berufsorientierung […]
An oberster Stelle der Vision „6,1 Mio Profis der Nation“ von Schröder und Hartz sehe ich 11.000 Politiker auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene.
Ich denke dabei gleich an das Desaster von G8, Bachelor und Master, dass ich seit Jahren „live“ erleben muss.
Damit hat die deutsche Bildungspolitik nachhaltig Vertrauen verspielt und die beruflichen Möglichkeiten heutiger Kinder, Jugendlicher und Studenten massiv verschlechtert. Leider!