Nachrichten

Mit der Nonchalance des Novizen: US-Jobbörse CareerBuilder will in Deutschland Fuss fassen

von Gerhard Kenk, Crosswater Job Guide.

18. November 2006. Seit November ist der deutsche Ableger des amerikanischen Jobbörsen-Giganten CareerBuilder in Deutschland im Netz – und kaum jemand hat es so richtig wahr genommen – sieht man einmal von wenigen Marktbeobachtern wie Marcus Tandler [1] oder Marcus Reif [2] ab. Während die Muttergesellschaft in den USA auf stolze 1.3 Millionen Stellenanzeigen in verweist kann, bleibt der neue Marktauftritt in Deutschland unerklärlicherweise blass: Keine Pressemitteilung, kein Hauch einer Werbekampagne, lediglich eine Webseite mit einer aus dem amerikanischen übersetzten Text, das war alles.

Eigentlich müssten nun einige Geschäftsführer der Jobbörsen wie LifeSciencejob.com, FAZjob.NET, Jobware.de oder Stellenanzeigen.de, die sich in diesem Herbst in Deutschland mit einem Relaunch erfolgreich neu positionierten und präsentierten, den Canossa-Gang zu ihren Projektleitern und Webspezialisten antreten und um Abbitte flehen. Hatten sie doch wie bei solchen Projekten üblich Endtermine, Layout-Konzeptionen, funktionale Verbesserungen und vieles mehr gefordert, und die beteiligten Mitarbeiter mussten pünktlich und mit hohem Qualitätsgrad liefern. So wurde manche Überstunde ins Projekt gesteckt. Im Gegensatz dazu hat Careerbuilder in Deutschland vorgemacht, daß es sehr wohl auf solche Tugenden wie Pünktlichkeit, Qualität und Funktionen beim Launch einer Jobbörse verzichten kann. Und wer dann etwas genauer auf den neuen Marktauftritt von hinschaut, kommt aus dem Staunen eigentlich nicht mehr heraus.

Das Identitätsproblem

logo_CareerBuilderWer gedacht hätte, daß Careerbuilder in Deutschland einfach unter der URL www.careerbuilder.de zu finden wäre, sieht sich getäuscht. Die  Suchabfrage wird mit einer Gegenfrage beantwortet: „Haben Sie nach www.career bilder.de gesucht?“ Eine Suche bei Whois macht deutlich, dass die URL schon bei Verio Inc. („Growing Your Business, One Click At A Time“) reserviert ist. Nun kann man den Web-Marketing Spezialisten bei Careerbuilder nicht vorwerfen, daß sie nicht alle möglichen Schreibweisen registrieren liessen, es sind genau 398 URLs. Aber eben nicht die korrekte deutsche URL. Schweren Herzens musste also für Deutschland eine neue Identität geschaffen werden. Was bei der internationalen Expansion nach Grossbritannien, Kanada oder Indien noch möglich war, zeigte sich in Deutschland als kostspielige Hürde. Hinter den Kulissen konnte vermutlich keine Einigung über den Kauf der unbenutzten URL careerbuilder.de mit dessen rechtlichem Inhaber erzielt werden, so wurde dann der Web-Auftritt mit der URL www.cbdeutschland.de umgesetzt.

Das gesetzliche Problem

Die Webseiten-Betreiber für cbdeutschland.de leisten sich den Luxus, die hierzulande geltenden gesetzlichen Vorschriften zu ignorieren und verzichten großzügig auf das „Impressum“. Das Telekommunikationsdienstegesetz schreibt in § 6 eine  Anbieterkennzeichnung vor und erläutert: „Diensteanbieter haben für ihre geschäftsmäßigen Angebote anzugeben Namen und Anschrift sowie bei Personenvereinigungen und -gruppen auch Namen und Anschrift des Vertretungsberechtigten.“ Es wird sicherlich nur eine Frage der Zeit sein, bis sich ein Winkeladvokat mit einer Abmahnung an Careerbuilder etwas Zubrot verdient.

Das Wettbewerbsproblem

Die Marketing-Spezialisten von Careerbuilder untermauern ihren Marktauftritt mit dem Anspruch „Die besten Jobs in Deutschland!“. Spätestens seit dem Urteil des Landgerichts Hamburg wissen die hier ansässigen Jobbörsen, daß mit solchen Superlativen vorsichtig umgegangen werden muss.

logo_CareerBuilder_Claim_uwg

So kommentierten wir schon im Juni letzten Jahres über das Urteil des Hamburger Landgerichts ( „Reklamesprüche von Recruitingbörsen fallen bei Richter in Ungnade – Landgerichte in München und Hamburg verbieten unlauteren Wettbewerb“):

„Vor kurzem behauptete eine Jobbörse, die Nummer 1 im deutschen Markt eingenommen zu haben – dies wurde von dem Richter am Landgericht Hamburg auch prompt als irreführende Alleinstellungsbehauptung verboten. Eine andere Jobbörse behauptete, die „klare Nummer zwei im deutschsprachigen Internet“ zu sein. Einige  Wettbewerber dachten aber bei diesem (An)Spruch eher an eine unlautere Werbung und klagten auf Unterlassung. Nach den üblichen juristischen Scharmützeln im Vorfeld urteilte der Vorsitzende Richter Brackmann am Landgericht München und verbot derartige unlautere Werbeaussagen.

Richter Brackmann führte in der Urteilsbegründung aus, daß (bei einem Verstoß gegen das UWG) nicht schon die Glaubhaftmachung der Spitzenstellungswerbeaussage gemäß einzelner Kriterien genügt. Wer nach allen Kriterien eindeutig eine Spitzenposition nachweisen kann, darf mit dieser auch werben. Dies ist jedoch in der noch jungen Branche der Jobbörsen schwierig, da nicht eindeutig ist, welche Kriterien maßgeblich sind und wie man diese mißt. Wer eine Spitzenstellungsbehauptung in bezug auf ein bestimmtes Kriterium tätigt, muss glaubhaft machen können, dass ihm diese Spitzenstellung in bezug auf das benannte Kriterium auch zukommt.“
http://www.crosswater-systems.com/ej_news_2005_06z_UWG.htm

Es ist nur noch fraglich, welcher Jobbörsen-Wettbewerber eine Klage nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) einreichen wird.

Das Layout-Problem

Das Layout der Stellenanzeigen wird entsprechend dem Corporate Standard von CareerBuilder gestaltet: dreiteilige Textdarstellung gegliedert in Jobübersicht, Jobbeschreibung und Jobanforderungen. Alles im Fließtext – dadurch erspart man sich kostspielige Layout-Arbeit und verzichtet auf eine firmenindividuelle Präsenz zur Förderung des „Employer Branding“.

Ein Beispiel:

Für die Firma WAGO Kontakttechnik GmbH Co. KG sucht StepStone eine Position “ Leitung Market Management – Gebäudetechnik in Festanstellung am Standort Minden zu besetzen. http://www.stepstone.de/offers/offer_detail.cfm?click=yes&id=81283

Nach den Layout-Richtlinien von Careerbuilder wird diese Anzeige wie folgt präsentiert:

picture_CareerBuilder_anzeige_cb_version
Gesucht: Leitung Market Management – Gebäudetechnik (Kennziffer 3106) – Gefunden bei Careerbuilder Deutschland

 

Und StepStone präsentiert die Anzeige so:

picture_Careerbuilder_anzeige_stepstone_version
Gesucht: Leitung Market Management – Gebäudetechnik (Kennziffer 3106) – Gefunden bei StepStone Deutschland

Wie von der Originalvorlage die Texte minderwertig wiedergegeben werden lässt sich an nachtstehendem Beispiel gut erkennen:

Das Original bei StepStone:
Wenn Sie mit uns gemeinsam den Erfolg in diesen anspruchsvollen Aufgaben suchen und diese Herausforderung als weiteren Schritt Ihrer beruflichen Entwicklung sehen, dann sollten wir ein erstes persönliches Gespräch führen.
Für weitergehende Fragen sprechen Sie bitte Herrn Manfred Pfeil an. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbungsunterlagen.
Weitere interessante Aufgabenstellungen in unserem Hause finden Sie auf unserer Homepage www.wago.com oder bei www.stepstone.de.

Die Kopie bei Careerbuilder Deutschland:
MAIN Wenn Sie mit uns gemeinsam den Erfolg in diesen anspruchsvollen Aufgaben suchen und diese Herausforderung als weiteren Schritt Ihrer beruflichen Entwicklung sehen, dann sollten wir ein erstes persönliches Gespräch führen. SUB Für weitergehende Fragen sprechen Sie bitte Herrn Manfred Pfeil an. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbungsunterlagen. SUB Weitere interessante Aufgabenstellungen in unserem Hause finden Sie auf unserer Homepage www.wago.com oder bei www.stepstone.de

Auch von anderen Jobbörsen tauchen Stellenanzeigen bei Careerbuilder Deutschland (Stand 18.11.2006) auf, was anhand der Trefferliste bei einer Schnellsuche leicht erkennbar ist:Ob CareerBuilder Deutschland diese Stellenanzeigen selbst akquiriert hat oder per Roboter-Suchlauf von Jobbörsen oder Arbeitgeber-Karriere-Seiten kopiert hat, sei einmal dahingestellt.

 

Jobbörse Anzahl Stellenanzeigen
Monster Deutschland 38
StepStone 34
Saleslounge 22
MeineStadt / allesklar.com 2
Arbeitsagentur 1

 

Wie sich der tatsächliche Verlauf der Markteinführung und das damit verbundene Besucher-Interesse entwickelte, darüber gibt das Alexa-Ranking Auskunft, zumindest was die täglich gemessene Seitenabrufe betrifft. Das Alexa-Ranking ermittelt mit Hilfe eines Internet Explorer Browser-Add-in, dem Alexa Toolbar, wieviele Benutzer eine Webseite besucht haben und ermittelt daraus diverse Besucherstatistiken, die Online verfügbar sind.

CareerBuilder Alexa Traffic Ranking
CareerBuilder Alexa Traffic Ranking

Aus der Alexa-Statistik ist ersichtlich, daß die Webseite von CareerBuilder Deutschland Ende Oktober im Web verfügbar war und daß während der ersten November-Woche einige Zugriffe zu verzeichnen waren. Danach hat das Besucherinteresse wieder stark nachgelassen.Bemerkenswert ist auf alle Fälle, daß sich CareerBuilder  Deutschland Mitte November über 31.400 Stellenanzeigen bereit stellt, auf die sich Stellensuchende bewerben können. Und das sind mehr Stellenanzeigen, als die anderen internationalen Regionen des CareerBuilder-Netzwerks bieten können. Im internationalen Vergleich veröffentlichte Careerbuilder Mitte November insgesamt 454.310 Stellenanzeigen der letzen 30 Tage, CareerBuilder Deutschland rangiert an der Spitze der konzerninternen internationalen Liste.Anzahl Stellenanzeigen der letzten 30 Tage:

Verteilung der Stellenanzeigen nach Ländern bei CareerBuilder
Verteilung der Stellenanzeigen nach Ländern bei CareerBuilder

Quelle und Grafik: Crosswater-Systems Ltd.

Die Zukunft

Wer als Wettbewerber CareerBuilders Markteintritt in Deutschland angesichts einiger handwerklicher Probleme und Unzulänglichkeiten auf die leichte Schulter nimmt, sollte doch im Hinblick auf CareerBuilders bisherigen Strategie und Geschäftsentwicklungen seine Einschätzung überdenken.Im Heimatland USA hat Careerbuilder eine erstaunliche Entwicklung demonstriert:

  • 1995 wurde NetStart Inc, der Vorgänger von CareerBuilder gegründet.
  • 1998 Umbenennung in CarerrBuilder, Start mit 16 Interaktiven-/Medienpartnern
  • 2000 Lebenslauf-Datenbank verfügbar
  • 2000 Fusion mit CareerPath und Übernahme durch die Medienkonzerne Tribune und Knight Ridder
  • 2002 Zusammenschluss der Webseiten Headhunter und CareerBuilder.com, Gannett Co. Inc tritt als Eigentümer hinzu
  • 2003 Beginn der internationalen Expansion
  • 2005 Erweiterung der Netzwerk-Kooperationspartner auf über 800
Farhan Yasin, CareerBuilder
Farhan Yasin, CareerBuilder

Zusammenfassend beschreibt sich CareerBuilders selbst als “ grösste integrierte Recruitment Lösung“, deren Marktposition von den top drei Zeitungskonzernen Gannett, Knight Ridder und Tribune gestützt wird. McClatchy hat mittlerweile die Anteile von Knight Ridder übernommen. Gannett publiziert in den USA 90 Tageszeitungen, u.a. USA Today. Die Tochtergesellschaft Newsquest publiziert in Großbritannien über 300 Zeitschriften und 17 Tageszeitungen.

 

Gannett betreibt 22 Fernsehstationen in den USA. McClatchy ist der  zweitgrösste US-Zeitschriftenverlag mit 32 Tageszeitungen und besitzt interaktive Webseiten wie RealCities.com, cars.com oder apartements.com. Der vierte Eigentümer von CareerBuilders ist Tribune Co. Deren Medienprodukte (Zeitungen, Fernsehstationen und Webseiten) erreichen mehr als 80% der US-Haushalte. Die Tribune publiziert 11 führende Tageszeitungen, darunter die Los Angeles Times oder die Chicago Tribune. 25 Fernsehstationen gehören zum Medienportfolio.

 

Anfang November kündigte  Farah Yasin, Präsident von CareerBuilder International eine Expansion an. In den nächsten drei bis fünf Jahren wird die Markeneinführung in Ländern wie Frankreich, Deutschland und den Niederlanden geplant. Zuvor hat das Unternehmen den Betrieb in Großbritannien aufgenommen. CareerBuilder International verfolgt als Ziel ein organisches Wachstum zu erzielen oder durch Akquisitionen zu wachsen.

Ausblick

Trotz des holprigen Starts von CareerBuilder Deutschland sollte der Start des US-Ablegers vom Wettbewerb nicht unterschätzt werden. Auch wenn man über die Vorzüge von Stellenanzeigen im individuellen Layout des Arbeitgeber-Brandings lange diskutieren mag, ist eines sicher: CareerBuilder demonstriert auf einzigartige Weise, wie erfolgreich eine Symbiose der Medienkonzerne in allen Bereichen ist und diese mehr und mehr ineinander übergreifen. Tageszeitungen, Zeitschriften, Fernsehstationen, interaktive Webseiten – sie alle gehören in den Mix der Medienkonzerne.

 

Entscheidend ist nicht mehr, welchen physikalischen Bedingungen der Träger der Medien (Druckpapier, Fernsehgerät oder Bildschirm)  unterliegen, sondern in welchem Maß deren fortschrittliche Eigenschaften genutzt und umgesetzt werden können um die Inhalte zum Konsumenten zu transportieren. Darüber hinaus gilt es, durch die Medienkombinationen die Reichweite der „Message“, also des redaktionellen Inhaltes oder einer Stellenanzeige zu optimieren.

 

In Deutschland haben die Zeitschriftenverlage längst ihr hausgemachtes Waterloo mit dem Begräbnis der Gemeinschaftsplattform VERSUM für Stellen, Autos oder Immobilien verdaut. Und längst haben die Medienunternehmen in Deutschland innerhalb ihrer natürlichen Konzern- bzw. Kooperationsgrenzen ihre Claims abgesteckt.

 

Stellenanzeigen.de ist im Besitz der WAZ und anderer Zeitungsverlage, JobScout24 gehört zum Medienkonzern T-Online, Jobware wird von der Medien-Union in Ludwigshafen kontrolliert und ist Kooperationen mit der Süddeutschen Zeitung, der Frankfurter Rundschau und einer Vielzahl von Fachpublikationen eingegangen. Entlang der Rheinschiene haben u.a. der Kölner Stadtanzeiger und die Rheinische Post ihre Anzeigenaktivitäten im Portal Kalaydo gebündelt. Und schon vor geraumer Zeit hat sich der Springer Verlag mit 49.9% bei StepStone in Düsseldorf eingekauft. So sind nur noch wenige der grossen Karrierportale ungebunden, namentlich Monster Worldwide.Angesichts der bisherigen Konzern-Strategie von CareerBuilder kann erwartet werden, daß sich das Unternehmen auch in Dezeutschland um Medienkooperationen zur Reichweitensteigerung bemühen wird. Inwieweit dies angesichts des bereits weitgehend verteilten Kuchens erfolgreich sein wird, ist eine grundsätzliche Frage – aber Grundsätze können auch über den Preis geregelt werden.

 

Weiterführende Links

Reklamesprüche von Recruitingbörsen fallen bei Richter in Ungnade – Landgerichte in München und Hamburg verbieten unlauteren Wettbewerb

Monster beißt auf Granit: Landgericht Hamburg verwirft Werbebehauptungen.

CareerBuilder to expand brand in Europe

 

 

 

1 Comment

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert