Big Data in HR: Schätzen Computer Persönlichkeit besser ein?
Ein Gastbeitrag von Falko Brenner
In vielen Lebensbereichen ist die korrekte Einschätzung von Persönlichkeitscharakteristiken wichtig. Darunter werden solche Eigenschaften verstanden, in denen sich Menschen situationsübergreifend unterscheiden und die langfristig relativ stabil sind.
Auch in der Personalauswahl beruhen viele berufliche Anforderungen letztlich auf Persönlichkeitseigenschaften. So wird von Vertriebsmitarbeitern im Außendienst ein gewisses Maß an Extraversion erwartet, während Buchhalter sich durch Gewissenhaftigkeit auszeichnen sollten. Eine neue Studie kommt jetzt zu dem Ergebnis, dass ein statistisches Rechenmodell auf der Basis von Facebook-Likes zu besseren Einschätzungen der Persönlichkeit kommen kann, als wenn man Kollegen, Freunde oder gar Ehepartner diese Einschätzung treffen lässt. Facebook kennt uns also besser als unsere Partner? Was bedeutet dies für die Zukunft der Personalauswahl?
Was der digitale „Fußabdruck“ verraten kann
Eigentlich sind Menschen relativ gut darin, die Persönlichkeit ihrer Mitmenschen einzuschätzen. Dies gilt auch bei einer ersten Begegnung und es reicht sogar schon eine kurze Videosequenz dazu. Aus Social Media Profilen Aussagen über bestimmte Eigenschaften oder Präferenzen zu generieren ist mitnichten neu und hat schon zu der ein oder anderen etwas absurden Studie geführt.
Der Schlüssel dazu sind oft die „Likes“ auf Facebook. Basierend auf diesem Ansatz stellte man schon vor geraumer Zeit fest, dass kluge Leute Beethoven hören oder zumindest „liken“ und weniger begabte Individuen vermeintlich lieber Beyoncé.
Die Schlussfolgerung und das Vorgehen bei dieser speziellen Studie krankt an mehreren Stellen, das grundlegende Prinzip bleibt aber klar: Sag mir, wen du „likest“ und ich sage dir, wer du bist.
Computermodell bei 250-Likes besser als Ehegatten
Forscher der University of Cambridge und Stanford University haben nun in einer Studie den Vergleich gewagt: Wer ist besser darin, Persönlichkeitseigenschaften akkurat einzuschätzen – der Mensch oder ein Rechenmodell, das mit Likes gefüttert wird?
Hierzu wurden Daten von mehreren zehntausend freiwilligen Teilnehmern des myPersonality Projekts verwendet. Bei diesem Projekt konnten Facebook-Nutzer über eine App psychometrische Fragebögen ausfüllen und bekamen Feedback über die Ergebnisse. So entstand eine Selbsteinschätzung der Teilnehmer.
Zudem sollte ein Teil der Teilnehmer auch Fremdeinschätzungen über Kollegen, Freunde, Ehepartner und andere Facebook-Freunde abgeben. Die Übereinstimmung dieser Selbst- und Fremdeinschätzung wurde dann mit der Übereinstimmung zwischen Selbsteinschätzung und Rechenmodell verglichen. Das Rechenmodelle nahm aus den “Like-Profilen” der Teilnehmer eine Fremdeinschätzung des Persönlichkeitsprofils vor, ganz so, wie es vorher die Teilnehmer über Kollegen, Freunde, Partner getan hatten.
Im Ergebnis zeigte sich, dass im Schnitt das statistische Rechenmodell eine bessere Übereinstimmung mit der Selbsteinschätzung der Teilnehmer ergab als die Fremdeinschätzungen.
Allerdings gab es große Unterschiede zwischen verschiedenen Personengruppen. Das Rechenmodell brauchte nur zehn Likes, um zu einem zutreffenderem Ergebnis über Kollegen zu kommen, bei Ehegatten waren es bereits über 250 nötige Likes.
Funktioniert das Prinzip auch in der Personalauswahl?
Natürlich hat die Studie auch ihre methodischen Grenzen, da sie auf einer Freiwilligenstichprobe mit entsprechenden Selbstselektionseffekten beruht. Gleichzeitig wirft sie aber auch die Frage auf: Welchen Nutzen haben solchen Ansätze für die Personalauswahl? Bei Facebook (Nutzerzahlen abnehmend) würde dieser Ansatz in der Breite schon daran scheitern, dass eine Vielzahl der Nutzer aus gutem Grund die benötigten Infos nicht öffentlich machen. Aber auch Xing und LinkedIn stellen vergleichbare “Like-Features” bereit.
Zwar konnten auch andere Studien zeigen, dass die Bewertung von Facebook-Profilen durch Recruiter in keinem Zusammenhang mit der Berufsleistung steht, allerdings entstand das Ergebnis in einer Studie, in der Recruiter Kandidaten aufgrund von Profilen einschätzten und dies nicht automatisiert durch Rechenmodelle geschah. In der hier vorgestellten Arbeit wurde letztlich auch keine berufliche Eignung untersucht, sondern lediglich die Ausprägung verschiedener Persönlichkeitsfacetten. Hier gibt es zu bedenken, dass Persönlichkeitsfacetten mit Berufsleistung weit weniger stark korreliert sind als etwa kognitive Testverfahren oder strukturierte Interviews.
Allerdings zeigt sich auch, dass Rechenansätze zur Vorhersage bestimmter Leistungskriterien durchaus ihre Berechtigung haben. Viele Anwendungen, die mit großer Rechenpower unter dem Begriff „Predictive Analytics“ gerade auf dem Markt kommen, beruhen oft auf einem vergleichbaren Vorgehen. Auch hat sich die generelle Verwendung von Berechnungsvorschriften, und sei es nur ein einfacher Mittelwert aus mehreren Leistungskriterien, in der Personalauswahl wiederholt gegenüber Bauchentscheidungen als überlegen erwiesen.
Big Data-Ansätze sind im HR Bereich längst angekommen und werden beispielsweise zum Matchen von Kandidaten und Stellenprofilen verwendet. Auch im Auswahlbereich werden entsprechende Methoden weitere Verbreitung finden. Allerdings gilt es Chancen und Grenzen abzuwägen zu können. Grenzen beziehen sich hierbei auch auf die Aussagekraft, Datenschutz und die Bewerberakzeptanz vollständig datenbasierter Auswahlentscheidungen.
Falko Brenner