Talent Management Software: Kundenzufriedenheit eher mäßig
Nutzerumfrage von Bersin & Associates deckt Schwächen der HR-Software-Anbieter auf
Über 1000 Anwenderfirmen in den USA wurden befragt, die Umfrage dauerte ein Jahr, jetzt liegen die Ergebnisse vor: Und sie offenbaren eklatante Schwächen der Anbieter von Talent Management Software-Herstellern, die im krassen Gegensatz zu den hohen Börsenbewertungen dieser Anbieter stehen. Die allgemeine Nutzerzufriedenheit der Anwender liegt im Durchschnitt bei 3.65 auf einer Skala von 1 (überhaupt nicht zufrieden) bis 5 (sehr gut) – die ambitionierten Ziele der Software-Hersteller wurden aus Sicht der Nutzer nicht erfüllt.
Josh Bersin, Gründer der Consultingfirma Bersin & Associates mit Sitz in Oakland, Kalifirnien (USA), fasst die wichtigsten Ergebnisse und Schlussfolgerungen zusammen.
Today’s recruiting managers face a triple-whammy of economic anxiety,
employee turnover and a shortage of highly skilled talent. Following
recessionary cutbacks, recruiting departments are spread thin, leaving
fewer resources to sort and seek prime candidates from a mass of
résumés. In this environment, talent acquisition teams need to scrutinize
every investment and reengineer their approaches – incorporating new
tools that target outstanding contenders.Karen O’Leonard – The Talent Acquisition Factbook 2011
Die Erwartungen der Nutzer werden grösstenteils nicht erfüllt
Im Vergleich mit einer Kundenzumfrage aus dem Jahr 2010 sind die durchschnittlichen Zufriedenheitswerte sogar schlechter geworden. Nahezu jeder Anbieter von Talent Management Softwarelösungen hat integrierte Paketlösungen für Recruiting, Perfomance Management, Nachfolgeplanung, Personalentwicklungsplanung und Vergütungsmodelle angeboten, doch nur wenige dieser Software-Pakete erfüllen die Versprechungen einer integrierten Lösung.
Implementierungsprobleme
Die Softwarelieferanten sahen sich mit beträchtlichen Implementierungsproblemen konfrontiert. Bersin kommt zur Schlussfolgerung, daß es zwischen 2 und 3 Jahre dauert, bis diese Systeme komplett implementiert sind. Selbst dann sehen sich die HR-Verantwortlichen der Anwender damit konfrontiert, dass ihre Mitarbeiter diese Systeme auch erfolgreich anwenden.
Unterschiede beim Support
Beim Support durch die Software-Anbieter klaffen die Meinungen der HR-Anwender weit auseinander, einige Anbieter liefern guten Support, andere wiederum haben erhebliche Schwierigkeiten. Der am schlechtesten bewertete Software-Anbieter erzielte eine durchschnittliche Zufriedenheit von 2,86 während der beste Anbieter bei 4,32 lag. Die Untersuchungsergebnisse deuten darauf hin, dass Branchenspezialisten eher bessere Zufriedenheitswerte erzielen als Anbieter mit einer indifferenzierter Zielgruppe.
ERP Lösungen ohne gute Performance
16% der Umfrageteilnehmer gaben an, ERP Softwarelösungen einzusetzen – jedoch sind gerade diese Anwender unter denjenigen mit der niedrigsten Zufriedenheit. Eine mögliche Ursache dieser Unzufriedenheit ist ein Mangel an Funktionalität und der Bündelungseffekt beim Software-Upgrade: Neue HR-Module können in der Regel erst dann genutzt werden, wenn alle ERP-Module gleichzeitig auf den neuesten Release-Stand migriert werden.
Performance Management Module mit hoher Zufriedenheit
Die Umfrageteilnehmer bestätigten, dass die Performance Management Module der Talent-Management-Lösungen im allgemeinen eine hohe Zufriedenheit erzielen. Hingegen sind die Module für Recruiting und Learnung eher am unteren Ende der Zufriedenheitsskala anzufinden.
Kundenanforderungen
Die Umfrageergebnisse deuten auf Schwächen hin, wenn es um das Verständnis der Kundenanforderungen und die Umsetzung dieser Funktionen geht. Die Einflussmöglichkeiten auf die Priorisierung der zukünftigen Modulfunktionalität und die Sichtbarkeit einer zukünftigen „Roadmap“ sind weitere Schwächen der Software-Anbieter.
Ungelöste Konflikte
Nach wie vor behindern latente Konflikte in der Zusammenarbeit zwischen HR und IT-Verantwortlichkeiten den Nutzen der eingesetzten Software-Anwendungen. Mehr als ein Drittel der Anwender verzichten notgedrungenermassen auf die professionelle Unterstützung ihrer IT-Abteilung.
Verbesserungspotential
Die Autoren der Studie kommen aufgrund der Umfrage-Ergebnisse zum Schluss, dass die eingesetzten Talent-Management-IT-Lösungen nicht primär für eine Verbesserung der HR-Performance sind, sondern dass es in erster Linie darauf ankommt, die solide Business-Praxis hinsichtlich career development, accountability, goal transparency, feedback, coaching, development planning, und leadership development umzusetzen.
Talent Acquisition Factbook 2011: Key points
- Talent acquisition spending is up six percent over 2010 to nearly $3,500 per new hire, with most dollars going to search agencies and job boards.
- Companies spend a whopping one-third of their recruiting budgets on agencies – but this spending is declining as companies hire additional staff and turn to lowercost sourcing tools.
- Nearly one-half of U.S. firms are spending more money on contractors this year.
- Job boards remain the number one source for external candidates – but the market is changing rapidly and job boards risk becoming obsolete.
- Internal mobility programs can help not only in filling vacancies, but also in bolstering employee engagement and triggering an influx of fresh ideas.
- Firms are receiving an average of 144 applications for every entry-level / hourly opening.
- New tools for video interviewing and 360-degree reference checks can help to ensure that finalists are indeed the best candidates.
- Few companies have a comprehensive and systematic approach to measuring quality of hire.
Die Umfrage von Bersin & Associates unter den US-Anwenderunternehmen berücksichtigte die Software-Angebote von ADP, Cezanne, CornerstoneOnDemand, Halogen Software, HealthcareSource, HR Smart, iCims, Insala, JobPartners, Kenexa, Kronos, Lawson, Lumesse, Meta4, NorthgateArinso, NuView, Oracle EBS, Oracle PeopleSoft, PageUp People, PeopleFluent, Pilat, Plateau (SuccessFactors/SAP), Saba, SAP, Silkroad, SuccessFactors, SumTotal Systems, Taleo, Technomedia, TEDS, TowersWatson, Ultimate Software, and Workday.
Inwieweit die für den US-amerikanischen Markt geltenden Erfahrungen auch auf Deutschland übertragbar sind, bleibt abzuwarten.
Weitere Informationen:
Talent Management Software Vendors get a C+ in Customer Satisfaction
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Ein paar Anmerkungen zu den Findings:
1. Nutzererwartungen:
Die Marketing- und Selling Force der amerikanischen Anbieter ist bekannter Maßen für ihr Fähigkeiten bekannt, Kundenerwartungen in unbekannte Höhen zu schrauben. Es wird zuerst mal verkauft. Was danach kommt,überläßt man den völlig überlasteten Professional Services. Gerade der Verkaufsargument „Integriertes Talentmanagement“ wird im technologischen Bereich schlichtweg geschönt, weil einfache Tatsachen unter den Tisch gekehrt werden. Warum? Die meisten Anbieter haben ihre Plattformen nicht organisch erweitert, sondern Funktionen durch Zukäufe und Übernahmen von solchen Herstellern erweitert (vor allem: Learning), die das entsprechende Gap in ihrer Plattform füllen. Die Integration zwischen zwei Softwareplattformen ist ein langwieriger, komplexer Prozess. Anbieter, die knapp 8 Monate nach der Übernahme eines Wettbewerbers damit werben, dessen Funktionen bereits in ihr Produkt nahtlos integriert zu haben, sind sehr kritisch zu beurteilen.
2. Implementierungsprobleme:
Alle Hersteller bieten ihre Talent Management Plattform als SaaS an. Das Delievery Modell SaaS entspricht nicht den klassischen in-House Implementierungen wie sie klassische deutsche HR IT Abteilungen kennen – deren Mindset durch jahrelange, dogmatische Hingabe zu ERP Software relativ eingerostet ist. Um es mal einfach zu sagen: In der Cloud gibt es für die eigene IT wenig zu tun, grundsätzlich kann die Parametriesierung der Software relativ schnell erlernt und von der Fachabteilung übernommen werden, was auch ein Verkaufsargument der Softwarehersteller ist. Damit kommen wir aber zum eigentlichen Dilemma: In der Norm herrscht in HR Abteilungen ein Mangel an Projektmanagement-Know How. Das wurde in der Vergangenheit durch die eigene IT übernommen. Leider können sich die Talent Management Software Hersteller nicht davon ausschliessen. Deren Professional Services Personal ist technisch versiert, aber im Projektmanagement methodisch überfordert. Ein guter Grund, warum die Provider sehr gerne die Einführung ihrer Software im „Coaching Ansatz“ begleiten – was sich in den im Vergleich zu ERP Einführungen auffallend geringen externen Beratertagen niederschlägt.
3. Support Probleme:
Das offensichtlichste Manko von allen, wenn man einen Blick auf die(richtigen)Zahlen wirft. Die Talent Management Softwarehersteller werben mit ihren enormen Kundenstämmen (bis mehrere Tausend) und mit noch beeindruckenderen Benutzerzahlen (das geht in die Millionen). Nun muss man sich einfach fragen: Wie kann man mit ca. 2000 Mitarbeitern weltweit eine solche User Community überhaupt zufriedenstellen? Man bedenke: Von den genannten Mitarbeitern arbeitet ein Bruchteil im Customer Support, und das global verteilt. Auch hier sollte sich jeder Interessent die Support-Organisation des Anbieters genau darstellen lassen. Man wird feststellen, dass sich die Provider hier mitunter „zieren“, genaue Zahlen zu liefern.
4. Kundenanforderungen
Eine grobes Missverständnis. SaaS Plattformen folgen grundsätzlich der Formel: „Wysiwyg“ – What you see is what you get. Alle Funktionen sind vordefiniert und stehen für alle Kunden gleichartig zur Verfügung. Es gibt eine Konfigurations-Ebene, in der jedes Unternehmen natürlich ureigenste Basisinformationen wie z.B. Organisationseinheiten, Stellenpläne definieren kann und diversen Workflows aufbaut. Alles andere kann dann nur über aktive und rege Beteiligung im Customer Support Portal eingekippt werden – nur: ob und wann dann die „Anregung“ (nicht: Anforderung) vom Produktmanagement in die Releaseplanung aufgenommen wird und dann die tatsächliche Verfügbarkeit erfolgt, das kann nur orakelt werden. Es ist hierbei freilich von Vorteil, wenn ein Unternehmen (vorwiegend aufgrund seiner Größe und dem Umsatz) in ein Customer Advisory Board aufgenommen wird, in dem die Einflussnahme unmittelbarer vonstatten gehen soll.