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Personalauswahl: Auf die Fragen kommt es an

Von Barbara Lochmann, HR-Guiding

Volle Auftragsbücher, zufriedene Kunden und Wachstum – für das mittelständische Dienstleistungsunternehmen läuft alles bestens. Zumindest fast. Denn genau der Erfolg ist gleichzeitig zur Herausforderung geworden. Seit der Gründung vor sieben Jahren ist das Unternehmen gewachsen und hat in den letzten zwei Jahren verstärkt neue Mitarbeiter eingestellt. Doch nicht alle Personalentscheidungen waren optimal. Ein Grund, das eigene Auswahlverfahren kritisch unter die Lupe zu nehmen.

 

Barbara Lochmann

Gestartet mit neun Mitarbeitern, beschäftigt das Unternehmen heute rund 50 Mitarbeiter, Tendenz steigend. Neben der generellen Herausforderung, entsprechende Fachkräfte zu finden, erkannte die Geschäftsführung verschiedene Faktoren, die den Erfolgskurs zukünftig gefährden könnten.

 

Herausforderung: Die richtigen Mitarbeiter identifizieren und Veränderungsfähigkeit erhöhen

 

Im Rückblick auf die Personalentscheidungen in der Vergangenheit stellten sie folgendes fest: Die Erwartung, durch neue Mitarbeiter nicht nur zusätzliche Kapazitäten, sondern auch frischen Wind ins Unternehmen zu holen und Querdenken zu initiieren, hat sich nicht erfüllt. Statt sich weiterzuentwickeln, stagnierte die Organisation, da unbewusst immer wieder Kandidaten ausgewählt wurden, die den bestehenden hinsichtlich Arbeitsmethodik, Denk- und Verhaltensweise ähnlich waren.

So entstand eine sehr homogene Belegschaft, die harmonisch miteinander agierten, jedoch die Bereitschaft für Neues immer stärker einschränkte. Die führte sogar dazu, dass neue Mitarbeiter, die etwas anders strukturiert waren, nicht ins Team fanden und es zu ungewollten Trennungen kam.

 

Was beim Aufbau des Unternehmens einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren war, drohte nun das weitere Wachstum bzw. die Innovation zu hemmen. Heute ist der Dienstleister nicht nur auf neues Fachwissen angewiesen, sondern vor allem auch auf Mitarbeiter, die bereit sind, sich ständig weiterzuentwickeln, die Bestehendes infrage stellen und neue Perspektiven ins Unternehmen bringen. Nur so ist es möglich, auf neue Kundenanforderungen und veränderte Rahmenbedingungen in der Branche reagieren zu können. Eine zu große Homogenität der Belegschaft, verbunden mit einem stark ausgeprägten Harmoniebedürfnis kann dem bis zu einem gewissen Grad im Wege stehen.

 

Diese Beobachtungen gaben den Anstoß, sich intensiv mit dem eigenen Auswahlprozess auseinanderzusetzen. Hierfür wurde ein Projektteam aus Führungskräften, Geschäftsleitung und HR zusammengesetzt. Zielsetzung des Projektes war es, bessere Recruiting-Ergebnisse zu erzielen und mehr Vielfalt ins Unternehmen zu bringen. Das Projektteam erkannte früh, dass es dafür externe Unterstützung mit einem neutralen Blick auf das Unternehmen und die Teams benötigt.

Wissen, wonach man sucht

Am Anfang stand die Frage, wie ideale Kandidaten überhaupt sein sollten. Schnell stellte sich heraus, dass darüber kein einheitliches Bild bestand. Deshalb wurde zunächst analysiert, wie sich die Teams hinsichtlich der Fachkompetenzen und der Persönlichkeitsstruktur aktuell zusammensetzen und wie sie mit Blick auf zukünftige Entwicklungen idealerweise ergänzt werden sollten. Außerdem setzten sich die Projektbeteiligten selbstkritisch damit auseinander, warum Mitarbeiter in der Vergangenheit nicht gepasst haben bzw. warum es nicht gelungen ist, kompetente Kandidaten zu integrieren. Darauf aufbauend konnten dann sehr konkrete Stellenbeschreibungen und Anforderungsprofile entwickelt werden. Hierbei wurde Wert darauf gelegt, sie nicht bis ins letzte Detail auszuarbeiten, sondern ein realistisches und auch rekrutierbares Profil zu entwickeln.

 

Gesprächskompetenz und Fragetechnik verbessern

Nachdem Klarheit und Konsens über das gewünschte Kandidatenprofil bestand, war ein wichtiger erster Schritt getan. Während konkrete Fachkenntnisse eines Bewerbers vergleichsweise einfach einzuschätzen sind, ist es weit schwieriger, anhand von Vorstellungsgesprächen diejenigen Kandidaten herauszufiltern, die die gewünschte Persönlichkeitsstruktur tatsächlich haben. Deshalb benötigen alle, die in Auswahlgespräche involviert sind, ausgeprägte Kompetenzen in Gesprächsführung und unterschiedlichen Fragetechniken. Ist dies nicht der Fall, driften Gespräche leicht in ein „Frage-Antwort-Spiel“ bzw. eine Prüfungssituation ab und Kandidaten äußern nur das, von dem sie denken, dass es die Gesprächsteilnehmer hören möchten.

 

In einem zweitägigen Workshop wurde an der Gesprächskompetenz und der Interviewtechnik gefeilt. Im Fokus stand zunächst, die Rolle und die Ziele eines Interviewers zu klären. Sehr wichtig ist dabei, sich bewusst zu machen, wie die eigene innere Haltung den Gesprächsverlauf und den Kontakt zum Kandidaten prägt. Außerdem führten sich alle Teilnehmer vor Augen, mit welchem Eindruck Kandidaten ein Vorstellungsgespräch im Unternehmen verlassen sollen. Schließlich spielen auch bei Jobsuchenden die Eindrücke und Erfahrungen im Jobinterview eine maßgebliche Rolle, ob sie sich für oder gegen einen Arbeitgeber entscheiden.

 

Für ihre Gesprächsführung lernten die Teilnehmer systemische Fragen anzuwenden, als ein wichtiger Baustein für künftige Jobinterviews. Durch sie ist es möglich, die Gedankenwelt des Kandidaten kennenzulernen, die auf Basis seiner Erfahrungen, dem erlernten Wissen und individuellen Fähigkeiten entstanden ist. So können Werte und Treiber, die darüber entscheiden, wie Menschen entscheiden und agieren, herausgearbeitet werden. Denn nur das Wissen über die individuellen Treiber lässt Interviewer Kandidaten wirklich verstehen.

 

In Rollenspielen setzten die Teilnehmer schließlich das Erlernte in die Praxis um. Sie trainierten die Gesprächsführung sowie den Einsatz systemischer Fragen und entwickelten diese weiter. Der Perspektivenwechsel – mal als Interviewer, mal als Bewerber – führte den Teilnehmern eindrücklich vor Augen, wie Kandidaten ein Gespräch wahrnehmen.   

 

 

Investierte Zeit zahlt sich aus

Die Entscheidung, sich mit dem eigenen Auswahlprozess zu befassen, hat sich gelohnt. Allein die Analyse der aktuellen Teams und das Entwickeln des Wunschbildes der zukünftigen Mitarbeiter und Teamkonstellationen hat viel bewegt. Heute besteht ein klares und konkretes Bild nicht nur der zukünftigen Kollegen, sondern auch des vorhandenen Potenzials in den eigenen Reihen. Nachdem sich das Projektteam mit den Vorteilen und Risiken einer sehr homogenen Belegschaft und größerer Vielfalt beschäftigt hat, fällt es heute leichter, neue Kollegen zu integrieren, die einen anderen Hintergrund und eine andere Persönlichkeit mitbringen.

 

Der Verlauf von Auswahlgesprächen hat sich spürbar verbessert. Was zuvor oft ein „Frage-Antwort-Spiel“ war, ist heute ein angenehmes Gespräch, geprägt von Neugier an der Person des Kandidaten. In der entspannteren Atmosphäre öffnen sich Kandidaten und beide Seiten lernen sich besser kennen. Insbesondere die Fokussierung auf das Potenzial eines Kandidaten und nicht mehr auf das, was er eventuell nicht mitbringt, ist ein Gewinn. Dadurch gehen auch sie immer mit einem guten Gefühl aus dem Gespräch.

 

In der Lernphase wurde zwar etwas mehr Zeit in Interviews investiert, aber durch tragfähigere und fundiertere Entscheidungen belohnt. Die Interviewer fühlen sich nun wesentlich sicherer im Entscheidungsprozess und die Passung neuer Mitarbeiter ist deutlich besser als zuvor.

 

Lessons learned:

  • Nur wem klar ist, wonach er sucht, findet es auch: Wichtig ist, regelmäßig zu analysieren, welche fachlichen und persönlichen Kompetenzen Mitarbeiter und Teams aktuell und zukünftig benötigen.
  • Anforderungsprofile sind nicht in Stein gemeißelt, denn Unternehmen verändern sich. Eigenschaften, die beim Aufbau eines Unternehmens wichtig sind, können in einer anderen Phase hinderlich sein.
  • Bewährtes von heute ist nicht immer das Beste für morgen: Vielfalt in Teams ist für alle etwas anstrengender, aber umsichtige Führung verwandelt Reibung in Energie für Innovation.
  • Interviews sind Teil der Candidate Experience: Gespräche müssen so gestaltet sein, dass Kandidaten das Unternehmen auch nach einer Absage in guter Erinnerung behalten.
  • Strukturiertes Vorgehen ist sinnvoll und hilfreich. Aber erst die Bereitschaft, sich auf einen Kandidaten wirklich einzulassen und im Gespräch Hinweisen auf die individuelle Persönlichkeit gezielt nachzugehen, macht es rund und erkenntnisreich.
  • Interviews führen ist nicht trivial. Fundierte Kenntnisse in Gesprächsführung, sinnvolle Fragetechniken, Empathie und Lust, Kandidaten wirklich kennenzulernen, bilden das optimale Skill Set für Interviewer.

 

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Barbara Lochmann
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Hinweis:

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