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Haus des Recruitings: Monster-Chef Bernd Kraft über Produktportfolio und mitlernende Mittelstands-Personaler

Bernd Kraft, Monster Deutschland
Bernd Kraft

Monster-Chef Bernd Kraft bleibt ganz gelassen, wenn die Sprache auf Wettbewerber kommt, die mit spezialisierten Lösungen und Tools im Konkurrenzkampf der Jobportale punkten wollen. Einerseits bietet Monster ein umfassendes Produktportfolio für Arbeitgeber und Bewerber an, andererseits ist es unumgänglich, gerade für Mittelstands-Personaler ein offenes Ohr zu haben und Beratungsunterstützung zu bieten. Welche Schwerpunkte sich für die Zukunft des Recruitings abzeichnen, erläutert Bernd Kraft im Interview mit Crosswater Job Guide.

 

Crosswater:  Herr Kraft, das Leben bei Monster Deutschland ist immer spannend: Die Recruiting-Trend-Studie liefert empirische Erkenntnisse über die wichtigsten Entwicklungen, die neue Strategie aus dem US-Headquarter Weston verspricht neue Chancen im Wettbewerb, die Konzern-Quartalsergebnisse sind insbesondere für die internationalen Tochtergesellschaft von Monster Worldwide nicht immer ein Grund zu jubeln. Worüber freuen Sie sich am meisten?

Kraft: Es gibt viele Gründe zum Freuen, aber weil ich von Haus aus Ingenieur und technikbegeistert bin, freuen mich am meisten die neuen Technologien, die jetzt für die HR nutzbar gemacht werden. Im Markt ist ein Innovationsruck zu spüren, anders kann ich das nicht beschreiben. Jeden Monat werden neue Ideen präsentiert, die den Personalverantwortlichen in irgendeiner Weise bei seinen Aufgaben unterstützen sollen. Big Data, neue Matching-Strategien, Apps und Mobile: Da macht es Spaß, dabei zu sein und selber mit Produkten dazu beitragen zu können, das Recruiting der Zukunft zu prägen.

 

Tim Weitzel
Tim Weitzel

Crosswater: Die Recruiting-Trends-Studie von Prof. Dr. Tim Weitzel im Auftrag von Monster zeigt nun schon seit Jahren ausgeprägte Trends auf und differenziert die Ergebnisse nach Konzernen und Mittelstandsunternehmen. Welche dieser Trends sind insbesondere für den Mittelstand erfolgskritisch bei der Personalbeschaffung und wie genau kann Monster diesen kleineren Unternehmen im Recruiting helfen?

Kraft: Eine interessante Frage: Grundsätzlich sehen wir erstmal, dass der Mittelstand ganz ähnliche Herausforderungen und Strategien wie die Konzerne hat – nur treten diese zeitversetzt auf. Was große Unternehmen bereits vor Jahren als Top-Themen benannt hatten (z.B. Mobile Endgeräte in der Rekrutierung, Prozessoptimierung durch etwa Bewerbermanagementsysteme, aber auch Trends wie Employer Branding und Mitarbeiter-Retention) kommt mit Zeitverzögerung im Mittelstand an. Es könnte sein, dass der kleine Betrieb von dieser Verzögerung profitieren kann. Denn die großen Personalabteilungen haben bereits den „Check“ gemacht, Best Practices generiert und auch gezeigt, was vielleicht nicht so gut funktioniert. D.h. wir können den Mittelständler mit einem großen Erfahrungshorizont beraten.

Monster hat bis heute ein ganzes Set an Maßnahmen für den Mittelstand entwickelt und v.a. eines der größten auf den Mittelstand ausgerichteten Vertriebsteams Deutschlands aufgebaut. Warum ist es wichtig für mich, das zu benennen? Weil in der individuellen Beratung des Mittelstands der Schlüssel zum Erfolg liegt. Aufgrund der Strukturen im mittelständischen Betrieb bedarf es einer intensiven Analyse und Begleitung durch externe Experten. Was im Konzern im Team intern gelöst werden kann, schafft die sehr schlank aufgestellt Personalabteilung nicht. Der Austausch fehlt. Wir sehen unseren Vertrieb und den Kundenservice als verlängerten Arm der HR-Abteilung, die mehr macht, als nur die Vertragsunterzeichnung.

Wir wollen unsere Kunden begleiten und als Ansprechpartner für alle Fragen rund um das Recruiting zur Verfügung stehen. Das geht von der Verbesserung der eigenen Stellenanzeige (Stichwort „Employer Branding Anzeige“ und „Internationale Anzeige“ zusätzlich zu Reichweitenverstärkern für die besser Auffindbarkeit der Anzeigen), über die Erstellung von Karrierewebseiten bis hin zu Werkzeugen wie TalentBin für die weltweite aktive Suche nach IT- und Webspezialisten oder Monster Talent CRM, einem E-Mail-Kampagnentool für das Active Sourching. Letzteres ist ganz neu und bietet gerade kleinen Unternehmen mit vergleichsweise geringem Personalbedarf ein preislich sehr attraktives Angebot für die aktive Ansprache von knappen Kandidaten. Nicht zu vergessen sind darüber hinaus Services wie die Lebenslaufdatenbank, die für viele Mittelständler die einfachste Möglichkeit ist, Kandidaten zu identifizieren.

 

Monster Hauptverwaltung Weston, Mass. USA
Monster Hauptverwaltung Weston, Mass. USA

Crosswater: Die neue Strategie, die Monster Worldwide vor einem knappen Jahr präsentierte, war eine eher radikale, aber konsequente Neuausrichtung des Produktportfolios und der dabei eingesetzten Technologie. Die Strategie war in der Summe „disruptive“ – in erster Linie für den Wettbewerb, wie der damalige CEO Sal Iannuzzi es formulierte. Welches sind nun die wichtigsten Bausteine dieser neuen Strategie und wie wirken sie sich auf Arbeitgeber und Kandidaten aus?

 

Kraft: Die aus unserer Sicht wichtigsten Bausteine sind diejenigen mit einer konsequenten Ausrichtung auf neue Wege im Recruiting – sprich Active Sourcing über Fach-Communities und der Einsatz von Social Media für bestimmte Zielgruppen. Auch wenn viele von Buzz-Words reden und von Hypes, wir denken, dass hier die „Gamechanger“ der Zukunft entwickelt werden. Wir können doch antizipieren, dass sich angesichts des technologischen und gesellschaftlichen Wandels auch im Recruiting Dinge ändern müssen. Wer davor jetzt in der Branche die Augen verschließt und weiter nur auf die Stellenanzeige und die Klickzahlen blickt, und das machen möchte, was man immer schon gemacht hat, wird schnell merken, wie die Schwierigkeiten zunehmen.

Was die Auswirkungen dieser Fokussierung sind? Auf Seiten der Unternehmen sind wir sind uns klar, dass wir mit unseren neuen Produkten so einiges an „Mitlernen“ vom Personaler verlangen, denn sie werden zukünftig Werkzeuge nutzen, die über die Stellenanzeige hinausgehen. Auch wenn die Anzeige sicher nicht verschwinden wird. Auf Seiten der Kandidaten sehen wir, dass sich viele neue Perspektiven eröffnen. Zum Beispiel indem man von Firmen, die man bisher vielleicht nicht auf seiner persönlichen Liste hatte, angesprochen und umworben wird. Die Reichweite für den eigenen Lebenslauf und das persönliche Profil wird z.B. auch durch Tools wie TalentBin immer größer, was sicher viele Kandidaten sehr positiv bewerten werden.

 

Crosswater: Die Formulierung einer neuen Strategie ist konzentrierte Gedanken-Arbeit – die Umsetzung insbesondere durch die internationalen Tochtergesellschaften bringt jedoch viel konkrete Arbeit und Anpassungen an die lokalen Gegebenheiten mit sich. „Blood, Sweat and Tears“ im Recruiting, so könnte man es auch musikalisch umschreiben.

Welche der Strategiekomponenten haben eine kurzfristige Erfolgswirkung, welche brauchen eher mehr Zeit bis zur erhofften Wirkung? Welche Herausforderungen müssen die Monster-Tochtergesellschaften lösen?

Kraft: Immer, wenn man in einem etablierten, traditionellen Markt neue Ideen umsetzen möchte, ist die zu lösende Herausforderung die, die Kunden „mitzunehmen“. Gerade der HR-Bereich ist durch große Stetigkeit geprägt. Hier jetzt zu erwarten, neue Strategien, z.B. Active Sourcing oder Employer Branding, ließen sich von heute auf morgen in der breiten Masse umsetzen, wäre vermessen. Zu groß sind die internen Änderungsprozesse, die in der Personalabteilung selbst durchgeführt werden müssen. Daher ist es wichtig, dran zu bleiben und als Lösungsanbieter nachhaltig zu beraten und aufzuklären. Umso technischer die Produkte werden, umso mehr individuelle Anpassung auf einzelne Zielgruppen notwendig sind, desto mehr benötigen Recruiter angesichts knapper Ressourcen eine belastbare Partnerschaft mit ihren Dienstleistern. Kundenservice steht bei uns daher ganz oben auf der Agenda.

Wir freuen uns aber angesichts dieser Voraussetzungen sehr über das sehr positive Feedback auf alle – wie nannten Sie es? – Strategiekomponenten durch die Recruiting-Experten. Wir haben bereits schöne Erfolgsgeschichten generiert, die uns zeigen, dass wir damit goldrichtig liegen.

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Crosswater: In der neuen Strategie werden viele Konzepte angesprochen, die teilweise schon von Wettbewerbern erfolgreich umgesetzt wurden. Bei Jobsuchmaschinen ist Indeed.com auf internationaler Macht in führender Stellung, in Deutschland gewinnen die Darmstädter Jobsuchmaschinen-Experten von Kimeta.de die Qualitätsgütesiegel als „Deutschlands beste Jobsuchmaschine“ in Serie, Spezialjobbörsen fragmentieren zusehends den Markt und Social Networks wie Facebook oder Business Networks wie LinkedIn oder Xing haben Recruiting als lohnenswerte „Cash Cow“ entdeckt. Wie reagiert Monster auf die Wettbewerbsherausforderung an diesen vielen Fronten?

Kraft: Ruhig. Wir bleiben uns treu – das ist unsere Reaktion. Mit seinem Produktportfolio stellt Monster in Deutschland das umfassendste Lösungsangebot aus einer Hand zur Verfügung – sozusagen ein „Haus des Recruitings“. Marktbegleiter haben ihre Spezialgebiete, Monster bietet alle relevanten Bereiche des Recruiting vollumfänglich an. Wir treffen die Personalverantwortlichen, analysieren gemeinsam Situation und Bedarf und entwickeln dann basierend auf unserem Portfolio einen individuellen Strategievorschlag. Da kann sich dann der Personaler mitentscheiden, wie er sein Recruiting aufstellen möchte.

 

Crosswater: Während der US-Heimatmarkt für Monster relativ groß und homogen ist, stellt sich insbesondere in Europa die Lage differenzierter dar. Welche Unterschiede im Recruiting ergeben sich aus Ihren Beobachtungen für Arbeitgeber oder Bewerber in den diversen Ländern?

Kraft: Wie viel Zeit haben wir? Scherz beiseite, die Anforderungen an die Personalsuche sind tatsächlich in den Ländern unterschiedlich. Die Situation in Deutschland ist im internationalen Vergleich einmalig. Die Herausforderungen in einem durch Passivität und Knappheit in bestimmte Berufsgruppen geprägten Markt auf der einen und einer traditionell eher wenig „testfreudigen“ Branche gibt es so nur in wenigen anderen Ländern.

So sind z.B. die Niederländer sehr Social-Media-affin, einfach weil die Recruiter als Privatpersonen tagtäglich diese Kanäle nutzen und sie auch ganz selbstverständlich in den beruflichen Alltag integrieren. In UK ist die Bereitschaft von Arbeitnehmern, sich beruflich neu zu orientieren, wenn sich denn eine gute Möglichkeit bietet, schon von jeher ausgeprägter als in der eher risikobewussten deutschen Arbeitnehmerschaft. Da finden Unternehmen mit ihren Wechselangeboten eine ganz andere Bereitschaft für ein Gespräch vor. Dementsprechend machen die Briten (so wie übrigens auch die US-Amerikaner) gute Erfahrungen mit Active Sourcing.

 

Crosswater: Medienberichte und Diskussionen in HR-Blogs im Recruiting sind auch stark von Mode-Themen geprägt, sei es Social Media Recruiting, Employer Branding, Candidate Experience oder Mobile Recruiting. Wenn sich der mediale Kanonendonner etwas gelegt hat, auf welche wirklichen Trends im Recruiting müssen Arbeitgeber und Bewerber sich zukünftig einstellen?

Kraft: Alle oben genannten! Da ist doch nichts dabei, was es nur aufgrund eines medialen Pushs auf die Agenda geschafft hat. Gut, die Begriffe werden schon sehr intensiv gebraucht, aber das schmälert doch nicht die Tatsache, dass sich die Kanäle für das Suchen-und-Finden ändern, die Unternehmen überlegen müssen, wofür sie als Arbeitgeber stehen und die Kandidaten zu Recht Anspruch auf einen vernünftigen Bewerbungsprozess haben, der einem am Ende nicht die ganze Vorfreude auf den neuen Karriereschritt genommen hat. Also wird es bei diesen Themen bleiben! Ich würde sogar noch einen weiteren Trend ergänzen: Big Data in Kombination mit Matching. Hier hat die Branche noch gar nicht angefangen, sich umfassend über die Bedeutung dieser neuen technischen Entwicklungen klar zu werden. Da geht noch was.

Gegenfrage: Welchen Mode-Begriff würden Sie denn vom Laufsteg des Recruitings verbannt sehen wollen?

 

Herr Kraft, vielen Dank für das Gespräch.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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2 Comments

  • Interessanter Artikel mit offenem Ende. War die Verabschiedung die Antwort oder sehen Sie einen Begriff den Sie mit einem Bann belegen würden?

  • Hallo,
    Ja, es gibt eigentlich einen ganzen Katalog von Begriffen, die im Hype-Orchester gespielt werden. Sie klingen gut, aber nur der Dirigent besitzt die Notenpartitur und kann sie lesen. Da drin stehen dann Worte wie Arbeitgeberbewertungen, Fachkräftemangel, Demografiewandel – empirische Fakten dazu sind eher Mangelware und mühsam in der Argumentation. Was wären Ihre Kandidaten?
    Gerhard Kenk

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