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Unternehmen müssen sich bei der Mitarbeitersuche intensiv mit den Bedürfnissen der Bewerber auseinandersetzen

Nach der Übernahme von meinestadt.de durch den Axel-Springer-Verlag stand auch eine Neupositionierung der Jobbörse auf der Agenda. Als langjähriger Kooperationspartner der Bundesagentur für Arbeit inklusive dem Austausch von Stellenanzeigen galt es, ein Jobbörsen-Profil zu entwickeln, welches einerseits eine ganz klare Zielgruppe im Fokus hatte, andererseits sollte eine Überlappung mit den anderen Jobbörsen des Axel-Springer-Verlags in Deutschland, insbesondere dem Marktführer Stepstone und dem Branchenspezialisten Hotelcareer möglichst minimiert werden. Und letztendlich sollte die Jobbörse von meinestadt.de ein wichtiges und entsprechend grosses Arbeitsmarktsegment abdecken.

Crosswater Job Guide sprach mit dem Leiter Stellenmarkt bei meinestadt.de, Andreas Matthies, über die Jobbörsen-Positionierung.

meinestadt.de ist auf Fachkräfte mit Berufsausbildung fokussiert. Was sind die Gründe für diese geschärfte Ausrichtung?

Andreas Matthies

Wir kümmern uns seit 10 Jahren um Fachkräfte mit Berufsausbildung und haben bereits früh erkannt, wie wichtig diese Zielgruppe für die deutsche Wirtschaft ist. Facharbeiter bilden das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Die Ausrichtung ist somit alles andere als neu – 85 Prozent unserer Nutzer sind Fachkräfte mit Berufsausbildung. Wir stellen jedoch fest, dass viele Unternehmen immer noch nicht genug zwischen Akademikern und Nicht-Akademikern differenzieren. Das ist aber wichtig, wenn man Fachkräfte mit Ausbildung erreichen möchte, denn sie verfolgen andere Lebens- und Arbeitskonzepte als Akademiker. Pflegekräfte, Handwerker oder Bäcker möchten nicht schnellstmöglich die Karriereleiter hochklettern, sondern suchen Sicherheit und ein gutes Betriebsklima.

 

Wie umfangreich schätzen Sie das Bewerbersegment „Fachkräfte mit Berufsausbildung“ ein, worin begründet sich der Bedarf am Arbeitsmarkt für genau solche Kandidaten?

Im Sommer vermeldete das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) rund eine Million Vakanzen. Für 64 Prozent der offenen Stellen werden Fachkräfte mit Berufsausbildung gesucht – das sind rund zwei Drittel aller ausgeschriebenen Stellen. Der Begriff „Fachkräftemangel“ wird seit Jahren viel diskutiert, jedoch muss man genau hinschauen. In der öffentlichen Diskussion werden „Fachkräfte“ viel zu häufig mit akademischen Berufen wie Fachärzten oder Ingenieure gleichgesetzt. Tatsächlich aber weisen Lokomotivführer, Altenpfleger und Mechatroniker die größten Vakanzzeiten auf. Doch auch viele andere Branchen haben Schwierigkeiten, passende Fachkräfte und auch Nachwuchskräfte zu finden.

 

Was raten Sie Unternehmen, die Fachkräfte mit Berufsausbildung von sich überzeugen möchten?

Wir empfehlen den Unternehmen, bereits bei den Inhalten einer Stellenanzeige anzusetzen. Wir haben festgestellt, dass die Bewerbergruppe der nicht-akademischen Zielgruppe häufig völlig falsch angesprochen wird, so dass viele Stellenanzeigen an den Interessen von Jobsuchenden mit Ausbildung schlichtweg vorbeigehen. So werden beispielsweise Berufskraftfahrer mit „flachen Hierarchien“ und „demographischer Personalpolitik“ und Altenpfleger mit „Karriere“ gelockt. Unternehmen sollten viel mehr auf die Bedürfnisse und Ansprüche der Zielgruppe eingehen. Doch auch die Fachkräfte mit Berufsausbildung müssen sehr individuell betrachtet werden – Busfahrer haben andere Erwartungen als Außenhandelskaufleute oder Erzieher. Wir raten dazu, die eigenen Mitarbeiter zu befragen, um herauszufinden, welche Argumente wirklich potenzielle Kandidaten locken können. Natürlich ist aber auch der Recruitingkanal entscheidend. Die Jobsuche findet heute überwiegend mobil mit dem Smartphone statt – insbesondere unter Fachkräften mit Berufsausbildung.

 

Mobile Jobsuche ist Top – mobile Bewerbung ist (noch) ein Flop. Diese Vereinfachung kennzeichnet momentan das generelle Verständnis der Recruiter und Bewerber. Welche Funktionen bietet meinestadt.de an, um die mobile Bewerbung einfacher, schneller und ohne Medienbrüche zu gestalten?

Wir bieten mit der Direktbewerbung eine unkomplizierte Lösung für den schnellen Erstkontakt. Das ist auf dem mobilen Weg natürlich noch wichtiger, denn das Verfassen eines Anschreibens ist auf dem Smartphone eher mühsam. Das Prinzip der Direktbewerbung ist einfach: Der Personaler stellt dem Bewerber fünf Fragen zur Vorauswahl, anhand derer er die Kandidaten noch vor dem Austausch von Lebensläufen oder nichtssagenden Anschreiben selektieren kann. So sinken für den Bewerber die Hemmschwellen der Kontaktaufnahme und Unternehmen und Bewerber finden schneller zusammen. In unserer Mobile Recruiting Studie 2017 haben wir herausgefunden, dass sich schon jetzt gerne über zwei Drittel der Fachkräfte mobil bewerben möchten. Das ist leider häufig noch nicht möglich, weil die Unternehmen noch nicht so weit sind. meinestadt.de unterstützt sie hierbei.

 

Inwieweit ist das Produkt auf die Fachkräfte mit Berufsausbildung zugeschnitten?

Für viele nicht-akademische Stellen reichen im ersten Schritt bestimmte Informationen, um zu sehen, ob es für den Kandidaten einen Schritt weitergeht. Für Berufskraftfahrer ist beispielsweise entscheidend, ob sie einen Führerschein der entsprechenden Klasse besitzen, wie viel Arbeitserfahrung sie haben und in welchem Einsatzgebiet sie arbeiten möchten. Personaler sollten hinterfragen, ob für die jeweilige Position im ersten Schritt eine klassische Bewerbung mit Anschreiben, Lebenslauf und Zeugnissen notwendig ist. Ebenfalls sollten Personaler in Betracht ziehen, dass Akademiker wahrscheinlich grundsätzlich eine höhere Affinität zum Schreiben haben als Nicht-Akademiker und dass das Smartphone in vielen Haushalten Computer, Textverarbeitungsprogramme und Drucker ersetzt hat.

 

Welche weiteren Felder decken Sie mit Ihrem Angebot ab?

Wir kümmern uns nicht nur um die Fachkräfte, sondern auch um die Nachwuchskräfte. Im letzten Jahr blieben 43.500 Ausbildungsplätze unbesetzt, so dass anschließend Fachkräfte in den Berufen fehlen. Es ist wichtig, Menschen wieder für die Berufsausbildung zu begeistern. Dazu muss beispielsweise das Image der Ausbildung gestärkt werden. Aber es geht auch darum, die Sprache der Jugendlichen zu sprechen und diese auf den Kanälen zu erreichen, auf denen sie unterwegs sind – und das ist bei Jugendlichen ganz klar das Smartphone.

 

Wie sieht Ihr Angebot in dem Bereich aus?

Wir haben die App TalentHero entwickelt, mit der Jugendliche sich innerhalb von 10 Minuten vollständig mobil bewerben können. Der Orientierungscheck zeigt den Jugendlichen auf eine spielerische Art und Weise, welche Ausbildungsberufe es in ihren Interessensgebieten gibt. Anschließend werden offene Ausbildungsplätze in ihrer Umgebung angezeigt. Für die Bewerbung geben die Jugendlichen ihre Daten ein und fassen ihre Motivation in einem kurzen Text zusammen. Mit Hilfe eines Scanners können sie ihre Zeugnisse abfotografieren und somit eine qualitativ hochwertige Bewerbung abschicken. Das Konzept funktioniert: Seit dem Launch vor einem Jahr haben bereits ein Drittel aller Ausbildungssuchenden in Deutschland bei TalentHero nach Lehrstellen gesucht.

 

Traditionell spielt die Regionalität eine wichtige Rolle bei meinestadt.de. Wie bedeutungsvoll sind regionale Arbeitsmärkte für Fachkräfte mit Berufsausbildung?

Die Mobilität ist schon unter Akademikern nicht besonders groß, unter Fachkräften mit Berufsausbildung ist sie noch einmal deutlich geringer – sie suchen in ihrer Umgebung nach einem Job. Die Fleischerei-Fachverkäuferin oder der Malermeister zieht nicht von Köln nach Berlin – es sei denn private Gründe motivieren sie dazu. Eine Befragung unter 42.000 Fachkräften hat ergeben, dass 89 Prozent im Umkreis von 30 km nach einem Job suchen. Bei meinestadt.de können Stellenanzeigen in einem bestimmten Umkreis ausgespielt werden – der regionale Fokus von meinestadt.de verbindet Unternehmen und Jobsuchende somit in allen 11.000 Städten und Gemeinden Deutschlands. Unternehmen sollten bedenken, dass Fachkräfte in immer mehr Mangelberufen heute die Wahl haben – auch vor der eigenen Haustür.

Vielen Dank, Herr Mathies, für dieses Gespräch.

 

 

 

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