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Meine Vision: Keine Vision

Von Bewerberberater Gerhard Winkler, jova-nova.com

„Guten Tag Herr Winkler, XY hat mir empfohlen, meine beruflichen Ziele und Visionen zu konkretisieren. Diese solle man im persönlichen Gespräch dann darlegen. Ich habe Ziele und Visionen bereits entwickelt. Könnte der (vor)letzte Satz meines Anschreibens darauf verweisen? Zum Beispiel so: „Sehr gerne würde ich Ihnen meine beruflichen Ziele und meine Vision für… im persönlichen Gespräch noch konkreter vorstellen… „

Gerhard Winkler
Gerhard Winkler, Bewerberratgeber, www.jova-nova.com

– In einem Anschreiben würde ich das Thema «eigene berufliche Ziele» nur dann aufgreifen und dann aber auch ganz konkret den Beweis führen, wenn die anvisierte Position oder Aufgabe schlüssig als mein nächstes Karriereziel darstellbar ist. Mit anderen Worten, ich würde mich (im Anschreiben) sehr davor hüten, darauf zu verweisen, dass ich ein Interview gern dafür nutzen würde, um über meine Karriereplanung zu referieren.

Erstens dreht sich ein Interview sowieso in erster Linie um den Job. Der Arbeitgeber will eine Beschäftigung bei ihm nicht als Lösung Ihrer Karriereprobleme sehen.

Zweitens ruft das früh und oft vorgebrachte Beteuern, dass der Job aus diesem und jenem Karrieregrund besonders zu einem passe, praktisch immer das Misstrauen des Arbeitgebers hervor. (Er hat dafür viele gute Gründe.)

Auch der Begriff «Vision» löst bei erfahrenen Arbeitgebern eher starke Abwehrreaktionen aus. Wenn Sie davon im Zusammenhang mit einer Jobaufgabe sprechen, markieren Sie, dass Sie sehr allgemeine, sehr löbliche und nicht näher spezifizierte Ziele in einer ungefähren Zukunft ausmachen können. Diese Art von Marketingtalk, der als Heilsversprechen daher kommt, werten nicht nur empfindliche Visions-Allergiker als die zeitgeistige Ersatzreligion von Menschen, die an gar nichts mehr glauben.

Jobaufgaben sind konkret und wenn Sie sich – im Laufe eines Jobinterviews – soweit in einen Job hineingefunden haben, dass Sie konkrete Vorschläge zum Auf- oder Ausbau, zur Lösung oder Entwicklung einer Sache machen können, dann tun Sie das nicht visionär, sondern unter fachfraulicher Abschätzung des zeitlichen Bedarfs.

Also: Es ist wichtig, den eigenen Werdegang zu reflektieren, sich selbst in eine berufliche Zukunft zu projizieren, die eigenen beruflichen Chancen abzuwägen, den eigenen Weg für sich durchaus auch als Vision auszuleuchten. Visionen im geschäftlichen Zusammenhang formulieren Sie nur, wenn man Sie dafür teuer bezahlt oder wenn man Sie dazu explizit auffordert, zum Beispiel, um im Laufe eines Interviews zu testen, ob Sie das Wesen des Geschäfts verstanden haben. Die Vision ist die Zigarre nach dem Digestif nach dem Nachtisch nach dem Hauptgang nach der Vorspeise nach der amuse gueule. Nichts gegen die kunstvolle Produktion von Rauchkringeln – aber erst, nachdem man Ihnen das Zündhölzchen reicht.

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