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Indeed.com: Die neuen Herren streben Marktdominanz an

Von Gerhard Kenk, Crosswater Job Guide

„We hope to become the world’s top human resources service provider in 2020“

Nach der strategischen Übernahme der Jobsuchmaschine Indeed.com durch den japanischen Konzern Recruit Holdings Ltd. haben die neuen Herren aus Japan konsequent und zielführend weiterführenden Maßnahmen umgesetzt, um ihre Wettbewerbsposition im weltweiten Recruiting-Markt auszubauen. Der neue, internationale TV-Spot „How the World works“ fand auch auf den deutschen TV-Stationen eine hohe Resonanz- und vermutlich gelegentliches Zähneknirschen bei den Wettbewerbern. Denn mit dem TV-Spot wurde auch der Anspruch verkündet, mit über 16 Millionen Jobangeboten zu den Top Job Portalen zu gehören („Indeed is the #1 job site in the world ).

JHow the World works
How the World works

 

Paul D’Arcy, Senior Vice President Marketing bei Indeed.com erläuterte die Zielsetzung der Fernsehwerbung so:

Paul D'Arcy
Paul D’Arcy, Senior Vice President Marketing, Indeed.com

“Indeed has a simple purpose, to help people find jobs.

 

While we’ve seen more than two million people share stories of their success using Indeed, there are still people in the US who aren’t aware of Indeed.

 

With this campaign, we are committing to connect even more job seekers with employers. The more people that know about us, the more people that we can help to find jobs.”

 

Seit der Übernahme durch Recruit Holdings Ltd. hat Indeed.com konsequente Maßnahmen eingeleitet, um mit dieser strategischen Investition die Geschäftsaktivitäten zu internationalisieren.

  • Recruit Holdings Ltd. CEO  Masumi Minegishi hat nach der erfolgreichen Kapitalerhöhung angekündigt, bis zu 850 Millionen US-Dollar in die Akquisition von HR-Unternehmen weltweit zu investieren
  • International verstärkt Indeed.com seine lokale Präsenz in Amsterdam, Dublin, Düsseldorf, Hyderabad, London, Paris, Sydney, Tokyo und Toronto und setzt dabei konsequent auf lokales Management
  • Das Deutschland-Geschäft wird von Frank Hensgens geleitet, einem Veteran des Online-Recruiting-Geschäfts und ehemaligen Vorstandsmitglied von Stepstone
  • Neben dem klassischen Geschäft des Online-Recruiting mit Stellenanzeigen, Lebensläufen usw. priorisiert Indeed vor allem die Steigerung der Reichweite, Mobile Recruiting und die Erleichterung der Mobile Bewerbung mit Brücken-Technologien wie MoBolt

Dem Wettbewerb schlägt die Stunde

Recruit Holdings Präsident Masumi Minegishi präsentiert sich anlässlich der Erst-Notierung der Aktie an der Tokyo Stock Exchange mit dem Glockenschlag in einer eher kapitalistisch-traditionellen Zeremonie, doch dann hallen seine Worte über Recruit Holdings Ziele und deren Auswirkungen auf den Wettbewerb in den Ohren:

„The company’s growth strategy is now focused on overseas expansion, where it hopes to capitalize on its expertise and enhance its information technology acumen, President Masumi Minegishi said. Japan’s largest staffing company plans to use the roughly 100 billion yen it raised from its listing and borrow even more to buy foreign rivals. We hope to become the world’s top human resources service provider in 2020 and the top marketing company by 2030.“ (Quelle: Nikkei.com)

 

Whom the bell tolls
Wem die Stunde schlägt

 

Unter kritischer Beobachtung

Entgegen aller Erfolgsmeldungen aus Indeeds Headquarter in Austin (Texas) sind zwei Beobachter der US-Jobsite-Branche nicht uneingeschränkt überzeugt.

Job Board Consultant Jeff Dickey-Chasins betreibt die Webseite Jobboarddoctor.com und beobachtet den US-Markt der Jobsites. Er vertritt die Auffassung, dass sich die Branche der Online-Jobbörsen stark verändert, wobei die Generalisten wie Monster oder CareerBuilder ihr Produktportfolio ausgeweitet haben jenseits der klassischen Postings von Stellenanzeigen und Lebenslauf-Suche. Insbesondere CareerBuilder, so Dickey-Chasins weiter, vollzieht einen ziemlich großen Wandel in Richtung eines HR-Dienstleister „von der Wiege bis zur Bahre“.

Jedoch hat sich Indeed.com nicht wesentlich von ihrem ursprünglichen Geschäftsmodell als Jobsuchmaschine weiter entwickelt. Der größte Anteil der Umsätze käme von Pay-per-Click-Werbung. Aus Sicht eines Jobsuchenden, so Chasins, ist Indeed.com irgendwie ein eindimensionales Produkt.

Jeff Dickey-Chasins (rechts) und Gerhard Kenk (links) beim Branchenplausch in London
„Job Board Doctor“ Jeff Dickey-Chasins (rechts) und Gerhard Kenk (links) beim Erfahrungsaustausch in London

 

John Zappe kommt in seinem Artikel in ERE.net zu einer eher kritischen Einschätzung von Indeed.com:  Indeed hat in der Tat eine Menge Wettbewerber. Es gibt mindestens zwei Dutzend andere Jobsuchmaschinen (Job aggregators), einschließlich SimplyHired, der wichtigste Wettbewerber in dieser Kategorie. In den letzten zwei Jahren haben Monster und LinkedIn damit begonnen, ebenfalls Jobsuchmaschinen einzusetzen. Damit soll der Wettbewerb weiter intensiviert werden und damit die Transformation einer Stellenanzeige als eine Commodity, ein standardisiertes, austauschbares  Produkt beschleunigen.

Zappe konstatierte den starken Umsatzzuwachs von Indeed.com und betonte, dass das Unternehmen seinen Umsatz mit jetzt US-$386 Millionen nahezu verdoppelt habe und so in eine ähnliche Umsatz-Liga wie Wettbewerber CareerBuilder, Monster, LinkedIn oder Dice aufgestiegen ist.

Von Jobsuche zur Jobentdeckung

Karriereportale rüsten auf

Es ist für Branchenexperten längst kein Geheimnis, dass Karriereportale längst die Motorhauben ihrer „Engines“ hochgeklappt haben und kräftig an der Search Technology schrauben. Monster hat solche Schritte in ihrem von Sal Iannuzzi angekündigten Strategie-Wandel explizit hervorgehoben, SimplyHired investiert und das deutsche Businesskontaktnetzwerk XING hat auch die Zeiten der Zeit erkannt und durch die Übernahme von iCjobs.de bzw. Jobbörse.com mit über 6 Millionen Euro investiert.

Torsten Heissler: Vertragsunterzeichnung bei Xing
Jobbörse.com-Gründer Torsten Heissler: Vertragsunterzeichnung bei Xing

 

Die Diskussion über die Investitionspläne der Karriereportale in Search Technology überlagert allerdings die Tatsache, dass in dieser Hinsicht einige Jobsuchmaschinen längst über eine solche ausgefeilte Jobsearch-Technologie verfügen und ihren Vorsprung aktiv nutzen. Indeed.com expandiert international und fokussiert sich auf Mobile Recruiting und Mobile Bewerbung und mausert sich zum „Hidden Champion“ der Reichweite. Platzhirsch Kimeta nimmt in Deutschland eine führende Position hinsichtlich Reichweite und Anzahl publizierter Stellenanzeigen ein und expandiert mit „White Label“ Lösungen in regionalen und vertikalen Recruiting-Segmenten.

Reichweite als kritische Online-Währung

Es ist ein einfaches Zahlenspiel: Wer als Arbeitgeber Stellenanzeigen publiziert, benötigt eine gewisse Reichweite, damit Jobsuchende die Stellenanzeige finden, lesen und zur Bewerbung motiviert werden. Je mehr Clicks, desto mehr potentielle Bewerber – so das Credo der Online-Marketeers im Recruiting. Vor diesem Hintergrund ist ein Blick auf den Reichweitenvergleich besonders wichtig.

US-Jobboards im Reichweitenvergleich

Jobboard Estimated Visits
(in Mio.)
Bounce Rate (%)
Indeed.com 135 37,9
Monster.com 22,2 49,46
CareerBuilder.com 16,8 42,46
SimpyHired.com 7,8 52,25
Dice.com 4,7 43,56

(Quelle: SimilarWeb.com)

 

chart_SimilarWeb_Reichweitenvergleich_US_Jobboards_2015_05_17

 

Bei der Reichweitenanalyse ist die Zusammensetzung bzw. die Herkunft der Clicks wichtig. Die Struktur der Reichweite wird in den nachfolgenden Diagrammen für Indeed.com bzw. Monster dargestellt.

 

 

Umsatzvergleiche – der gordische Knoten

Das Finanzreporting der Karriereportale macht es eigentlich nicht leicht, Umsatzanalysen auf methodisch fundierter Basis durchzuführen. Nicht alle Karriereportale sind börsennotiert, viele gehören zu Verlagsgruppen (z.B. CareerBuilder, StepStone, Hotelcareer, Stellenanzeigen.de, Kimeta.de, Jobware.de) und sind als Tochtergesellschaft nicht berichtspflichtig. Ebenfalls stellt die Vergleichbarkeit bei international tätigen Karriereportalen eine besondere Herausforderung dar, weil Umsatzergebnisse in der Regel nicht auf Länder-Ebene, sondern pauschaliert nach „Internationalen Regionen“ dargestellt werden.

Eine Ausnahme ist das Finanzreporting von Monster Worldwide. Zwar können diese Ergebnisse ebenfalls nicht detailliert auf Länderbasis verglichen werden, doch ein Blick auf die Umsatzmargen im Heimatmarkt USA und in den internationalen Märkten offenbart eine grundlegende strukturelle Problematik.

Monster Worldwide erzielte in den zurückliegenden 17 Quartalen seit 2011 eine relativ stabile Umsatzmarge im US-Heimatmarkt und erzielte im 4. Quartal 2014 eine bemerkenswerte Marge von über 24 Prozent. Die Ergebnisse werden jedoch durch stark schwankende und mehrheitlich negative Umsatzmargen im internationalen Bereich beeinflusst. Sicherlich unterliegen die erzielten Umsatzmargen pro Land spezifischen regionalen Einflüssen. Zwei grundlegende Entwicklungen sind jedoch zu konstatieren. Erstens handelt es sich um die inkonsistente Akquise-Politik bei der Ausweitung des internationalen Geschäfts, insbesondere in Südost-Asien. Dabei wurden in der Vergangenheit neue Karriereportale zu stolzen Marktpreisen übernommen und nach einer Phase der „Ernüchterung“ wurden sie wieder verkauft.

Monster Worldwide
(Quelle: Monster Worldwide, Grafik: Crosswater Job Guide)

 

Ein wichtiges Strukturproblem der internationalen Expansion von Karriereportalen liegt in der regionalen Differenzierung des Marktes. Im Gegensatz zu anderen internationalen Märkten, wie z.B. bei Wertpapierbörsen, Automobilherstellern, Flugzeugherstellern oder Telefon-Anbietern zeigt sich, dass die Arbeitsmärkte und damit das Recruiting-Geschäft enorme landesspezifische Unterschiede aufweisen. Ausbildung, Qualifikation, Bildungswesen, gesetzlich vorgeschriebene Arbeitsbedingungen und fehlende Standardisierungen tragen dazu bei, dass ein „Roll-Out“ moderner HR-Technologie mit enormen und zeitverzögernden Aufwendungen verbunden ist.

Entwicklung der Börsenkurse im Vergleich

Es ist eine Tatsache, dass nicht alle Karriereportale börsennotiert sind und sich so einem Urteil der Aktionäre und der Finanzmärkte entziehen. Das nachstehende Diagramm zeigt den Aktienkursvergleich von Recruit Holdings / Indeed.com (dunkelblaue Kurve) sowie Monster Worldwide (grün) und DHI Holding / Dice an. Im Dreijahresverlauf haben die Aktienkurse von DHI Holding und Monster Worldwide sich negativ entwickelt. Die Aktienkurse von Recruit Holdings / Indeed.com zeigen eine gute prozentuale Steigerung auf, dieser Verlauf beschränkt sich jedoch auf den relativ kurzen Zeitraum seit der Börsennotierung im Oktober 2014.

 

Aktienkursvergleich 3 Jahre: Recruit Holdings / Indeed = dunkelblau, DHI Holding/Dice=rot, Monster Worldwide=grün
Aktienkursvergleich 3 Jahre: Recruit Holdings / Indeed = dunkelblau, DHI Holding/Dice=rot, Monster Worldwide=grün

 

HR-Technologie: Rasende Vielfalt trifft auf Beharrungsinseln

Eva-Maria Schmidt brachte es in ihrem Artikel im HORIZONT 17/2015 vom 23. April 2015 treffend auf den Punkt:

„Multioptionslähmung dürfte eine Beschwerde sein, die Recruiter häufiger heimsucht. Denn im dynamischen Markt der Stellenbörsen sind allein in Deutschland mehr als 1700 Websites zu finden. Über 60 Jobsuchmaschinen veröffentlichen die Stellenanzeigen anderer Jobbörsen und Karriereseiten. Ein steter Strom an Neuerungen von der optimierten Matching-Technologie über Tools zur Unterstützung bei Social Recruiting bis hin zur jüngsten App sowie die Verschmelzung einzelner Jobbörsen verlangt nach ebenso steter Weiterbildung der HR-Spezialisten“.

Die Dynamik des Recruiting-Markts wird einerseits durch den Technologiefortschritt getrieben, verstärkt wird die Vielfalt durch den grundlegenden Trend zur Fraktalisierung (Zellteilung) und Fragmentierung. Hinzu kommt, dass sich die zuvor klar getrennten Geschäfts- und Funktionsmodelle der Karriereportale zusehends aufweichen und einander annähern. Diese treibenden Kräfte treffen jedoch auf „Beharrungsinseln“ (Paul Virilio) – so mutiert der Technologie-Fortschritt zu einem unregelmäßigen, asynchronen Entwicklungsprozess. Gründe hierfür sind vielfältig: Landesspezifische, regionale, sprachliche und gesetzliche Unterschiede, differenzierte Akzeptanz von Technologie-Neuerungen oder unterschiedliche Return-on-Investment-Bedingungen die durch Firmengrößen oder marginale Transaktionsmengengerüste bedingt sind.

Weiterführende Links

The Making of “How Commercials Work” | Indeed U.S.

SimplyHired: http://techcrunch.com/2014/07/01/simply-hired-funding/

Indeed.com’s Owner Wants to Dominate By 2020

Rasende Vielfalt Jobbörsen: Zahlreiche neue Angebote und Veränderungen fordern die Recruiter

Mobile Recruiting: Mit Tempo 180 in die Warteschlange

 

 

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