Fachkräftemangel im Mahlstrom des Demografiewandels
Recruiting Trends 2012 zeigen Entwicklungen und Chancen auf
von Gerhard Kenk
Als Bernd Kraft, Geschäftsführer von Monster Deutschland, die Jubiläumsveranstaltung anlässlich der 10. Veröffentlichung der Studie „recruiting trends“ eröffnete, konnte er zu Recht stolz sein auf die langjährige und erfolgreiche Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Tim Weitzel und seinem Team vom Centre of Human Resources Information Systems (CHRIS) an den Universitäten Bamberg und Frankfurt / Main.
Diese Studie, basierend auf Befragungen der 1.000 größten Unternehmen aus Deutschland zur Gestaltung ihrer Personalbeschaffung, gilt nach wie vor als die wichtigste Referenz-Studie, wenn es um empirisch-basierte Aussagen zu Trends im Internet-basierten Recruiting geht. „Hohe wissenschaftliche Güte und neutrale Aussagekraft der Studie decken Trends auf und vermitteln Impulse“ umschrieb Kraft zusammenfassend den Nutzen dieser Studie.
Parallel zu den grundlegenden Trends im e-Recruiting hat sich auch das weltweit tätige Karriereportal Monster die Möglichkeiten der Web-basierten IT Technologie genutzt und Produkte und Funktionen entwickelt, die für das Recruiting aus Sicht der Arbeitgeber und der Stellensuchenden wichtig sind. Zusätzlich entwickelte Monster mit „BeKnown“ eine Business-Netzwerk-Alternative, die auch seit kurzem auf Facebook integriert ist. Mit „6Sense“ soll die Suche in den Lebenslaufdatenbanken effektiver gestaltet werden können, Monster will diese neue Suchtechnologie auch auf die Jobsuche ausweiten.
Kraftfeld Demografie und Fachkräftemangel
Tim Weitzel brachte die wirklich wichtigen Trends bei der Personalbeschaffung auf den Punkt: „Das grosse Kraftfeld hinter diesen Recruiting Trends ist die Demografie und der Fachkräftemangel. Die demografische Alters-Pyramide wird zum Alters-Döner. Arbeitgeber sehen sich zusehends mit der Herausforderung konfrontiert, daß der für viele Segmente des Arbeitsmarkts zu beobachtende Fachkräftemangel zu einem zum Unternehmenswettbewerb um geeignete Kandidaten führt. Besetzbarkeitsprobleme entpuppen sich als krisenresistenter Trend:
- 40% der Vakanzen sind nur schwer besetzbar,
- 5% der Vakanzen sind überhaupt nicht besetzbar
In Zukunft wird es noch schwerer, qualifiziertes Personal zu finden. Abwarten ist keine Alternative – auch den Ausweg über höhere Einstellungsgehälter hält Weitzel für nicht zielführend. Erstens werden dadurch keine zusätzlichen Frachkräfte dem Arbeitsmarkt zugeführt und zweitens wird das durchschnittliche Gehaltsniveau erhöht, bei nach wie vor offenen Vakanzen. Kritisch sieht Weitzel bereits jetzt den Fachkräftemangel in der Forschung und Entwicklung sowie im Segment der Informations-Technologie – diese Besetzungsprobleme seine schlicht nicht lösbar.
Der Fortschritt der Informations-Technologie, insbesondere im Internet-basierten Bereich, gilt als treibende Kraft für die Veränderungsprozesse in der Personalbeschaffung. Als ab 1995 die ersten Karrierportale ihren Betrieb im WWW aufnahmen, galt es in erster Linie, der Dominanz der Print-Medien eine wirtschaftlichere und effizientere Alternative bei der Publikation von Stellenanzeigen bereit zu stellen. Heute sind Internet-basierte Jobbörsen unverzichtbar geworden. Die elektronische Bewerbung per E-Mail oder per Online-Formular-Erfassung ersetzt die klassische Bewerbungsmappe. Für Recruiter gilt es, sich intensiv mit den nicht mehr ganz neuen Methoden auseinanderzusetzten und dabei einen höheren Grad an Professionalisierung bei der Standardisierung der Personalbeschaffungsprozesse als auch beim Einsatz von modernen Bewerber-Management-Systeme anzustreben.
Pralle Portemonnaies
Welchen strategischen Stellenwert die Software-Lieferanten von integrierten HR-Software-Paketen bzw. Talent Management Systeme mittlerweile genießen, zeigen die jüngsten Übernahmen, die von den Software-Giganten Oracle und SAP initiiert wurden. So berichtete Reuters: „Im Wettstreit um den Wachstumsmarkt Cloud-Computing zeigt der US-Softwareriese Oracle mit einer weiteren milliardenschweren Übernahme seinem Erzrivalen SAP die Zähne. Oracle kauft nach eigenen Angaben vom Donnerstag für 1,9 Milliarden Dollar das Unternehmen Taleo, das internetbasierte Software zur Personalbeschaffung produziert. Vor zwei Monaten erst hatte SAP den Kauf der auf Personalmanagement-Software spezialisierten SuccessFactors für 2,5 Milliarden Euro angekündigt.“
Wo tummeln sich die Wunschkandidaten?
Nach wie vor steht die Zielgruppenorientierung bei der sinnvollen Suche nach knappen Fachkräften im Vordergrund der Personalbeschaffung: Das Employer Branding der Arbeitgeber muss an jenen Orten präsentiert werden, wo sich die Bewerber im Web tummeln. Ergänzend hierzu dient Netzwerkrekrutierung dazu, die gewünschte Zielgruppe in den jeweiligen beruflich-professionellen oder privat-orientierten Netzwerken zu erreichen. Social Media spielen für die Zielgruppenorientierung eine immer bedeutendere Rolle.
Vor dem Trend ist nach dem Trend
Die Weiterentwicklung des Recruiting verläuft nicht in präzise planbaren Schritten. Erhebliche Unterschiede im Entwicklungsstand erkennt Tim Weitzel in den einzelnen Ländern. So hat Weitzel den Eindruck gewonnen, dass die USA die in Deutschland gegenwärtigen Recruiting-Trends ungefähr 10 Jahre vorweg nehmen und auch in Großbritannien dürfte die Praxis des Recruiting um einige Jahre weiter entwickelt sein als in Deutschland. Dies und mehr erläutert Weitzel in einem Exklusiv-Interview mit Wolfgang Brickwedde, Institute for Competitive Recruiting. Sehen Sie das Video hier:
http://www.competitiverecruiting.de/ExklusivVideomitTimWeitzelzu10JahrenOnlinerecruiting.html
Die „Recruiting Trends“ im Profil
Diese langfristigen Trends und Entwicklungen in der Gestaltung der Personalbeschaffung in den deutschen Großunternehmen verfolgt die Langzeitstudie „Recruiting Trends“ seit 2002. Sie wird vom Centre of Human Resources Information Systems (CHRIS) der Universitäten Bamberg und Frankfurt am Main in Zusammenarbeit mit der Monster Worldwide Deutschland GmbH durchgeführt. Dafür werden jährlich die 1.000 größten Unternehmen aus Deutschland zur Gestaltung ihrer Personalbeschaffung, befragt. Zudem zeigen Fallstudien zu einzelnen Unternehmen, wie Personalbeschaffung effektiv und effizient gestaltet werden kann. Die bislang 10 Ausgaben der jährlichen Studienreihe umfassen insgesamt 1.757 ausgewertete Fragebögen und 47 Fallstudien aus deutschen Großunternehmen. Damit entsteht ein präzises Bild der Transformation der Personalbeschaffung in deutschen Großunternehmen. Die nachfolgenden Kapitel schlagen den Bogen über ein ganzes Jahrzehnt. Seit der ersten Studie im Jahr 2002 hat sich viel verändert. Geblieben sind jedoch die grundlegenden Herausforderungen – effektive und effiziente Personalbeschaffung, getrieben durch technischen Fortschritt, Wandel der Kommunikationsgewohnheiten und Kandidatenknappheit. Diese Herausforderungen spiegeln sich in verschiedenen Themengebieten wider, die den Übergang von Recruiting zu E-Recruiting markieren.
1 Comment
Danke für den Bericht. Mir scheint nicht klar wieso die USA oder Grossbritanien die Recruiting Trends vorwegnehmen. In welcher Hinsicht? Verbreitung von Social Media? Klar, ethliche der Top-Universitäten sind in den USA. Auch die Förderung von Entrepreneurship und Intrapreneurship ist ziemlich entscheidend. Weiss da jemand mehr?