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10 Jahre Recruiting Convent: Das schnellste Unternehmen bekommt die besten Mitarbeiter

Christoph Beck
Christoph Beck

Das 10jährige Jubiläum des Recruiting Convents zeigt auf, wo Arbeitgeber in Personalmarketing und Recruiting Handlungsbedarf haben. Gleichzeitig empfiehlt Prof. Dr. Christoph Beck, der Initiator dieses HR-Konferenz-Klassikers, wie sich HR angesichts der Dauerkritik endlich positionieren sollte.

 

Crosswater: Der Recruiting Convent geht in das 10. Jahr – ein stolzes Jubiläum in dieser schnelllebigen Zeit. Welches waren rückblickend gesehen die wichtigsten Trends und Entwicklungen?

Beck: Der erste Recruiting Convent 2006 war noch im Wesentlichen durch operative Frage- und Themenstellungen geprägt, was für die Zeit auch absolut o.k. war. In den Folgejahren –bis heute- kamen zunehmend strategische Themen hinzu und es ist mittlerweile ein Wechselspiel geworden. Die wichtigsten Trends und Entwicklungen waren sicherlich die (Neu-)Entdeckung des Employer Brandings, der Aufstieg und damit der Einzug von Social Media ins Personalmarketing sowie das weder heute noch künftig zu unterschätzende Thema „Mobile“. Hinzu kam eine zunehmende Auseinandersetzung mit der Zielgruppe (GenY und GenZ), die ungebrochenen Anstrengungen zu mehr Authentizität und der sukzessive hohe Einsatz von Bildern und Videos bis hin zum heutigen VR.

Vorbild Polizei: Mobile Recruiting in Düsseldorf
Vorbild Polizei: Mobile Recruiting in Düsseldorf

 

Crosswater: Wie hat sich das Recruiting und Personalmarketing in den letzten 10 Jahren verbessert und verändert?

Beck: Es hat sich insofern verbessert, dass zunehmend die Zielgruppe und deren Bedürfnisse in den Vordergrund gestellt wurden und werden. Man versucht heute viel mehr aus Sicht der Zielgruppe zu denken, d.h. Funktionen, Content, Prozesse etc. daraufhin auszurichten bzw. zu berücksichtigen – und das ist gut so. Verbessert haben sich aber auch die Möglichkeiten des Personalmarketing, wenn man nur im Vergleich zu vor 10 Jahren sich die Plattformvielfalt betrachtet. Auch verbessert haben sich in vielen Unternehmen die Rahmenbedingungen wie die Ressourcenausstattung (für das Personalmarketing und Recruiting). Die wesentliche Veränderung sehe ich in der grundsätzlichen Haltung von Personalmarketing und Recruiting. Zum einen die zunehmende Einsicht von Vorständen und Geschäftsleitungen über die Notwendigkeit eines professionellen Personalmarketing und Recruiting und zum anderen der Change vom reaktiven zum (hoffentlich) proaktiven Personalmarketer und Recruiter.

 

Crosswater: In welchen Bereichen herrscht nach wie vor Nachholbedarf?

Beck: Nachholbedarf für wen? Gerade in den letzten Jahren wird zunehmend deutlich, dass die Unternehmen im Personalmarketing und Recruiting aus den verschiedensten Gründen sich auf unterschiedlichen Entwicklungsstufen bewegen. D.h. wir finden auch heute noch nicht wenige Unternehmen, die noch am Anfang eines modernen Personalmarketing und Recruiting stehen, während andere Unternehmen immer Neues ausprobieren und bei der Technik, den Instrumenten oder den Prozessen ganz weit vorne sind.

Nachholbedarf für was? Hier sehe ich zum einen den Nachholbedarf zu mehr „Mut“ im Personalmarketing und Recruiting, d.h. auch einmal für das jeweilige Unternehmen untypische oder neue Wege zu gehen oder Techniken zu beschreiten mit der Gefahr, dass es halt mal nicht funktioniert. Und weiteren Nachholbedarf sehe ich darin, den zunehmenden Spagat zwischen Online- und Offline besser zu gestalten. Stand heute wird Online gesucht und online informiert, aber überzeugt wird zunehmend an den Offline-Touchpoints.

Crosswater: Das Selbstverständnis von HR unterliegt seit geraumer Zeit einer Nagelprobe: die Akzeptanz und der Mehrwert muss ständig argumentiert und vielleicht auch nachgewiesen werden. Woran liegt das, gibt es ein Patentrezept?

Beck: Die Diskussion um das Selbstverständnis von HR ist seit Jahren sehr mühselig und in meinen Augen auch nicht zielführend. Wer akzeptiert, und daran zweifeln selbst Finanzvorstände nicht mehr, dass die Human Ressource der wichtigste Erfolgsfaktor im Unternehmen ist, der sollte die wichtigste Ressource auch professionell managen. Und dann wären wir wieder beim Human Resource Management. Man kann sich gerne über das WIE unterhalten, aber nicht darüber, ob wir HR künftig brauchen oder nicht. Ich kenne diese Diskussion auch nur aus dem HR-Bereich, weder Einkauf noch Controlling stellen ihre Existenz und Notwendigkeit in Frage. Patentrezept: Nein, das fällt mir auch nicht ein. Aber vielleicht wäre es ein Anfang, wenn wir Personaler uns nicht selbst immer in Frage stellen, sondern uns mehr mit dem WIE? beschäftigen.

 

Crosswater: Im Verlauf des letzten Jahrzehnts hat sich die durchschnittliche Besetzungsdauer lt. Statistiken des IAB eher verschlechtert als verbessert – und das trotz zunehmender Digitalisierung. Was muss sich ändern, dass in dieser wichtigen Messzahl Verbesserungen einstellen?

 

Beck: Zum einen darf durchaus auch einmal gesagt werden, dass eine Durchschnittszahl einen mehr als begrenzten Aussagewert hat. Die durchschnittliche Besetzungsdauer bildet positiv formuliert einen „groben“ Anhalt. Wenn ich die Besetzungsdauer von Ärzten und hier nach Fachrichtungen und Postleitzahlgebieten differenziert bundesweit erhebe, dann habe ich einen Aussagewert. Auf der anderen Seite ist die durchschnittliche Besetzungsdauer nicht unwichtig für das eigene Unternehmen. Um diese zu verbessern gilt es die Prozesse zu optimieren und schnell zu agieren bzw. zu reagieren. Als Richtschnur kann der Satz dienen: „Nicht das beste Unternehmen bekommt die besten Mitarbeiter, sondern das schnellste Unternehmen“. Operativ heißt dies: Keine Kandidaten-Suche oder Anzeigenschaltungen wenn Entscheider im Urlaub sind, den Mut zu haben Bewerber direkt per Telefon zu kontaktieren, unmittelbar nach dem Auswahlverfahren ein Commitment herzustellen, eine Entscheidung herbeizuführen und den Contract zu machen.

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Crosswater: Wohin geht die Reise im Recruiting und Personalmarketing? Gibt es Geheimrezepte oder Notwendigkeiten, die Zukunft aktiv zu gestalten?

 

Beck: Die Reise des Personalmarketing und Recruiting wird auf der einen Seite eine zunehmend  digitale Reise werden, abgestimmt mit einer Reise von unterschiedlicher Offline-Touchpoints und Erlebnissen. Intelligentes Datenmanagement führt u.a. zu besserem Zielgruppenwissen und damit zu mehr Individualisierung in der Ansprache (individualisierte Anzeige, individualisierte Karrierewebsite etc.) oder zu wesentlichen besseren Job-Profilen. Onlinebots werden künftig nicht nur Texte, sondern auch Bilder aus der Arbeitswelt und dem Joballtag etc. den Interessenten zeigen können. Sie werden auch teilweise die Talent- und Bewerber-Kommunikation und -Korrespondenz übernehmen. Und professionelle Matching-Systeme können schon heute 100.000 Bewerbungen mit einem Job-Profil vergleichen und die Bewerber-Vorauswahl komplett übernehmen. Mehr dazu in meinem Vortrag auf dem Recruiting Convent 2017. Auf der anderen Seite gilt es künftig die Offline-Touchpoints mit mehr Erlebniswerten (bspw. in der Ansprache) und vor allem mit größeren Mehrwerten (wie z.B. beim Vorstellungsgespräch) für die Kandidaten zu versehen. Sowie das Thema Influencer-Marketing ernst zu nehmen, und zwar On-, als auch Offline.

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Crosswater: Welche Positionierung des Recruiting Convents verfolgten Sie im Laufe der Jahre – was wird sich in Zukunft ändern?

Beck: Wir glauben, dass die Positionierung des Recruiting Convents recht gut ist, werden aber in den nächsten Jahren sicherlich über andere Formate, mehr Interaktivität und Ähnliches nachdenken. Aber dies werden wir im Sommer machen. Jetzt konzentrieren wir uns auf die Durchführung des diesjährigen Recruiting Convents am 22. und 23. Mai in Bensberg. Informationen und Anmeldung unter: www.recruiting-convent.de

 

Vielen Dank, Herr Dr. Beck für dieses Gespräch.

 

 

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