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HR: Innovation Day und Reformationstag

Von Gerhard Kenk, Crosswater Job Guide

Mir klingeln die Ohren. Jeden Tag. Fast als wäre ich ein Tinnitus-Patient. Eigentlich ist es unvermeidbar, sich dem Hype-Tsunami der Schlagzeilen in den gängigen HR-Medien oder gar den Mainstream-Medien zu entziehen. Arbeiten 4.0, Digitalisierung der HR, Big Data, Diversity oder HR-Innovation prasseln als Schlagworte auf den Leser ein und erheischen sich eine mediale Aufmerksamkeit – von Substanz und Relevanz ist dabei wenig zu sehen. In diesem Mediengewitter stand der HR-Innovation-Day in Leipzig auch, doch durch eine fundierte Auswahl von relevanten Inhalten hat Veranstalter Prof. Dr. Peter M. Wald von der HTWK Leipzig eine hohe Qualität und Relevanz erreicht.

Prof. Dr. Peter M. Wald
Prof. Dr. Peter M. Wald

 

Luthers Thesen und Walds Themen

Der Veranstaltungsort Leipzig stand am 28. Mai ganz sichtbar im Zeichen des Katholikentags – nächstes Jahr wird in Wittenberg und anderen Städten Thüringens das Gedenken an das 500-jährige Jubiläum des Reformationstags gefeiert, als damals Martin Luther seine 95 Thesen an der Schlosskirche in Wittenberg anschlug. Touristen aus aller Welt strömen nach Wittenberg, um diese Thesen-Tafel an der Tür zur Schlosskirche zu bestaunen. Für die HR-Fachwelt sind jedoch Walds Themen durchaus auch eine Reise nach Leipzig zum 5. HR-Innovation-Day wert gewesen.

Luthers Thesen
Luthers Thesen

Für Peter Wald geht es im Gegensatz zu vielen anderen HR-Veranstaltern nicht allein darum, aktuelle und populäre Themen mit Kompetenz-Referenten zu bündeln, er muss jederzeit eine Gratwanderung zwischen HR-Reformation und HR-Innovation machen.

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Walds Themen

Aktuell ist HR-Bashing in Mode und gewinnt in den Medien eine hohe Aufmerksamkeit, insbesondere wenn das Thema durch Studien, wie z.B. von Kienbaum, statistisch unterfüttert ist. Die zahlreichen Berichte über Candidate Experience müssten eigentlich jedem Personalchef die Schamröte ins Gesicht treiben, wenn Einzelheiten der Bewerber-Wertschätzung oder dem Schneckentempo bei der Stellenbesetzung zur Sprache kommen. So hat beispielsweise das IAB (Institut für Arbeitsmarktforschung und Beschäftigung) analysiert, dass die durchschnittliche Besetzungsdauer von 70 Tagen im Jahr 2010 auf 85 Tage im Jahr 2015 angestiegen ist, das Recruiting-Schneckentempo hat sich also um über 21% verlangsamt – und das trotz der vielgepriesenen HR-Digitalisierung (mehr dazu: Das binäre Bewerbungsverfahren – ein Erfolgsgeheimnis aus der Vergangenheit?).

In der akademischen Welt ist Peter Wald eigentlich nicht dem alltäglichen Fron der Personalarbeit verpflichtet, sondern er muss als Professor im Bildungswesen auch Forschung und Lehre vorantreiben. Und damit hat er mit der Veranstaltungsreihe „HR-Innovation Day“ ein ideales Forum geschaffen, um wichtige Neuerungen raus aus den kleinen Seminar-Räumen und rein in die große weite Welt der HR-Innovationen zu bringen. Als Ziel des HR-Innovation-Day 2016 gilt es, Licht in das Dickicht des HR-Dschungels zu bringen. Dabei gilt der hohe Innovationsgrad als wichtige Priorität.

Walds Themen

      • Wer oder was ist dieses Active Sourcing eigentlich wirklich?
      • Möglichkeiten und Grenzen von Ad-hoc-Abstimmungen mit einem modernen Voting-Tool
      • Fragst du noch oder erfährst du schon?
      • Warum wird Recruitment Process Outsourcing (RPO) derzeit so richtig interessant? Wie komme ich zum richtigen Dienstleister?
      • Vom Home-Office zu Co-Working und Co-Creation – Plädoyer für ein neues Miteinander im digitalen Zeitalter
      • Digitally created corporate culture – Heaven or Hell for best practice HRM? Wie viel Virtualität und Digitalisierung erträgt eine gesunde Unternehmenskultur?
      • HR Analytics – Danger or new Perspective for HRM?
      • Vive la différence! HR in Deutschland und Frankreich gestalten
      • Cultural Fit im Recruiting: Überzeugungstäter finden und gewinnen
      • Klare Strukturen in der Vergütung: Wie geht das, was bringt es?
      • Tinder für Jobs – wie das Smartphone auch das Recruiting verändert
      • Vom Recruiting-Event zur Mitarbeiterempfehlung – Innovative Wege zum neuen Mitarbeiter

 

Von Stellenanzeigen zum Active Sourcing

Barbara Braehmer
Barbara Braehmer, Intercessio Personalberatung

In den letzten Jahren hat sich Active Sourcing als eine neue und fortschrittliche Methode zur Kandidatensuche und -Ansprache entwickelt und damit eine Alternative zur Publikation der klassischen Stellenanzeigen geschaffen. Trotz Internet, Dot.com, Web 2.0 und wie die Schlagworte alle heißen haben Jobbörsen seit Mitte der 1990-Jahre die Old-School-Publikation von Print in die digitalen Welt der Jobbörsen mehr oder weniger 1:1 übernommen und Schritt für Schritt weiterentwickelt. Active Sourcing bietet nun eine zusätzliche Alternative, die auf der Auswertung der Nutzerprofile in Social Netzwerken basiert.

Bool'sche Logik
Bool’sche Logik – die vereinfachte Version

Mit Barbara Braehmer stieg frühmorgens um 08:00 Uhr die „Suchmaschinen-Dompteuse“ in die Mange des HR-Innovation-Days und fesselte ihr Publikum mit zahlreichen Beispiel aus der Praxis des Active Sourcing:

      • Semantische Suche ist keine neutrale Suche
      • Ergebnisse müssen immer überprüft und verifiziert werden
      • Es geht darum, die „Digital Body Language“ zu verstehen und nach Datenspuren im Web zu suchen
      • Tools und Methoden sowie Plattformen müssen beim professionellen Sourcing orchestriert werden durch iterative Kombination
      • Der Sourcing Erfolg basiert auf professionellem Social Recruiting
      • Algorithmen der Platform-Betreiber sind lebende Systeme, werden permanent angepasst und aktiv weiterentwickelt
      • Active Sourcer müssen sich ein gutes, ständig aktuelles Know-How aneignen
      • Hochkomplizierte Suchalgorithmen kann man nur gezielt steuern, wenn man das professionell macht

Digitally created corporate culture: Heaven or hell?

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Dr. Sven Sebastian

Dr. Sven Sebastian, Neurologe, Gehirnfroscher und Geschäftsführer der Beratungsfirma Proventika GmbH in Berlin, stellte in seinem lebhaften und teilweise provokativen Vortrag die Verbindung zwischen der zunehmenden Digitalisierung und deren Auswirkungen auf das menschliche Gehirn dar. Wieviel Virtualität und Digitalisierung verträgt eine gesunde Unternehmenskultur? Was braucht das Gehirn um digitalen Lösungen gegenüber aufgeschlossen zu sein?

 

Digitale Welten können die Realität verschieben, wie Dr. Sebastian am Beispiel der Berliner Kult-Event-Lokation Berghain erläuterte. Dort – und nicht nur dort – verändert sich die Stimmungslage im Gehirn und verändert sich. Auch bei der Digitalisierung muß die biologische Uhr des Menschen berücksichtigt werden – in der Geschäftspraxis wirken sich diese besonders bei Video-Konferenzen über mehrere Zeitzonen hinweg aus.

Event-Ankündigung (Foto: Berghain)
Event-Ankündigung (Foto: Berghain)

Die Digitalisierung muss dem Entwicklungswillen des Menschen entsprechen, technisch forciert und im sozio-kulturellen Kontext gestaltet werden.

Was der NASA nützt, kann auch für HR Vorteile bringen

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Tom Haak, Gründer und Geschäftsführer des HR-Trend Institute in Amsterdam, nahm die Zuhörer auf eine Reise zu diversen aktuellen Stationen von HR-Analytics mit.  Er erläuterte aktuelle Beispiele, wie HR-Analytics und Big Data zusammenwirken können, um nützliche Erkenntnisse zu gewinnen. People Analytics in Verbindung mit Big Data ermöglichen die Individualisierung von Zusammenhängen und Erkenntnisgewinnen.

Mit Networks Analytics streifte Haak eine Analyse-Methode, die Beziehungen zwischen Personen darstellt. Weil die Netzwerk-Analyse auch wichtige Erkenntnisse für verschiedene HR-Prozesse vermitteln kann, werden die Hinweise von Haak nachfolgend noch erläutert.

Ein soziales Netzwerk und die Methoden der Netzwerkanalyse erlaubt es, ein Beziehungsgeflecht zwischen Akteuren („Knoten“) und Beziehungen („Kanten“) zu dokumentieren, grafisch aufzubereiten und zu analysieren.

Ein Netzwerk vermittelt die Möglichkeit, Sozialkapital zu verwerten. Damit sind im Sinne von Bourdieu („Die feinen Unterschiede“) die Kenntnisse des Netzwerks und die Beziehungen der Akteure gemeint, um letztlich die Investitionen in den Aufbau eines solchen Netzwerks zu verwerten.

Analyse der LinkedIn-Netzwerkbeziehungen
Analyse der LinkedIn-Netzwerkbeziehungen. Grafik: Gephi

Während die Netzwerk-Analyse von Nachrichten-Organisationen wie die NSA oder von der wissenschaftlichen Forschung in der Soziologie intensiv betrieben werden, sind diese Methoden in HR noch weitgehend ungenutzt. Wer die Arbeit eines Headhunters beobachtet, stellt unweigerlich fest, dass er bei der Suche nach geeigneten Kandidaten sein bestehendes Netzwerk ausnutzt und es auch permanent erweitert. Im Onboarding-Prozess ist die Einarbeitung neuer Mitarbeiter und das Kennenlernen der Unternehmenskultur beschleunigt und diese Lernprozesse sind in einem sozialen Kontext mit anderen Betriebsangehörigen eingebettet.

Individuen, die mit dem gleichen Ziel an gemeinsamen Aktivitäten teilnehmen und eine gemeinsame Identität durch ihre Beteiligung an diesen Praktiken schaffen, bilden eine community of practice. Dort können sich die Mitglieder durch ihre sozialen Relationen Zugang zu nicht-öffentlichen Informationen verschaffen. Andere Mitglieder sind Quellen der Erfahrung, des impliziten Wissens und der Unterstützung. Wenn durch Austausch und Beratung Fehler vermieden werden, lässt sich die Lernkurve verkürzen. Communities of practice integrieren Neulinge durch Lernprozesse in ihre Gruppe und vermitteln schnellen Zugang zu Informationen, neue Einblicke und Erfahrungsaustausch. (2)

Natürlich gibt es bei den unterschiedlichen HR-Veranstaltungen Licht und Schatten. Einige legen mehr Wert auf Entertainment oder Networking, bei anderen Veranstaltungen stehen kompetente Inhalte und qualifizierte Referenten im Vordergrund. Besucher können schnell die Spreu vom Weizen trennen wenn sie sich zwei Fragen stellen:

(1) Was will der Referent verkaufen

(2) Was will der Referent erklären

Der HR-Innovation-Day 2016 in Leipzig hatte eine sehr hohen Anteil an kompetenten und spannenden „Erklärungs-Referenten“.

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Prof. Dr. Wald beim Multitasking: Hören, Sehen, Knipsen, Twittern

Weiterführende Links und Quellen

(1) Pierre Bourdieu: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Paris 1979.

(2) Martina Kenk: Publikations- und Forschungsnetzwerke von Nachwuschwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern in der empirischen Bildungsforschung.In: Soziale Netzwerkanalyse. Theorie, Methoden, Praxis. Sabrina Kulin, Keno Frank, Detlef Fickermann, Knut Schwippert (Hrsg.). Münster 2012.
http://www.zfe-online.de/index.php/de/sonderhefte/117-sonderheft-26-2014-soziale-netzwerkanalyse-in-bildungsforschung-und-bildungspolitik

(3) Leipzig HRM blog http://leipzig-hrm-blog.blogspot.de/

(4) Barbara Braehmer Intercessio Beratung

(4) Dr. Sven Sebastian Proventika GmbH – Institut für angewandte Hirnforschung und Neurowissenschaften

(5) Tom Haak HR Trend Institute

 

 

 

 

 

 

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