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Kann die DSGVO Big Brother Google verhindern?

Big Brother is watching digitizing you

Von Gerhard Kenk, Crosswater Job Guide

Big Brother, Foto: Wikimedia Commens, (c) Frederic Guimont

Während kurz vor dem Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) die digitalen Operateure des Internet wie Lemminge hintereinander her rennen um ja keine noch so irrsinnige Vorschrift der DSGVO zu ignorieren, tauchen auch wieder Konzepte auf die nahelegen, dass man eigentlich Big Brother auf die Finger schauen müsste.

Die Rede ist von Googles „Selfish Ledger“, in dessen Mittelpunkt die Idee steht, alle möglichen Daten von Personen in einem digitalen Tresor abzuspeichern, um dann durch der Vernetzung dieser Informationsbruchstücke Rückschlüsse auf Verhaltensmuster der Personen zu ziehen.

Wer sich jetzt einfach nur die persönliche Registrierung für ein Newsletter-Abonnement mit Name und e-Mail-Adresse oder das Erstellen eines Lebenslaufs mit beruflichem Profil in den Datenbanken von LinkedIn, Xing oder einem Bewerberpool vorstellt, denkt wahrscheinlich zu kurz. Auch die DSGVO erweckt den Anschein dieser Kurzsichtigkeit.

Ganze Generationen von Abiturienten befassen sich mit George Orwells Dystopie 1984 und den Folgen der Staatsüberwachung, die auf das Kürzel „Big Brother is watching you!“ subsumiert wird. Auch die Filmindustrie ist auf diesen fahrenden Zug aufgesprungen und produzierte dystopische Filme wie Metropolis, 1984, Fahrenheit 451, Der Prozeß, Matrix, Rollerball, Blade Runner – die Liste ist ziemlich lang.

Der Facebook-Skandal um Cambridge Analytica lieferte einen Vorgeschmack, wie mit der Vernetzung von Benutzerprofilen politische Kampagnen gesteuert werden können. Die wissenschaftliche Untermauerung dieser Trends liefert die Soziologie mit ihren Methoden der Social Network Analysis, mit deren Hilfe die Merkmale und Beziehungen von Personen analysiert und verglichen werden, um diese Informationen letztlich in einem Cluster erkennbar und visualisierbar zu machen.

Im Recruiting deuten sich gegenläufige Entwicklungen an. Es geht nicht mehr um die Individualisierung des Bewerbers, sondern vielmehr um die Gleichmacherei des „stromlinienförmigen Jobsuchenden“. Während Arbeitgeber die Gleichmacherei ihrer Employer Value Proposition mit der Monotonie der Aussagen zum Employer Branding zur hohen Kunst erhoben haben und dafür zu Recht gescholten werden („Employer Telling„), kommt es auf der Bewerberseite ebenfalls zu einer Gleichmacherei. Bewerber-Training, Lebenslaufgeneratoren, standardisierte Fragen an Recruiter („14 Bewerberfragen – Die besten Antworten“ bei karrierebibel.de). Diese Entwicklung mündet in eine (fiktive) Situation, wie sie von Ex-Personalvorstand Thomas Sattelberger plakativ formuliert wurde: „Pinguine stellen Pinguine ein“. Eine beängstigende Dystopie im Recruiting.

Thomas Sattelberger

Thomas Sattelberger oder die Kommunikationsberater Sascha Theisen und Dr. Manfred Böcker von Employer Telling sind nicht die ersten, die diese Monotonie und den egalitären Club der Recruiter und Bewerber kritisieren. Vielleicht mündet die ganze Entwicklung eines Tages in eine dystopisch anmutende Szene, in der ein Bewerber-Roboter auf einen durch künstliche Intelligenz gesteuerte Recruiter-Roboter im Einstellungs-Interview trifft.

Der US-amerikanische Schriftsteller Kurt Vonnegut (Schlachthof 5) hatte schon in seiner dystopischen Kurzgeschichte „Harrison Bergeron“ (hier können Sie die kurze 6-seitige Geschichte lesen) diese Gleichmacherei beschrieben.

Im Jahr 2053 2081 sind die USA eine egalitäre Gesellschaft im Wortsinn. Der erste Artikel der neuen amerikanischen Verfassung besagt, dass die Menschen nicht gleich sind und es daher die Aufgabe des Staates sei sie so zu machen. Alle Bürger, die von der festgelegten Durchschnittsnorm abweichen, werden gezwungen Handicaps zu tragen. (Quelle: Wikipedia)

Google is digitizing you

Während der französische Biologe Jean-Baptiste de Lamarck, ein Zeitgenosse von Charles Darwin, im 19. Jahrhunder die Theorie entwickelte, dass Organismen Eigenschaften an ihre Nachkommen vererben können, geht Google nicht den gleichen Weg der Vererbung, sondern die Sammlung und Verknüpfung von sozialen Eigenschaften. Werkzeuge wie künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen oder die Programm-gesteuerte Gesichtserkennung dienen dazu, die Verknüpfung von digitalen Schnipseln und der Zuordnung zu einem Individuum zu ermöglichen.

Jean-Baptiste de Lamarck (links), Charles Darwin (rechts)

Die Belletristik ist da schon weiter. Dave Eggers hat in seinem dystopischen Roman „The Circle“ die totale Überwachung des Individuums durch einen Internet-Giganten (The Circle) aufgegriffen und das Konzept der Identity-ID, einer einheitlichen Kenn-Nummer aller Individuen, als bereits realisiert dargestellt.

Davon sind wir heute – glücklicherweise – noch nicht betroffen.

Die DSGVO bleibt bei der Technologie der Verknüpfung von Informations-Schnipseln ein zahnloser Papiertiger. Wer die zahlreichen Smartphone-Selfies auf den Social Media Plattformen ins Internet stellt, hat sicherlich nicht vorher etwaige Personen, die im Hintergrund auftauchen, vorher um Erlaubnis gebeten.

Gerade jetzt ist ein Video in den Weiten des Internets aufgetaucht, das Tendenzen beschreibt, wie Google die Vision eines „Selfish Ledger“ realisieren will. „Selfish Ledger“ ist in diesem Zusammenhang eher ein verharmlosender Begriff, in Wirklichkeit geht es um die Absicht, digitale Schnipsel zu sammeln, miteinander zu verknüpfen und die Benutzer-Daten zu interpretieren, um Muster zu erkennen und Verhaltensweisen vorauszusagen.

Hier ist das Video:

https://www.theverge.com/2018/5/17/17344250/google-x-selfish-ledger-video-data-privacy

 

Video: The Selfish Ledger

 

 

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