Nachrichten

Mit der Wünschelrute auf der Suche nach den richtigen Recruiting-Kanälen?

Stellenanzeigen mit der Wünschelrute platzieren? Es gibt wohl bessere Alternativen, den erfolgreichen Recruiting-Kanal-Mix zusammenzustellen. Dabei steht das gesuchte Kandidaten-Profil am Beginn jeder Recruiting-Kampagne. In welchen Jobbörsen sollten die richtigen Kandidaten angetroffen werden? Genügt nicht schon LinkedIn oder Xing als Recruiting-Kanal? Oder vielleicht eine kleine Anzeige bei Facebook, dem Alleskönner der Social Media Welt? Klar ist eines: die falsche Wahl trocknet den Bewerberfluss aus. Im Interview mit Nils Wagener, Geschäftsführer bei KÖNIGSTEINER,  erläutert er, wie die Zukunft der Stellenanzeigen sein wird.

 

Nils Wagener

Crosswater: Post & Pray war gestern. Wie sieht es morgen aus? Wie müssen sich Stellenanzeigen neu erfinden, um eine Zukunft zu haben?

Nils Wagener: Ich glaube, dass sich Stellenanzeigen gar nicht neu erfinden müssen, weil sie in ihrer Art und Wirkung schon richtig sind. Die Frage ist eher, welchen Stellenwert werden – vor allem im Kontext des sich selbst überholenden „Post & Pray“ – die Stellenanzeigen zukünftig haben. Stellenanzeigen konkurrieren ja schon heute mit alternativen Recruiting-Kanälen und am Ende wird der richtig zusammengestellte Kanal-Mix darüber entscheiden, wer die genau passenden Mitarbeiter findet und wer nicht. Da sind und bleiben Stellenanzeigen selbstverständlich ein wichtiger Baustein.

 

Crosswater: Die Suche nach den richtigen Recruiting Kanälen, um wirklich passende Kandidaten zu finden, bestimmt das Handeln zahlreicher Personalabteilungen. Welche Eigenschaften der derzeit im Markt aktiven Kanäle sind kritisch und worauf kann jetzt und in Zukunft verzichtet werden?

Nils Wagener: Zunächst: Die Personaler, die sich auf die Suche nach den richtigen Recruiting-Kanälen begeben, sind schon mal auf der richtigen Spur.

Leider bieten die wenigsten Agenturen eine objektive Bewertung zu dem erwartbaren Erfolg eines bestimmten Recruiting-Kanals, was diese Suche von Beginn an erschwert. Das liegt sowohl an der fehlenden Nachfrage vieler Personaler nach Kennzahlen sowie auch den fehlenden Angeboten von vielen Jobbörsen und anderen Recruiting-Dienstleistern diese Kennzahlen auch zu liefern. Als Antwort auf die Frage nach den unverzichtbaren Eigenschaften nenne ich daher definitiv die analytischen Fähigkeiten für eine Bewertung des Besetzungserfolgs.

 

Crosswater: Rosenkrantz und Güldenstein, den Totengräber aus Shakespeares Hamlet, werden vielfach Ambitionen nachgesagt, die klassischen Online-Jobbörsen zu begraben. Stehen die wirklich vor dem Aus oder brauchen sie nicht vielmehr Hebammen anstelle von Totengräbern?

Nils Wagener: Das sehe ich überhaupt nicht so. Die Jobbörse ist ein sehr wichtiger Recruiting-Kanal. Das wird sie auch bleiben. Die Totengräber-Geschichten sind meiner Meinung nach Stories von Wettbewerbern, die diese letztlich nur deshalb platzieren, um die zahlreichen Jobbörsen-Kunden in ihre Recruiting-Lösung zu lenken. Für mich sind und bleiben Online-Jobbörsen ein unverzichtbarer Bestandteil eines erfolgreichen Recruitings.

 

Crosswater: Data Driven HR scheint vielen Experten als der Recruiting-Rahmen der Zukunft – welche Daten werden benötigt? Und vor allem: Woher kommen die Daten eigentlich?

Nils Wagener: Das ist so einfach wie komplex. Eigentlich reichen zwei Kennzahlen: „Cost-per-Hire“ und „Time-to-Hire“. Auf Basis dieser beiden Kennzahlen lässt sich pro Recruiting-Kanal bestimmen, mit welchem Budget und in welcher Zeit ich eine Position besetzen kann. Allerdings sprechen wir hier über zwei Kennzahlen, die oft nur theoretisch existieren. Also müssen wir daran arbeiten mit Ersatzkennzahlen eine ähnliche Herleitung treffen zu können. „Cost-per-Application”, “Cost-per-Click”, Conversions von Impressions zu Click, zu Apply, zu Hire etc.

Am Ende geht es darum möglichst viele Daten zu erhalten, um dann daraus die notwendige Aussage ableiten zu können: Zu welchen Kosten kann ich eine Bewerbung und am Ende eine Stellenbesetzung garantieren. Diese Daten im Recruiting-Funnel anzusammeln ist aktuell zugegebenermaßen schwierig. Wir arbeiten schon seit mehr als zwei Jahren daran, mit Partnern wie Jobbörsen, Softwareanbietern und ATS-Anbietern diese Daten für eine sinnvolle Analyse zu erhalten. Ich bin zuversichtlich, dass wir da bald zu Ergebnissen kommen, die die Analyse von Recruiting-Kampagnen entscheidend verändern werden. Die Tatsache, dass aber nicht viele Anbieter im Markt solche Bemühungen vorantreiben, zeigt: Es wird zu wenig Energie in diese Richtung investiert.

 

Crosswater: Schwierige Kandidatengruppen – die Suche mit der Wünschelrute?

Nils Wagener: Die Wünschelrute wäre sicher ein Recruiting-Kanal, von dem ich aber abraten würde. Im Ernst: Für schwierige Kandidatengruppen erzielen wir mit dem programmatischen Jobadvertising sehr gute Ergebnisse. Der Erfolgsfaktor hier: eine wirklich gute Kenntnis des Wunschkandidaten. Soll heißen: Nur wenn Online-Recruiting hier von der Zielgruppen-Fokussierung des Online Marketing oder e-Commerce lernt, kann die besagte Wünschelrute tatsächlich endlich komplett zur Seite gelegt werden. Wir haben das jedenfalls schon lange getan.

 

Crosswater: Wenn es um Recruiting geht, wird die Branche nicht müde, neue Konzepte zu entwickeln, zu propagieren und zu feiern. Das große Schweigen begleitet aber zwei ganz andere Themen: Retention und Fluktuation. Warum werden diese Dinge oft übersehen?

Nils Wagener: Ganz offen gesprochen: Weil am Ende mit Fluktuation Geld verdient wird. Die Möglichkeit, dass Menschen ihren Job wechseln können und wollen ist ja Basis des Geschäftsmodells der meisten Recruiting-Dienstleister. Anders stellt sich das sicher für Employer-Branding Agenturen oder HR Consulting Agenturen dar – zwei Disziplinen, in denen die Königsteiner erfolgreich unterwegs ist.

Als Arbeitgeber habe ich natürlich ein sehr großes Interesse daran, dass hoch qualifizierte Mitarbeiter bei mir bleiben. Schließlich waren die Anstrengungen diese an Bord zu holen zuvor extrem hoch. Recruiting-Agenturen sehen das allerdings selten genauso – aus den oben beschriebenen Gründen.

 

Crosswater: Für HR ist nicht erst seit dem AGG Gleichberechtigung und Vielfalt ein wichtiges Thema. Nun erreicht es durch die Kennzeichnung „m/w/d“ in Stellenanzeigen einen neuen Höhepunkt – wichtig, aber überschätzt?

Nils Wagener: Grundsätzlich sollten alle Kandidaten selbstverständlich die gleichen Chancen haben. Am Ende – so hoffe ich – wird sich der beste Kandidat (m/w/d) durchsetzen.

Wo das aber ein wichtiger Punkt ist: In der Stellenanzeige muss ich den Kandidaten also völlig neutral ansprechen, auch wenn eine sehr genaue Vorstellung von dem idealen Kandidaten vorliegt. Diese genaue Vorstellung ist durch Zielgruppen-Targeting im Rahmen einer programmatischen Online-Kampagne abdeckbar. Daher ist es wichtig in diesem Kontext auch an solche alternative Recruiting-Kanäle zu denken.

 

Crosswater: Was würden Sie Arbeitgebern raten: Recruiting von Mangelkandidaten oder besser doch Weiterbildung / Umschulung / Quereinstieg?

Nils Wagener: Als Arbeitgeber setze ich klar auf Bindung und Entwicklung meiner Mitarbeiter. Aus diesem Grund haben wir bei der Königsteiner dem Thema Personalentwicklung in den letzten 12 Monaten sehr viel Aufmerksamkeit gewidmet. Für die Vakanzen, in denen die Kapazität schlicht fehlt oder die entsprechenden Fähigkeiten sofort benötigt werden, sollte sofort rekrutiert werden. Nach dieser Devise zu verfahren, wäre mein Rat an Arbeitgeber.

 

Crosswater: Trotz aller Bemühungen, den richtigen Kanal zu finden, die richtige Ansprache zu wählen und das richtige Data-Konzept aufzugreifen: Bisweilen können offene Stellen einfach nicht besetzt werden können. Was kann helfen? Mehr Gehalt zahlen oder die Jobanforderungen den Gegebenheiten anpassen?

Nils Wagener: Am Ende ist das eine unternehmerische Entscheidung zwischen Aufwand und Nutzen. Dazu gilt es folgende Frage zu beantworten: Steht der Aufwand (Recruiting, Gehalt, Einarbeitung, Risiko) einem höherem Nutzen (Arbeitskraft, Ertrag/ Erlös etc.) gegenüber? Weitsichtige Arbeitgeber stellen in diesem Zusammenhang auch „unfertige“ Kandidaten zu relativ geringen Kosten ein und entwickeln diese dann zielgerichtet weiter. Aber das funktioniert nur in ausgewählten Konstellationen. Denn für einige Arbeitgeber kann eine Fehl- oder Nichtbesetzung leider auch die Geschäftsaufgabe bedeuten, weil beispielsweise mehr Gehalt einfach nicht abbildbar ist. Das sind aber die Regeln der Marktwirtschaft, die allerdings die Bedeutung von zukunftsfähiger HR mit all ihren inhaltlichen Aspekten noch einmal unterstreichen.

 

Crosswater: Vielfach können Vakanzen auch aufgrund des Unternehmensstandortes nicht besetzt werden. Wie motiviere ich Wunschkandidaten zum Umzug in die Provinz?

Nils Wagener: Ich denke, das kommt auf den Kandidaten an. Arbeitgeber müssen sich schon in der Kandidatenansprache deutlich dazu positionieren. Wenn ich gezielt Kandidaten erreichen möchte, die sich für einen Lebensabschnitt etwa den abgeschiedenen Standort vorstellen können, dann ziele ich genau auf deren Bedürfnisse ab: Frische Landluft statt Feinstaub, garantierter Kita-Platz statt Wartelisten, nette Nachbarn statt Anonymität usw.

Event-Ankündigung (Foto: Berghain, Berlin)

Es ist allerdings illusorisch, zu glauben, der Großstadtjunkie sei für das Dorf zu begeistern, bzw. dort zu halten. Meiner Erfahrung nach gibt es aber viele junge Menschen, für die der ruhige Standort mittlerweile eine echte und lebenswerte Alternative ist. Genauso wie es die jungen Kandidaten gibt, die das Club-Leben in Berlin schätzen. Man muss eben die Bedürfnisse der Zielgruppe kennen und diese gezielt ansprechen.

 

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert