Die Metamorphose der Jobsuchmaschinen: Können diese im Recruiting helfen?
Von Gerhard Kenk, Crosswater Job Guide
Eine Jobportal-Gattung im Umbruch
An der Medienfront ist zum Thema Jobsuchmaschinen eine ungewohnte Hektik ausgebrochen. War es früher überhaupt nicht sexy oder cool, die Vorzüge der Jobsuchmaschinen im Recruiting-Kanal-Mix zu erwähnen, überschlagen sich zur Zeit die Ereignisse. Xing übernimmt die Jobsuchmaschine namens Jobbörse.com, Kimeta aus Darmstadt steigt zum neuen Darling der Verleger auf, Glassdoor sammelt beim Markteintritt in Deutschland Punkte bei den Nutzern und bissige Kritik bei den HR-Bloggern. Der US-Gigant Indeed.com lanciert in Deutschland eine smarte TV-Kampagne und schärft so seine Positionierung und steigert seinen Bekanntheitsgrad. Jobsafari hat sich aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zurückgezogen und konzentriert sich als Jobsuchmaschine auf den heimischen Markt in Skandinavien. Die Jobsuchmaschine Jovanova wurde sang- und klanglos beerdigt. Auch Jobanova, eine Gründung von LMU-München-Professor Dr. Guenthner, wurde nach der Übernahme durch Stepstone einige Zeit lang künstlich beatmet, bis die neuen Eigner die lebenserhaltenden Armaturen abschalteten.
Was erwartet die Leser in diesem Bericht?
1. Wie können Jobsuchmaschinen im Recruiting helfen?
2. Branding und Namensgebung: Das Who-is-who im Digitalen Recruiting
3. Die Metamorphose: Jobsuchmaschinen im Umbruch
4. Nachts sind alle Katzen grau: Unterscheidungsmerkmale der Jobsuchmaschinen
4.1 Kennziffern
4.2 SEO-Herausforderung: Die Sichtbarkeit im Web
5. Wie beurteilen Experten die Übernahme von Jobbörse.com durch Xing?
6. Warum XING den besten”digitalen Staubsauger von Stellenanzeigen” gekauft hat
7. Fazit
Anhang
A. Definition Jobsuchmaschinen
B. Definition Sistrix Sichtbarkeitsindex
C. Weiterführende Links
Wer will sich nur auf Jobs einschränken? Nach diesem Motto verfolgen vertikale Suchmaschinen ein umfassenderes Geschäftsmodell und integrieren ganze Anzeigen-Gattungen in einer Suchmaschine. Adzuna aus London ist mittlerweile in 11 Ländern vertreten, in Deutschland sind Internetportale wie Scout24, Kalaydo oder Quoka in Betrieb und liefern sich einen Wettbewerb um die Veröffentlichung von Anzeigen für Autos, Immobilien, Jobs und Freundschaften. Monster mutiert gemäß der neuen Unternehmensstrategie von einem Karriereportal in Richtung Job Aggregator.
1. Wie können Jobsuchmaschinen im Recruiting helfen?
Im Recruiting-Mix und in den Medien sind Jobsuchmaschinen eine vernachlässigte, aber durchaus leistungsstarke Jobportal-Gattung.
Die Einbeziehung von Jobsuchmaschinen durch Arbeitgeber ermöglicht es diesen, Stellenanzeigen nicht nur auf ihrer eigenen Unternehmens-Karriereseite zu veröffentlichen, sondern diese auch durch eine Jobsuchmaschine spidern zu lassen. Dadurch erhalten Arbeitgeber einen potentiell größeren Leserkreis bei Bewerbern und können von den SEO-Aktivitäten der Jobsuchmaschinen-Betreibern profitieren.
Jobsuchende Kandidaten nutzen Jobsuchmaschinen zeitökonomisch und bequem, in dem sie ein kostenloses Keywords-Abonnement bestellen, um Stellenanzeigen mit genau diesen Kennworten per Mail zu empfangen.
Beide Nutzungsvarianten haben immense Vorteile: einmal eingerichtet, funktionieren diese Verfahren fortan vollautomatisch ohne jede weitere Aktionen seitens Arbeitgeber oder Bewerber.
Weshalb sollten Arbeitgeber oder Bewerber Jobsuchmaschinen bevorzugen? Der wesentliche Vorteil besteht in der Bequemlichkeit und dem Gesetz der großen Zahl. Während führende Jobbörsen in Deutschland kaum mehr als 50.000 Stellenangebote online veröffentlichen (sorry, die Arbeitsagentur passt mit ihren 156.633 Stellenanzeigen nicht genau in diese Argumentationskette, aber Ausnahmen bestätigen gelegentlich die Regel), bieten Jobsuchmaschinen eine wesentlich umfassender Anzahl von Stellenanzeigen. Die Jobbörse.com hat z.Zt. 2,5 Millionen Stellenanzeigen verfügbar, bei Kimeta.de finden sich über 1.7 Millionen Jobangebote in deren Datenbank-Index.
2. Branding und Namensgebung: Das Who-is-who im Digitalen Recruiting
Fast nichts ist aus Marketingsicht wichtiger in dem Dschungel der Jobbörsen als eine klare Positionierung als Marke mit unverwechselbarem Namen und einem hohen Wiedererkennungswert. An diese Grundregeln des Marketings halten sich aber nicht immer alle Jobbörsen-Betreiber. So hat sich beispielsweise das traditionsreiche Karriereportal Jobscout24.de in Jobs.de umbenannt und auch die Jobsuchmaschine, die früher unter dem Namen iCjobs.de bekannt war, firmiert jetzt als Jobbörse.com, einem Namen, der hochgradige Verwechslungsgefahr mit sich bringt.
Quiz: Kennen Sie die Unterschiede zwischen diesen Jobportalen?
3. Die Metamorphose: Jobsuchmaschinen im Umbruch
Die scharfe Abgrenzung von Jobsuchmaschinen zu Jobbörsen wird zusehends aufgeweicht. So positioniert sich Indeed.com und die deutsche Niederlassung Indeed.de bevorzugt als Jobbörse – ohne allerdings ihre Technologie-Wurzeln zu negieren. Das internationale Karriereportal Monster Worldwide machte gar das Thema Job Aggregator (Jobsuchmaschine) zu einer tragenden Säule ihrer 2014 angekündigten neuen Strategie. Zusehends ergänzen Jobsuchmaschinen-Betreiber ihre auf einem CPC-Modell basierenden Ertragsmodell mit der Möglichkeit, direkt Stellenanzeigen zu buchen, wie es am Beispiel von Kimeta.de ersichtlich ist.
4. Nachts sind alle Katzen grau: Unterscheidungsmerkmale der Jobsuchmaschinen
Die nachstehende Übersicht von wichtigen Kennziffern ausgesuchter Jobsuchmaschinen gibt einen ersten Anhaltspunkt über die Jobbörsen-Betreiber in Deutschland, zur Zeit tummeln sich über 70 Jobsuchmaschinen in diesem Segment.
4.1 Kennziffern
Jobsuchmaschine | Umfang | Reichweite | Nutzerbeurteilungen | ||
Stellenanzeigen | Alexa-Ranking | Visitors (SimilarWeb) | Zufriedenheit | Suchqualität | |
CareerJet.de | 1.003.466 | 114.711 | 140.000 | N/V | N/V |
iCjobs/Jobbörse.com | 2.509.133 | 110.035 | 25.000 | 4,84 | 3,14 |
Indeed.de bzw. de.Indeed.com | n/v | N/V | 4,650.000 | 5,06 | 4,76 |
Jobrapido.de | 400.000 | N/V | 5.000 | 4,86 | 4,58 |
Kimeta.de | 1.771.280 | 16.688 | 1.100.000 | 5,24 | 4,96 |
Erläuterungen: Die Anzahl Stellenanzeigen entstammt der Webseite der Betreiber. Für Indeed.de und Jobrapido.de ist kein reinrassiges Alexa-Ranking verfügbar, da die Landes-URL in der Top-Domain kumuliert werden. Die monatlichen Besucher-Zahlen (Visitors) stammen von SimilarWeb.com und sind geschätzte Traffic-Werte. Zufriedenheit und Suchqualität, basierend auf einer Skala von 7=sehr gut bis 1=überhaupt nicht gut, entstammen der Jobbörsen-Nutzer-Umfrage von Crosspro-Research.com.
Drei aktuelle Anlässe motivieren, einen detaillierteren Blick auf die Unterschiede der einzelnen Jobsuchmaschinen zu werfen.
- Zwei Jobportal-Betreiber zeigen in diesen Tagen TV-Werbespots, nämlich Xing und Indeed. Beide wollen ihren Bekanntheitsgrad steigern.
- Die Übernahme von Jobbörse.com durch Xing für anfängliche 6,3 Millionen Euro zeigt auf, dass sich das Ur-deutsche Business-Kontaktnetzwerk strategisch im Recruiting-Bereich verstärkt, um ihren Mitgliedern neue Dienstleistungen anzubieten.
- Fast zeitgleich kündigt Kimeta.de den Einstieg von zusätzlichen Kapital-Eignern an und macht dadurch deutlich, dass der Wettbewerb um das Digitale Stellenanzeigengeschäft gesteigert wird.
Im Maschinenraum der Jobsuchmaschinen laufen die Optimierungsprogramme für die Positionierung bei Search Engines, im Internet-Slang als SEO (=Search Engine Optimisation) bekannt. Diese Optimierungen haben ein wichtiges strategisches Ziel: die schnelle Auffindbarkeit einer Stellenanzeige im WWW, genauer gesagt eine Position auf den vorderen Plätzen der organischen Trefferlisten von Google, GoGoDuck, Bing, Bling & Co.
4.2 SEO-Herausforderung: Die Sichtbarkeit im Web
Fast ist es so, als ob Astronauten der Apollo-Mission einen Blick auf die Erde werfen und anhand der Konzentration von Lichtquellen und Lichtreflexionen die Umrisse von Kontinenten erkennen können.
Mit einem ähnlichen Ansatz bringt die Firma Sistrix mit ihrem Sichtbarkeitsindex Licht in die Wiederauffindbarkeit von Webseiten, und stellt deren zeitliche Entwicklung der SEO-Maßnahmen grafisch dar. Ein Blick auf den Verlauf des Sistrix-Sichtbarkeitsindex für die Jobsuchmaschinen Indeed.de bzw. de.Indeed.com, Jobbörse.com, iCjobs.de und Kimeta.de zeigt auf, welche Wirkung deren SEO-Arbeit erzielt und wie groß die Unterschiede im zeitlichen Verlauf sind.
Aus dem Sistrix-Sichtbarkeits-Indexverlauf lassen sich einige Rückschlüsse ziehen.
- Kimeta.de (grüner Kurvenverlauf) hat mit weitem Abstand die höchsten Sichtbarkeitswerte. Der im Dezember 2013 bemerkbare negative Ausschlag war nur vorübergehender Natur, danach stieg die Sichtbarkeit wieder auf fast das frühere Niveau. Deutlich ist allerdings der abnehmende Sichtbarkeitsverlauf im Jahr 2014 zu erkennen.
- Mit dem Markteintritt von Indeed.de in Deutschland ist deren Sichtbarkeitskurve (gelbe Line) ab Dezember 2013 angestiegen und verharrt nach einem Peak im Mai 2014 auf mittlerem Niveau.
- Im Gegensatz zu Kimeta.de zeigt der Kurvenverlauf von iCjobs.de (blaue Linie) eine stabile Entwicklung auf niedrigem Niveau. Durch die Umbenennung in Jobbörse.com Anfang 2014 stieg deren Sichtbarkeits-Indexverlauf (rote Kurve) an, aber erreichte lediglich das frühere Niveau von iCjobs.de.
5. Wie beurteilen Experten die Übernahme von Jobbörse.com durch Xing?
Daniela Chikato ist langjähriger Vertriebsprofi und Recruiting-Experte. Seit 2009 hat Daniela Chikato mit ihrem Beratungsunternehmen CHIKATO SALES + RECRUITMENT CONSULTING zahlreiche Häfen für ihre Kunden angesteuert:
- Sie unterstützt Internet-Start-ups in der Monetarisierung ihrer Geschäftsmodelle sowie beim Auf- und Ausbau ihrer Vertriebsorganisationen.
- Zudem entwickelt sie innovative Recruiting-Strategien und setzt diese für kleine und mittelständische Unternehmen um.
- Als Trainerin macht Daniela Chikato Vertriebsmannschaften performant und schult Personalentscheider im proaktiven Recruiting, insbesondere unter Einsatz von sozialen Netzwerken.
- Ihre Recruiting-Expertise teilt sie als Autorin und in Tutorial-Videos.
Daniela Chikato:
„Für mich ist der Schulterschluss von XING und Jobbörse.com keine Überraschung, sondern der folgerichtige nächste Schritt in der Strategie von XING: ihre gut 8 Millionen Mitglieder im Kernmarkt D-A-CH darin zu unterstützen, ein erfüllendes Berufsleben zu führen. Während in den Kindertagen des Internet Unternehmen ihre Jobs in Stellenbörsen ausschrieben, gingen in der Folgephase die Personalentscheider in Social Networks auf die Jagd nach passenden latent Job suchenden Kandidaten.
Die längst begonnene Reifephase des Internet-Recruiting ist gekennzeichnet von Aggregation und Matching. Dass XING diese Technologien konsequent implementiert, ist weder revolutionär im Recruiting-Markt noch neu innerhalb der XING-Welt: Die großen Player machen’s seit 2014 vor – z.B. LinkedIn mit den „Limited Listings“ und Monster mit „Talent Bin“.
Der XING Talentmanager schlägt Recruitern seit Herbst 2013 automatisiert passende Kandidatenprofile für ihre hochgeladenen Jobprofile vor. Durch die Integration der 2,5 Mio. Stellenangebote, die Jobbörse.com aggregiert, kann XING im nächsten Schritt zum großen Roll-out im Matching übergehen: Vollautomatisiert kann XING Usern eine große Menge für sie relevanter Jobs vorschlagen.
Für die Zukunft des Recruiting und der Jobsuche bedeutet dies: Herausforderung ist nicht länger das Suchen oder Finden des passenden Counterparts – das nimmt uns die Technik ab. Vielmehr kommt es künftig mehr denn je darauf an, das Interesse des Umworbenen zu wecken.“
Wolfgang Brickwedde, Director des Institutes for Competitive Recruiting, Berater und Buch-Autor (u.a. mit Beiträgen im Praxishandbuch Social Media Recruiting) ist selbst ein ausgewiesener Fachmann beim Einsatz der Xing-Tools im Active Sourcing.
Er verzichtete zunächst auf eine eigene Einschätzung des Xing-Deals und richtete statt dessen einige präzise und punktgenaue Fragen an Gerhard Kenk als Betreiber des Crosswater-Job-Guide-Portals.
6. Warum XING den besten”digitalen Staubsauger von Stellenanzeigen” gekauft hat
Hallo Gerhard,
vielen Dank, dass Du als Gesprächspartner für die Einordnung dieser Übernahme zur Verfügung stehst. Mit 15 Jahren Erfahrung im Jobbörsenmarkt und seit einigen Jahren mit Crosswater einer der Initiatoren hinter „Deutschlands Beste Jobportale“ bringst Du enorm umfangreiche Kenntnisse für dieses Thema mit und die Recruiter Community freut sich, dass Du bereit bist, Dein Wissen zu teilen. Meiner Meinung nach hat Xing damit ja das Recruiting 3.0 eingeleitet. Aber mal schauen, wie Du das siehst. Dann lass uns gleich mal starten:1. Hat Dich die Übernahme überrascht oder hast Du mit etwas ähnlichem gerechnet?
Eigentlich hat mich die Übernahme überrascht – damit hatte ich wirklich nicht gerechnet. Aber da ich kein Freund von Übernahme-Gerüchten und entsprechenden Vorhersagen bin, lehne ich mich eher etwas zurück und warte gelassen ab, bis wirklich etwas am Markt passiert. Ein eher abschreckendes Beispiel im Übernahme-Hype lieferte Ex-CEO Sal Iannuzzi mit Monster Worldwide ab.
Er ließ von Investment-Bankern das weltweit operierende Karriereportal durchleuchten, kündigte dann öffentlich an, Monster sei in Teilen oder als Gesamteinheit zu verkaufen – die kapitalkräftigen Interessenten mögen sich doch bitte in der Warteschlange einreihen. HR-Blogger und Marktvisionäre überboten sich mit Vermutungen, am Ende des Tages entschied sich beispielweise der kapitalstarke japanische HR-Konzern Recruit Ltd. für den Kauf von Indeed.com, einer hochentwickelten Jobsuchmaschine und zeigte dem Übernahmekandidaten Monster die kalte Schulter. Der HR-Blogger denkt, der Investor lenkt.
2. Vielleicht für unsere Leser, die den Begriff Jobsuchmaschine nicht so gut kennen, könntest Du kurz erläutern wie eine Jobsuchmaschine funktioniert und was sie von einer Jobbörse unterscheidet?
Eine Jobsuchmaschine durchsucht das World Wide Web nach Stellenangeboten, die auf den Karriereseiten von Arbeitgebern oder anderen Jobportalen zu finden sind. Die Ergebnisse dieser Suche werden im Jobsuchmaschinen-Index gesammelt und können Online abgefragt werden. Im Gegensatz zu allgemeinen Suchmaschinen wie z.B. Google, Bing usw. erkennen Jobsuchmaschinen anhand eines Algorithmus, ob eine bestimmte Webseite ein Stellenangebot enthält oder nicht. Nur Webseiten mit Stellenangeboten werden durch Jobsuchmaschinen indiziert.
Im Index der Jobsuchmaschinen werden lediglich die Extrakte der Suchanalyse zusammen mit der Fundstelle der Stellenanzeige (URL) gespeichert und auf der Trefferliste angezeigt. Durch die Verlinkung der URL wird der Nutzer direkt auf die Original-Quelle der Stellenanzeige weitergeleitet.
Dieser “Click-Through” bildet die Grundlage des Geschäftsmodells der Jobsuchmaschinen auf der Basis des “CPC”-Modells (Cost-per-Click). Durch die Bezahlung einer CPC-Gebühr können die Inserenten von Stellenanzeigen (Arbeitgeber, Personalvermittler, Jobbörsen) ihre Positionierung in den Trefferlisten der Jobsuchmaschine verbessern und eine größere Traffic-Resonanz ihrer publizierten Stellenanzeigen erzielen.
3. Warum kauft Deiner Meinung nach ein Social Business Netzwerk wie Xing eine Jobsuchmaschine wie ICJobs/Jobbörse.com?
Xing operiert im deutschsprachigen B2B2C-Geschäft und muss deshalb ein komplexes und schwieriges Geschäftsmodell umsetzen. Das erinnert ein wenig an die Quadratur des Kreises, aber ohne Zirkel und Zentimetermaß. Einerseits müssen auf der Mitgliederseite ständig neue Mehrwerte in Form von Funktionen, Informationen und Daten geboten werden, andererseits besteht ein signifikanter Monetarisierungsdruck, Firmen den Zugang zur Mitgliederbasis zu verschaffen.
Recruiting spielt hier eine entscheidende Rolle im Erlös-Mix. Hinzu kommt ein erheblicher Wettbewerbsdruck von Portalen mit ähnlichen B2B2C-Geschäftsmodellen, wie z.B.
Experteer, Placement24, internationalen Konkurrenten wie LinkedIn oder aktuell Glassdoor.
Vor diesem Hintergrund hat XING Handlungsbedarf, setzt auf eigene Produktentwicklung wie z.B. den Xing Talent Manager oder kompletten Übernahmen wie das Arbeitgeberportal kununu oder jetzt die Jobsuchmaschine Jobbörse.com.
4. Du kennst ja Torsten Heissler von ICJobs/Jobbörse.com auch persönlich. Was glaubst Du, warum hat er verkauft?
Torsten Heissler verkörpert in meinen Augen den klassischen Internet-Startup-Entrepreneur, der mit hohen analytischen Fähigkeiten die „Rädchen des Markts“ erkennt und versteht, wie diese angetrieben werden. Die Xing-Übernahme spült nicht nur anfänglich 6.3 Millionen Euro auf sein Bankkonto, sie verschafft ihm auch die Chance, seine Ideen und Konzepte mit einem kapitalkräftigen Eigner im Rücken weiter voran zu treiben.
Im Gegensatz zu den Poreda-Brüdern , die kununu in Wien gründeten und aufbauten und nach der Xing-Übernahme sich vermeintlich vorwiegend auf ihr Wellenreiten-Hobby konzentrieren, dürfte Heissler eher den Typus eines „Serial Internet-Entrepreneur“ verkörpern und Jobbörse.com weiter entwickeln oder sich in einigen Jahren anderen Internet-Projekten zuwenden.
5. Warum glaubst Du, hat sich Xing für ICJobs/Jobbörse.com und gegen andere Anbieter wie z.B. kimeta entschieden?
Bei solchen Übernahmen wird natürlich der Markt vorab sondiert und geprüft, welche guten Kandidaten vorhanden und auch verkaufsbereit sind. Kimeta ist nach unterschiedlichen Kriterien durchaus als derzeitiger Platzhirsch unter den Jobsuchmaschinen anzusehen, aber Eigner, Kapitalgeber und das Management waren vermutlich nicht verkaufsbereit. Aber das ist nur eine persönliche Einschätzung, die wirklichen Hintergründe kenne ich nicht – und sie werden sicherlich nicht offen gelegt.
6. Was glaubst Du, hat Xing mit ICJobs/Jobbörse.com vor und vor allem, wie meinst Du wird die Suchtechnology von ICJobs/Jobbörse.com bei Xing eingesetzt werden können?
Werfen wir zunächst einen Blick auf die Zahlen. Im Xing-Stellenmarkt finden Mitglieder derzeit 8.200 Stellenangebote – Jobbörse.com hingegen liefert schlagartig über 2.5 Millionen Stellenangebote. Der Xing-Stellenmarkt bietet auch die Option, nicht nur nach bestimmten Tätigkeiten im Umkreis eines bestimmten Ortes zu suchen, Mitglieder können auch nach „Empfehlungen von Xing“ suchen, die augenscheinlich eine hohe persönliche Relevanz vermitteln.
Auf meine eigene Stellensuche mit dem bei Xing hinterlegten Profil erhielt ich nur die lapidare Antwort „Wir haben leider keine Jobs für Ihre Suchkriterien gefunden“. Ich muss zugeben, mein Xing-Profil ist überhaupt nicht aussagekräftig – ich selbst würde mich daraufhin auch nicht zu einem Jobinterview einladen.
Allerdings liefert eine Suchanfrage bei Jobbörse.com für „Publisher Internet-Karriere-Portal“ ebenfalls keine Treffer, trotz der hohen Basis von 2.5 Millionen Stellenanzeigen.
Der Kern der Suchtechnologie ist im wesentlichen ein intelligenter Crawler, der das WWW nach Stellenanzeigen durchsucht. Eine solche Crawler-Technologie ist als „Off-the-Shelf“-Lösung von Anbietern wie Actonomy oder von Textkernel verfügbar oder kann durchaus auch selbst entwickelt werden, wie die smarten Gründer von truffls.de aus Berlin bewiesen haben. Oder man kauft die komplette Firma, wie es jetzt mit Jobbörse.com geschehen ist.
Die Crawling-Technologie funktioniert prima als „digitaler Staubsauger von Stellenanzeigen“, aber die entscheidende Komponente ist (noch) nicht vorhanden: Die Matching-Technologie, also das intelligente Zusammenführen von Mitgliederprofilen mit den Stellenangeboten . Diese Hausaufgabe dürfte eine hohe Priorität haben.
7. Linkedin hat sich ja bereits vor einiger Zeit eine ähnliche Technologie zugelegt. Wird das zu einem „Sterben“ der Jobsuchmaschinen führen, wenn Social Business Netzwerke diese Funktion integrieren?
Der Jobportal-Markt befindet sich in einer Metamorphose: Die Jobsuchmaschine iCjobs.de nennt sich seit kurzem Jobbörse.com, Kimeta intensiviert die direkte Akquise von Stellenanzeigen, Monster hat sich der neuen Unternehmensstrategie zufolge als „Job-Aggregator“ positioniert, der Social Media Gigant Facebook hat unter der Flagge „Social Jobs Partnership“ ein Jobportal als Fata Morgana entwickelt (siehe auch http://crosswater-job-guide.com/archives/30644).
Was wurde nicht alles vorausgesagt: Der Tod der Jobbörsen, das Sterben der Jobsuchmaschinen, die Implosion des Social Media Recruiting. Auf dem Friedhof der Karriere-Portale ruhen einige Betreiber, die still und heimlich ihre Pforten geschlossen haben, Zombies erschrecken als Untote ihre Besucher. Der Markt der Job-Portale dreht sich – gelegentlich auch um sich selbst.
8. Welche Folgen hat diese Übernahme für Bewerber und Kandidaten? Wird diese Übernahme das Jahr der Kandidaten verbessern?
Stellensuchende Xing-Mitglieder können sich kurzfristig über eine Steigerung der Stellenangebote von derzeit 8.200 auf über 2.5 Millionen Stellenanzeigen freuen. Entscheidend wird jedoch sein, wie „Klasse statt Masse“ umgesetzt wird. Konkret geht es darum, die hohe Zahl der Stellenangebote mit den spezialisierten und detaillierten Mitgliederprofilen zu matchen. Ob das über Direkt-Ansprache / Active Sourcing, Job-Alerts oder eine andere Kommunikationsschiene passiert, bleibt abzuwarten.
9. Wie wird sich der Arbeitsmarkt ändern?
Die Xing-Übernahme einer Jobsuchmaschine ändert die grundlegenden Trends am Arbeitsmarkt überhaupt nicht. Hier sind Faktoren wie Demografiewandel, Globalisierung, Migration oder der vermeintliche oder tatsächliche Fachkräftemangel entscheidend. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass der rasante Technologiefortschritt auch den HR-Sektor nachhaltig beeinflusst und das Recruiting eigentlich immer schneller und komplexer macht – solange, bis agile und mobile Bewerber auf „Beharrungsinseln“ in Form von konservativen, langsam reagierende Recruiter treffen.
10. Wie wird es Deiner Meinung nach weitergehen, werden wir ähnlich spektakuläre Übernahmen sehen? Und falls ja, wer wird wen kaufen?
Übernahmen, Relaunches oder Markteintritte internationaler Player halten den Markt in Bewegung und schaffen neue Wettbewerbskonstellationen. Wer wird wen kaufen? Die Vermutungen überlasse ich gerne anderen HR-Bloggern, ich selbst hänge meine vertraulichen Informationen nicht an die große Glocke des Turms der Gerüchtekirche.
(Das Interview ist vorab hier erschienen)
7. Fazit
Vordergründig geht es für Xing um eine weitere Übernahme, die Stellenanzeigen und Technologie von Jobbörse.com sollen das Service-Spektrum erweitern und strategische Bereiche (Mitglieder, Talent Manager, Jobbörse usw.) verstärken. Der Handlungsdruck für Xing ergibt sich jedoch auch aus dem strategischen Wettbewerb mit einem internationalen Big-Player, nämlich LinkedIn. Und mit dem Markteintritt von Glassdoor in Deutschland wird das Geschäft nicht einfacher. Aber das sind alles andere Geschichten.
Anhang
A. Definition Jobsuchmaschinen
Eine Jobsuchmaschine durchsucht das World Wide Web nach Stellenangeboten, die auf den Karriereseiten von Arbeitgebern oder anderen Portalen zu finden sind. Die Ergebnisse dieser Suche werden im Jobsuchmaschinen-Index gesammelt und können Online abgefragt werden. Im Gegensatz zu allgemeinen Suchmaschinen wie z.B. Google, Bing usw. erkennen Jobsuchmaschinen anhand eines Algorithmus, ob eine bestimmte Webseite ein Stellenangebot enthält oder nicht. Nur Webseiten mit Stellenangeboten werden durch Jobsuchmaschinen indiziert.
Mit Hilfe von komplexen semantischen Analysen des Texts eines Stellenangebots werden relevante Informationen wie z.B.
- Tätigkeit
- Beruf
- Branche
- Ort
- Arbeitgeber
- usw.
ermittelt und im Index der J0bsuchmaschinen gespeichert, um es zu ermöglichen, gezielt nach diesen Eigenschaften zu suchen. Anhand von Synonymen wird bei der Tätigkeitsbeschreibung analysiert, ob andere umgangssprachliche Tätigkeitsbeschreibungen üblich sind.
Die Problemklassiker sind Tätigkeitsbezeichnungen wie Astronom / Gastronom, Sommelier / Weinober, Maitre d’ / Restaurant-Empfangschef, Kaltmamsell/ Sandwich Artist. Wenn in einer Stellenanzeige ein Master Black Belt gesucht wird, wer sollte sich denn darauf bewerben?
Im Index der Jobsuchmaschinen werden lediglich die Extrakte der Suchanalyse zusammen mit der Fundstelle der Stellenanzeige (URL) gespeichert und auf der Trefferliste angezeigt. Durch die Verlinkung der URL wird der Jobsuchmaschinen-Nutzer direkt auf die Original-Quelle der Stellenanzeige weitergeleitet.
Der direkte “Click-Through” bildet auch die Grundlage des Geschäftsmodells der Jobsuchmaschinen auf der Basis des “CPC”-Modells (Cost-per-Click). Durch die Bezahlung einer CPC-Gebühr können die Inserenten von Stellenanzeigen (Arbeitgeber, Personalvermittler, Jobbörsen) ihre Positionierung in den Trefferlisten der Jobsuchmaschine verbessern und eine größere Traffic-Resonanz ihrer publizierten Stellenanzeigen erzielen.
Eine Liste der in Deutschland aktiv betriebenen Jobsuchmaschinen finden Sie hier: http://www.crosswater-job-guide.com/jobboersen_verzeichnis_040_jobsuchmaschinen/jboards_list.php
B. Definition Sistrix Sichtbarkeitsindex
Was ist der SISTRIX Sichtbarkeitsindex?
Der SISTRIX Sichtbarkeitsindex ist eine Kennzahl für die Sichtbarkeit einer Domain auf den Suchergebnisseiten von Google. Je höher der Wert ist, umso mehr Besucher gewinnt die Domain erwartungsgemäß über Google.
Der Sichtbarkeitsindex eignet sich damit hervorragend, um den Erfolg von SEO-Maßnahmen zu messen und zu bewerten oder auch z.B. die Auswirkungen von Google Algorithmus-Änderungen zu analysieren.
Ebenfalls lassen sich mit seiner Hilfe aussagekräftige Wettbewerbsanalysen durchführen. So können z.B. die erfolgreichsten Websites in einem Segment identifiziert werden, die dann als Best-Practice-Beispiele (Orientierung an den Besten) zur Steigerung des eigenen Erfolgs herangezogen werden. Auf diese Weise lassen sich bewährte, optimale bzw. vorbildliche SEO-Methoden erkennen und adaptieren.
Der SISTRIX Sichtbarkeitsindex wird seit dem 17.03.2008 wöchentlich für jede Domain errechnet, die nennenswerte Rankings in den Suchergebnissen von google.de vorweisen kann. Von 2010 bis 2011 wurde der Sichtbarkeitsindex für sieben weitere Länder eingeführt.
(Quelle: Sixtrix.de)
C. Weiterführende Links
Praxishandbuch Social Media Recruiting
Social Jobs Partnerships: Facebooks Fata Morgana
Die neue Monster-Strategie: In Weston nichts Neues
Jobportale unter der Lupe: Die 360-Grad Panorama-Sicht
Die Sieger stehen fest: Das sind Deutschlands beste Jobportale 2014
Interview mit Ulrike Poley zum Relaunch der Jobsuchmaschine Jobanova
Übernahme der Jobsuchmaschine Jobrapido durch Symphony Technology
Sechs weitere Verlage beteiligen sich an Jobsuchmaschine kimeta.de
Kimeta.de: zum vierten Mal Nutzerliebling und führende deutsche Jobsuchmaschine
Fakten, Funktionen und Visionen: Wenn Google eine Jobsuchmaschine wäre
Nachts, wenn alle Personalchefs schlafen…schlägt die Stunde der Jobsuchmaschinen
Institute for Competitive Recruiting: Das Interview
2 Comments
Strange story, Mr. Kenk. Rather, strange five stories-in-one.
Sehr geehrter Herr Volschenk,
Vielen Dank für Ihren Kommentar. Wie sehen Sie die Rolle der Jobsuchmaschinen und die gegenwärtige Entwicklungen?