Kai Deininger LinkedOut
LinkedIn: Der Abgang des Online-Recruiting-Managers bringt Deutschland-Expansion ins Stocken
Von Gerhard Kenk
Sein Einstieg war wie sein Ausstieg: Unerwartet für die Experten, konsequent für den Stelleninhaber selbst. Der LinkedIn-Einstieg von Kai Deininger, ehemaliger Geschäftsführer von Monster Deutschland und ausgewiesener Online-Recruiting-Experte, galt für viele Kenner der Szene als personalpolitischer Coup erster Güte: Das US-Business-Netzwerk LinkedIn wollte beweisen, dass die Expansionspläne in Deutschland auch mit dem entsprechenden Kaliber an Management, Mitarbeiter und Moneten unterfüttert sind. Es galt insbesondere gegenüber dem Platzhirsch XING als Herausforderung im Wettbewerb der Business-Netzwerke um die Gunst der Mitglieder und der (zahlenden) Firmenkundschaft.
Der Konkurrenzkampf um immer höhere Mitgliederzahlen sollte endlich auch Geld in die Kassen der Business-Netzwerke bringen und den Cashflow-Mix aus Premiummitgliedsgebühren, Werbeeinnahmen, Recruiting-Erlösen und Events verbessern. Beide Business-Netzwerke schienen auf dem besten Weg, das „magische Dreieck“ des Online-Geschäftsmodells, nämlich Konsumenten, Firmen und Value-added Produkte und Funktionen in den Griff zu bekommen. Doch der plötzliche Abgang des LinkedIn Commercial Director Germany Kai Deininger bringen nun die ehrgeizigen Expansionspläne, die Europa-Chef Ariel Eckstein hegte, ins Stocken.
Fulminanter Start
Wie allgemein erwartet, gab Kai Deininger gleich nach seinem Einstieg in die Münchner LinkedIn-Dependance Vollgas – und das an allen Fronten. So berichtete Christian Lohmüller im Mediendienst Kress: „Unter Deiningers Führung ging LinkedIn in Deutschland in die Offensive. Seit Herbst wirbt das Netzwerk mit der „Make it Happen“-Kampagne in Deutschland, dem Heimatmarkt von Konkurrent Xing (kress.de vom 17. Oktober 2011). Zunächst schalteten die Münchner Online-Banner mit LinkedIn-Testimonials auf der eigenen Website, im nächsten Schritt buchten sie 25 reichweitenstarke Websites, darunter „Spiegel.de“, „stern.de“ und „FTD.de“. Im Dezember folgten Werbe-Displays mit kurzen Videos an großen deutschen Flughäfen.“
Die Priorität des Recruting-Geschäfts für LinkedIn als zukünftige Cash-Cow untermauerte Deininger anlässlich eines hochkarätig besetzten Presse-Round-Table im September. LinkedIn setzte eindeutig auf Social Media Recruiting als Zugpferd für die zukünftige Geschäftsentwicklung in Deutschland – und im Sattel saß als Jockey ein ausgewiesener Online-Recruiting-Experte.
Kai Deininger
- Nach dem wirtschaftswissenschaftlichen Studium an der Northwestern University (Illinois, USA) war Deininger bei Compaq Asia und EMEA als Program Manager tätig.
- Sein Einstieg in das Online-Recruiting-Business erfolgte bei Jobline / Wideyes als Director Business Operations.
- 2002 trat er als Managing Director bei Monster Worldwide ein und steuerte den Aufbau des Deutschland-Geschäfts. Nach der Übernahme von Jobpilot durch Monster war Deininger bis 2007 als Head of Marketing & Communications für Monster Europe tätig.
- Nach Deiningers Ausscheiden bei Monster folgten verschiedene Management-Positionen (u.a. Constellation Group, MFG.com) sowie Consulting Projekte (u.a. bei Experteer in München)
- Sein kurzes Engagement als Commercial Director Germany bei LinkedIn wurde dem üblichen Sprachgebrauch gemäß in beiderseitigem Einverständnis beendet – hinter den Kulissen war der Trennungsvorgang sicherlich nicht ganz so harmonisch.
Die Quadriga der Jobbörsen-Lobby
Während seiner Tätigkeit bei Monster war Deininger ebenfalls Leiter der Initiative Arbeitsmarkt im Verband der deutschen Internetwirtschaft, dem eco Forum e.V. In dieser Zeit (2004) kanalisierte er die bis dato nicht existierende Lobby-Arbeit einige der großen Jobbörsen in Deutschland (Jobpilot, Jobscout24, Stellenanzeigen.de, Monster) als Gegengewicht zu dem „Virtuellen Arbeitsmarkt“ (VAM) der Bundesanstalt für Arbeit. Er argumentierte gegen das mit über 160 Millionen Euro steuerfinanzierte Jobbörsen-Projekt der BA und forderte eine wettbewerbsneutrale Lösung. Deininger bzw. der eco-Verband wertete den „VAM“-Versuch der BA als „historischen Sündenfall des Staates“ für die gesamte Medienlandschaft. „Medien aller Art – Print, Online, TV und Radio – finanzieren sich in einer Marktwirtschaft primär über Werbeeinnahmen. Wenn der Staat Werbung kostenlos veröffentlicht – wie das beim ‚VAM‘ der Fall ist -, sägt er damit an den Grundpfeilern der Medien- und damit auch der Meinungsfreiheit in Deutschland“.
Letztlich führten die immensen Kostensteigerungen des VAM-Projekts zu einer Dauerkritik an dem damaligen Chef der Behörde Florian Gerster – bis seine Schwester, die ZDF-Nachrichtensprecherin Petra Gerster dessen Ablösung in der „heute“-Nachrichtensendung professionell-unterkühlt verlesen musste. Gerster-Nachfolger Frank-J.Weise deckelte den Kostenrahmen für die virtuelle Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit und steuerte die Behörde wieder in ruhigeres Fahrwasser. Die Kritik der privatwirtschaftlichen Jobbörsen an der steuerfinanzierten Wettbewerbsverzerrung durch die BA blieb allerdings in der Folge ohne konkrete Auswirkungen.
Social Media Recruiting bei LinkedIn – zurück auf Los?
Der Aufbau einer schlagkräftigen Verkaufsmannschaft, die deutsche Arbeitgeber von den Vorzügen des Social Media Recruiting mit Hilfe von LinkedIn überzeugen sollten, entpuppte sich jedoch als schwierigere Aufgabe als ursprünglich gedacht. Den Aspiranten für diese Vertriebsjobs wurden nicht nur die Vorzüge von LinkedIn und deren überzeugende Marktposition in den USA schmackhaft gemacht und mit entsprechenden finanziellen Konditionen gewürzt, auch eine knallharte Zielvereinbarung über die zu erreichenden Vertragsabschlüsse lagen auf dem Teller – für manch qualifizierten Bewerber eine unverdauliche Mischung.
Hinzu kommt, dass EMEA-Manager Eckstein sich ausgesprochen zugeknöpft zeigt, wenn es um die Zielgruppen-Profile der Mitglieder in Deutschland geht: „We disclose these details to our customers but not to the public“, gestand er einem staunenden Publikum beim Presse-Round-Table in München. Nun ist jedoch die Zusammensetzung der Mitgliedsprofile eines der wichtigsten Entscheidungskriterien, wenn es um die Auswahl eines geeigneten Mediums im Online-Recruiting geht – und ausgerechnet bei LinkedIn sollten die Personaler des Landes die Katze im Sack kaufen.
Eva Zils kommentierte den plötzlichen Abgang von Kai Deininger in ihrem lesenswerten Blog „Online-Recruiting.net“ so:
Eine LinkedIn-Sprecherin sagte, “die Trennung sei in beidseitigem Einvernehmen erfolgt, wollte aber nicht ins Detail gehen”. Die Aufgabenstellung wäre nicht klar gewesen, heißt es, da Deininger einerseits als Deutschland-Chef deklariert worden war, aber andererseits lediglich als Vertriebsleiter Deutschland fungiert habe. Kai Deiningers Aufgaben werden interimsmäßig von Ariel Eckstein, Managing Director von LinkedIn EMEA, übernommen.
Ein merkwürdiger Schritt des amerikanischen Riesen, da Deutschland doch ein interessanter Markt für das Business Netzwerk darstellte. Jedoch sollten in der DACH-Region zunächst ausschließlich Recruiting Produkte vertrieben werden. Die Sales-Ziele für den deutschen Markt wurden zu hoch angesiedelt. Hierzulande sind die meisten Personaler den technikdurchtriebenen Hiring Solutions skeptisch eingestellt, zumal die deutsche Nutzerbasis auf LI immer noch nicht überragend groß ist. Wer sich heutzutage am deutschen Online Recruiting Markt etablieren möchte, hat nicht nur mit einer gewaltigen Konkurrenz zu rechnen, sondern muss auch einplanen, dass die deutschen Personaler technologieträge sind.
Reality Check I
Ungeachtet der Realität im Online-Recruiting-Geschäft profitieren Business-Netzwerke wie XING und LinkedIn sowie Social Media Plattformen wie Facebook oder Twitter von dem wie ein Mantra vorgetragenen Hype um Social Media. Allerorten predigen die Gurus der Social Medien die Vorzüge der großen und ständig wachsenden Mitgliederzahl und von dem Versprechen, dass selbstverständlich eine hohe Mitgliederzahl sich auch in den entsprechenden Umsätzen niederschlägt. Nur zu selten wird jedoch dieses Evangelium durch die Realität bestätigt.
SPIEGEL-Online stellte kürzlich eine Analyse der „Internet-Riesen“ vor und untersuchte Faktoren wie Mitgliederzahl, Umsatz und Gewinn sowie Börsenbewertung.
Reality Check II
Das Online-Recruiting in Deutschland steht im Wettbewerb um die Anzahl der publizierten Stellenanzeigen, um die Reichweite und Nutzungshäufigkeit bei den Stellensuchenden sowie um die Nutzerzufriedenheit der Bewerber und Arbeitgeber. Gleichzeitig findet ein Gattungswettbewerb der unterschiedlichen Geschäftsmodelle statt. Hier stehen Jobbörsen mit ihrem kostenpflichtigen Publikationsmodell den Jobsuchmaschinen mit einem kostenlosen Publikationsmodell sowie die SoCom-Medien (Social / Commercial Media) mit ihrem Mitgliedsmodell in Konkurrenz. ‚Der Blick auf die auf die harten Fakten der zugrundeliegenden Geschäftsmodelle, stellvertretend auf die publizierten Stellenanzeigen, birgt manche Überraschung.
Anhand der publizierten Anzahl der Stellenanzeigen – und das ist für Bewerber ein ganz wichtiges Entscheidungskriterium – wird mit Hilfe einer Stichprobe untersucht, wie sich der Anzeigen-Mix für einige häufig vorkommende Tätigkeiten auf die einzelnen Wettbewerber verteilen. Die Anzahl der Stellenanzeigen sind ein wichtiger Indikator für die Marktposition eines Jobportals. In der Stichprobe wurde diese Zahl für gängige Tätigkeitsbezeichnungen wie Vertrieb, Ingenieur, Buchhaltung, Software, Marketing oder Projektmanager mit Hilfe der Freitext-Suche ermittelt. Die Stichprobe (Stand 23. Januar 2012) wurde bei den Internet-Portalen LinkedIn und Xing (Business-Netzwerke), bei Monster und StepStone (Jobbörsen) sowie bei Kimeta und iCjobs (Jobsuchmaschinen) in Deutschland erhoben. Die Ergebnisse der Stichprobe sind lediglich explorativ und nicht repräsentativ.
Anzahl publizierter Stellenanzeigen im Überblick:
(Quelle: Crosswater-Job-Guide.com)
Eine grafische Darstellung macht mehr als deutlich, wo derzeit der Schwerpunkt der publizierten Stellenanzeigen bei den einzelnen Recruiting-Portal-Gattungen liegt: Die Jobsuchmaschinen Kimeta und iCjobs publizieren über 50% bzw. 38% der in der Stichprobe untersuchten Stellenanzeigen, die kostenpflichtigen Jobbörsen Monster (5%) und StepStone (5,5%) folgen und mit großem Abstand rangieren LinkedIn (0,13%) und XING (0,29%) am Ende dieser Aufstellung.
(Quelle: Crosswater- Job-Guide.com)
Allerdings beschränkt sich der Wettbewerb der Recruiting-Portale nicht nur auf das reine Massengeschäft der Stellenanzeigen – Reichweite, Funktionsbreite, Nutzerzufriedenheit, Bekanntheitsgrad oder das Umsatz/Gewinn-Verhältnis spielen ebenfalls eine wichtige Rolle.
Book a Table, book a Star
Die jüngsten Management-Fluktuationen in der Online-Recruiting-Welt zeigen einmal mehr, dass sich ausgewiesene Management-Experten keinerlei Karrieresorgen machen müssen.
So hat Frank Hensgens nach seinem überraschenden Ausscheiden als Geschäftsführer StepStone erst einmal einen lang gehegten Traum realisiert und dabei in Papua-Neuguinea die eigentliche Bedeutung des Begriffs „Head-Hunter“ verinnerlicht. Und ganz schnell hat er wieder eine neue Herausforderung als Geschäftsführer Central Europe bei Livebookings in Hamburg gefunden. Livebookings bietet ein Online-Reservierungssystem für die gehobene Gastronomie an und offeriert ihren zahlenden Kunden der Restaurant-Branche einen Mehrwert hinsichtlich Promotion (Konsumenten) und optimierte Prozesse und Funktionen. Bei Livebookings trifft er wieder auf Weggefährten aus seiner Zeit im Online-Recruiting: Colin Tenwick (ehemaliger StepStone-CEO) und Ian Cole (ehemaliger StepStone CFO) sind schon dort.
Auch Till Kaestner schied eher unvermittelt bei Monster Worldwide als Vice President Marketing Central Europe aus und ist seit dem Herbst 2011 als Partner bei Kirchheim Entertainment tätig. Kirchheim Entertainment ist eine international tätige Vermittlungsagentur von Stars, Prominenten und Künstlern und ist als Dienstleister auf die Event-, Werbe- und Industriebranche fokussiert.
Und nach Karriere-Stationen bei Nokia ist Jörg Malang, der frühere Managing-Director und Shareholder bei der Jobsuchmaschine Kimeta in Darmstadt, wieder im Online-Recruiting-Geschäft gelandet. Er bringt bei XING in Hamburg als Vice President Product seine langjährigen Erfahrungen im Suchmaschinen-Geschäft ein.
Um die weitere Karriere braucht man sich bei Kai Deininger keine Sorgen machen, er kann ohne zwingende Not seinen nächsten Karriereschritt planen – sein exzellentes persönliches internationales Netzwerk wird ihm eine gute Hilfestellung sein. LinkedIn-EMEA Chef Ariel Eckstein wird es ungleich schwieriger haben, die ins Stocken geratene Deutschland-Expansion wieder anzuschieben.
Weiterführende Links
LinkedIn Deutschland vollzieht bereits Führungswechsel Online-Recruiting.net
Entfreundet: LinkedIn und Kai Deininger trennen sich Kress
Linkedin und Kai Deininger trennen sich W&V
LinkedIn tauscht deutsche Führung aus Heise online
So viel verdienen die Internet-Riesen mit aktiven Nutzern: Quelle Spiegel-Online
Der Herausforderer in der blauen Ecke: LinkedIn expandiert in Deutschland
2 Comments
[…] Kenk hat den Kai Deininger Abgang bei LinkedIn auch kommentiert und dabei eine sehr lesenswerte Analyse über die Anzahl der Stellenangebote in Jobbörsen, sozialen Netzen und Jobsuchmaschinen gepostet. […]
[…] Kaestner von der Monster-Organisation kam, verblieb nur weniger als ein Jahr auf dieser Position, die Trennung kam überraschend und kurzfristig, natürlich wieder im “gegenseitigen […]