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Kann Social Media Recruiting auch 2017 die Erwartungen erfüllen?

Social Media Recruiting Trends 2017: Experten-Interview mit Ralph Dannhäuser

Von Wolfgang Brickwedde, Institute for Competitive Recruiting

Hallo Ralph,

Ralph Dannhäuser
Ralph Dannhäuser

vielen Dank für Deine Bereitschaft zu einem Interview zu den ICR Recruiting Trends 2017. Du bist Herausgeber und einer der Autoren des Bestsellers „Praxishandbuch Social Media Recruiting“, das sich bereit in der zweiten Auflage als Standardwerk im deutschsprachigen Raum etabliert hat. Als einer der führenden Experten für Social Media Recruiting lade ich Dich ein, Deine Meinung und Erfahrungswerte mit den Social Media Recruiting Trends für 2017 aus den ICR Recruiting Trends 2017 abzugleichen.

Über Ralph Dannhäuser

Ralph Dannhäuser ist in Deutschland einer führenden Experten für Karrierenetzwerke. Mit seiner Firma „on-connect“ unterstützt er Unternehmen bei der Personalgewinnung und bei deren Positionierung in Social Media Kanälen.

Er ist Herausgeber und Autor des Bestsellers „Praxishandbuch Social  Recruiting“. Das Werk hat sich in 2.Auflage als Standardwerk im deutschsprachigen Raum etabliert. Ralph Dannhäuser ist leidenschaftlicher Redner für Karriere- und Social Media Themen.

 

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Quelle: ICR

 

Auf geht’s:

Wolfgang Brickwedde ist Director des Instituts for Competitive Recruiting in Heidelberg
Wolfgang Brickwedde

Was sind für Dich bei der Betrachtung der ICR Recruiting Trends die auffälligsten Entwicklungen in den letzten Jahren im Bereich Social Media Recruiting?

Es sind mehrere auffällige Entwicklungen, die mir im Recruiting allgemein, wie auch im Social Media Recruiting ins Auge stechen. Aus der Praxis finde ich viele Parallelen zu den aktuellen Studienergebnissen der „ICR Recruiting Trends 2017“:

    • Es ist zu erkennen, dass die Proaktivität der Unternehmen in ihren Personalmarketing- und Recruitingmaßnahmen weiter angestiegen ist. Viele von ihnen sind mittlerweile aus dem „Dornröschenschlaf“ erwacht und haben sich von einer Passivität (Post & Pray-Mentalität) hin zur Proaktivität entwickelt. Anders herum gibt es noch sehr viele Unternehmen, die die Chancen noch nicht für sich erkannt haben oder der Druck, qualifiziertes Fachpersonal zu finden, immer noch nicht groß genug ist.

 

    • Die Nutzung von browserbasierter Software zur Suche von potenziellen Kandidaten ist gerade in den letzten drei Jahren sprunghaft angestiegen. Vor allem bei den Karrierenetzwerken wie XING (XING TalentManager) und bei LinkedIn (LinkedIn Recruiter) haben diese Geschäftsbereiche große Wachstumsraten zu verzeichnen. Diese Tools sind der „Shooting Star“bei den Recruiting-Technologien am Markt. Das Wachstum wird noch weiter zulegen, da der deutschsprachige Markt noch nicht komplett durchdrungen ist und Besetzungserfolge zu verzeichnen sind.

 

    • Social Media Recruiting hat sich innerhalb der letzten vier Jahre zum ernsthaften Player im Bereich der Stellenpostings und der besten Einstellungsquellen etabliert. Social Media Recruiting gehört zu den TOP 3 Kanälen, wenn es um Personalbeschaffung geht (Online-Stellenbörsen, Karriereseiten von Unternehmen voran) dicht gefolgt von den Mitarbeiterempfehlungen auf Platz 4

 

    • Employer Branding ist eines der treibenden Themen in der HR-Welt. Die Pflege und das aktive Gestalten der eigenen Arbeitgebermarke – das sogenannte Employer Branding – ist essenziell im Wettbewerb um die besten Kandidaten. Viele Kandidaten bewerben sich heute nicht mehr bei einer Firma, sondern die Firma beim Kandidaten. Als Ergebnis erleben wir eine Revolution des Bewerberverhaltens. Die Machtverhältnisse haben sich verschoben. Die Übermacht der Arbeitgeber gehört der Vergangenheit an. Auf einmal haben die Bewerber die Auswahl, Unternehmen buhlen um die besten Mitarbeiter und müssen in sozialen Netzwerken „Farbe bekennen“!

 

    • Die Ausgabenplanungen für Karriere- und Businessnetzwerke (XING, LinkedIn, Kununu) haben nach einem kleinen Zwischentief in 2015 wieder deutlich an Fahrt aufgenommen. Mehr als jedes zweite Unternehmen will dort mehr Geld ausgeben, so die Studien. Bei den Mitarbeiterempfehlungen, Job-Messen und den anderen Social Networks (Facebook, YouTube, Twitter & Co.) zeigt der Trend für 2017 weiter nach oben. Ich weiß aus meiner Beratungspraxis, dass einige Unternehmen Budgetumschichtungen oder sogar –aufstockungen für die Personalgewinnung vornehmen werden. Bisherige Kanäle werden auf den Prüfstand gestellt, neue Kanäle getestet und implementiert.

 

Wie siehst Du die Entwicklungen beim Wettbewerb der beiden großen Businessnetzwerken XING und Linkedin für 2017?

Schauen wir uns die Mitgliederzahlen an. XING ist bei den Businessnetzwerken nach wie vor der Platzhirsch im deutschsprachigen Raum. Das ist im Gegensatz zu LinkedIn auch deren Kernmarkt. Wobei man sagen darf, dass LinkedIn in den letzten Jahren enorm zugelegt hat in der DACH-Region. Der Abstand dieser beiden Netzwerke hat sich unter Betrachtung der Mitgliederzahlen verringert.

In Zahlen bedeutet das Stand Januar 2017: (ca. Zahlen, aufgerundet, Mitgliederzahlen in Millionen)

  • XING DACH: 11 Mio.
  • XING weltweit: 16 Mio.
  • LinkedIn DACH: 9 Mio.
  • LinkedIn weltweit: 470 Mio.

Ich sehe bei uns in  der DACH-Region noch weiteres Wachstumspotenzial beider Netzwerke. Gerade bei jungen Leuten wie Berufseinsteigern, Auszubildenden und Studenten ist die Durchdringung sehr gering, wie ich bei unserem Vortragsformat „Karriereführerschein“ durch Live-Abfragen immer wieder feststelle. Sechs von 200 Zuhörern melden sich per Handzeichen. Bei Facebook, WhatsApp & Co. melden sich 98%! Bei den Kernmitgliedern (25 – bis 50-jährigen) haben wir gemessen an der Gesamtbevölkerung im Vergleich zu anderen Ländern, wie Holland, Großbritannien oder USA auch noch Luft nach oben. Ich schätze das Mitgliederpotenzial je Netzwerk mittelfristig auf mehr als 18 – 20 Millionen Mitglieder ein. In diesem Jahr wird jedes Netzwerk um eine Million Mitglieder in der DACH-Region wachsen.

 

Immer mehr Arbeitgeber greifen angesichts des Fachkräftemangels zur Selbsthilfe: Active Sourcing hat um mehr als 25% in der Anwendung zugelegt. Wie siehst Du dabei die Trends für 2017?

Nach ein paar Jahren der „Ernüchterung“ ist bei vielen Unternehmen das Active Sourcing wieder stark in den Fokus gerückt. Dies hängt zum einen mit der Engpasssituation in vielen Berufen zusammen und zum anderen ist, wie in Punkt 2 bereits erwähnt, die Nutzungsquote zur Verfügung stehender Tools sprunghaft angewachsen. Jede zehnte Position wird heute bereits mit aktivem oder passivem Social Media Recruiting besetzt. Darunter auch Stellen über Active Sourcing.  Auch wenn der zeitliche Aufwand für gut gemachtes Active Sourcing nicht zu unterschätzen ist, sehen hierüber viele Firmen die einzige Möglichkeit, um überhaupt mit den besten Talenten in Kontakt zu treten. Erfolge geben ihnen Recht! Active Sourcing wird weiter zulegen. Immer mehr Firmen unterstützen Ihre Mitarbeiter bei der Erstellung von professionellen Recruiter-Profilen in XING und LinkedIn. Darüber hinaus qualifizieren sie die neue Recruiter-Generation mit professionellen Schulungsmaßnahmen und Trainings im Umgang mit Active Sourcing.

Mehr als jede 10. Stelle kann schon mit Hilfe der Social Media Netzwerke besetzt werden und Arbeitergeber wollen für diesen Kanal auch 2017 noch mehr Geld ausgeben? Wie sollte man am besten vorgehen? Was würdest du empfehlen?

Jeder Budgetverantwortliche wird sich genau überlegen, wo er seine Mittel am gewinnbringendsten einsetzt. Nur ist es so, das auch hier die Hausaufgaben gemacht werden müssen, so dass man grundlegende Fragestellungen wie Zielrichtung, Zielgruppen und Erfolgsmessung geklärt haben muss, um langfristig mit den neuen Maßnahmen auch Erfolg zu haben. Ich habe dies für die Leser in 6 Erfolgsformeln zusammengefasst:

 

 

Erfolgsformel Nr. 1: Erklären Sie Social Media Recruiting zur Chefsache!

Social Media Recruiting sollte unbedingt in der Unternehmensstruktur ganz oben aufgehängt sein, um es ernsthaft und erfolgreich zu betreiben. Social Media Recruiting ist kein Azubi- oder Praktikantenthema, das mal „nebenher“ erledigt werden kann. Erklären Sie Social Media Recruiting zur „Chefsache“, um den Strategieplan festzulegen und die notwendigen personellen, finanziellen und strukturellen Voraussetzungen intern zu schaffen. Benennen Sie einen „Social Recruiting Verantwortlichen“, der sich für die Umsetzung der Themen einsetzt. Lassen Sie sich regelmäßig über die Aktivitäten berichten. Das unterstreicht die Wichtigkeit dieses Projekts und zeigt, dass Sie als Chef dahinter stehen.

 

Erfolgsformel Nr. 2: Gestalten Sie Social Media-Präsenzen professionell!

Bevor Sie aktiv in den für Sie relevanten Kanälen loslegen, sollten Sie professionelle Social Media Präsenzen eingerichtet haben, die Ihr Unternehmen so zeigen, wie Sie wirklich sind. Auch im Netz gilt: Der erste Eindruck zählt und Nutzer entscheiden innerhalb von Sekunden, ob Sie weggeklickt werden. Die Praxis zeigt, dass es empfehlenswert ist, neben den Unternehmenspräsenzen auch professionelle Mitarbeiterpräsenzen zu gestalten oder diese bei der Entwicklung zu unterstützen. Mit ansprechenden Texten, klaren Strukturen und wirkungsvollen Grafiken werden Sie punkten!

 

Erfolgsformel Nr. 3: Steigern Sie Ihre Bekanntheit auf dem Bewerbermarkt und kommunizieren Sie Ihre Arbeitgeber-Attraktivität!

Gestalten Sie Ihren guten Ruf als Arbeitgeber aktiv mit. Was zeichnet Sie als Arbeitgeber aus? Eine Mitarbeiterkantine? Kostenfreie Parkplätze? Flexible Arbeitszeiten? Kinderbetreuung? Was ist das Besondere an Ihnen als Arbeitgeber? Wie fühlt es sich an, bei Ihnen zu arbeiten? Was sagen Ihre eigenen Mitarbeiter über Sie als Arbeitgeber? Zeigen Sie alle Ihre Vorteile auf und kommunizieren Sie diese auch im Netz! Nutzen Sie realistische Bilder und authentische Videos, um Ihr Unternehmen anschaulich darzustellen. Sie werden auch online gesucht und dann hoffentlich auch gefunden.

 

Erfolgsformel Nr. 4: Personaler müssen heute Berater und Vertriebler sein

Falls Sie mehrfach pro Jahr Personal beschaffen müssen, ist es sinnvoll, darüber nachzudenken, eine neue (Teilzeit-)Stelle für einen „Active Sourcer“ oder einen „Recruiter der neuen Generation“ neuen  zu  schaffen. Zwischen dem Personaler, wie Sie ihn aus der Vergangenheit kennen, und dem heute notwendigen „Recruiter“ liegen Welten. War der „Personaler“ eher „verwaltender Administrator“, so ist der „Recruiter der neuen Generation“ mehr „Berater und Verkäufer“.  Aus meiner Sicht müssen proaktive Recruiter eine sehr hohe Vertriebsorientierung mitbringen, hochkommunikativ sein sowie eine aktive Vorgehensweise mit hoher Lernbereitschaft im Web kombinieren. Gleichzeitig müssen sie den Arbeitsmarkt für ihre Zielgruppen gut kennen und die Personalanforderungen der Fach- und Führungskräfte managen und interpretieren.

 

Erfolgsformel Nr. 5: Gehen Sie aktiv auf Kandidaten zu!

Heutzutage wollen die besten Kandidaten von den Unternehmen gefunden und aktiv angesprochen werden – und nicht umgekehrt. Die Motivation für eine aktive Bewerbung bei Unternehmen ist deutlich gesunken. Wussten Sie, dass Sie eine ganze Menge an Potenzial verschenken? In beruflichen sozialen Netzwerken wie z. B. XING oder LinkedIn befinden sich neben Bewerbern, die an Karrierechancen interessiert sind, zum Großteil latent suchende oder passive Kandidaten, die für Ihr Unternehmen hoch interessant sein können. Mit einer aktiven Kandidatenansprache werden Sie deutlich mehr Erfolg haben, indem Ihr Recruiter einen Dialog mit Ihrem potenziellen Kandidaten eröffnet. Gerade für Unternehmen, die nicht so bekannt sind, bietet diese Methode die Möglichkeit, sich bei den potenziellen Kandidaten vorzustellen.

 

Erfolgsformel Nr. 6: Passen Sie Ihre Unternehmenskultur an!

Die Schlagworte „fortschreitende Digitalisierung“, „demografischer Wandel“ und „Wertewandel durch die Generation Y“ sind der Zündstoff für die einschneidenden Veränderungen in den Arbeitswelten der Unternehmen. Statussymbole und klassische Belohnungssysteme begeistern die anspruchsvollen Berufseinsteiger und Young Professionals nicht mehr so stark wie früher. Stattdessen werden bestehende Systeme und der Sinn der Arbeit hinterfragt und es wird kritisch geprüft, wie sich der Job mit den eigenen Interessen und Werten in Einklang bringen lässt. Dazu werden persönlicher Freiraum sowie zeitliche und räumliche Flexibilität vom Arbeitgeber verlangt. Diese neuen Anforderungen zwingen Unternehmen zum massiven Umdenken und Handeln – auch und gerade im Umgang mit potenziellen Bewerbern, den internen Recruiting-Prozessen, der Unternehmenskultur, dem Führungsverhalten sowie dem „Employer Branding“!

  

Letzte Frage: Wie geht es mit dem“ Praxishandbuch Social Media Recruiting“ weiter? Gibt es eine 3. Auflage und werden die ICR Recruiting Trends 2017 darin einen Platz haben?

Gerade arbeiten wir mit Hochdruck an der 3. Auflage unseres Werkes, das im September 2017 erscheinen soll. Das Buch wird einer Generalüberholung unterzogen und entsprechend aktualisiert. Gerade im Bereich Social Media Recruiting gibt es immer wieder Änderungen, die berücksichtigt werden müssen. Unter anderem wird es auch ein neues Kapitel zu „Active Sourcing“ geben, das auf die gewichtigen Kapitel „XING“ und „LinkedIn“ aufbaut. Des Weiteren werden neue Trends im Recruiting erläutert und durch Praxisinterviews unterfüttert. Im Kapitel 1 „Trends im Recruiting“ werde ich auch wieder interessante Studienergebnisse zum Thema platzieren. Hierbei werde ich auch die Recruiting Trends 2017vom ICR sowie Auszüge aus dem bis dahin veröffentlichten „ICR Social Media Recruiting Report 2016“ veröffentlichen.

Ralph, vielen Dank fürs Gespräch

Die ICR Recruiting Trends 2017 können Sie sich hier kostenfrei downloaden

 

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