Das Mantra der HR-Marketing-Kampagnen
Von Gerhard Kenk, Crosswater Job Guide
Heute ist für mich eigentlich ein ganz entspannter Blogger-Tag. Ich habe den 1. März, an dem sich laut Aussage von Firstbird das Recruiting grundlegend verändern sollte, verletzungsfrei überstanden und mich erfolgreich um den Hype des Mitarbeiterempfehlungsmarketings als „the best since sliced bread“ drücken können. Und zweitens habe ich bis jetzt der subtilen Aufforderung „Bloggen bis zur Selbstausbeutung“, die mir von einer Marketing-Agentur (Claim: „Welche Farbe hat Consulting?“) ans Herz gelegt wurde, widerstanden.
Und so war ich ziemlich erleichtert, als ich die kritische Analyse des geschätzten Blogger-Kollegen Stefan Scheller (Persoblogger.de) las. Er ging dem Firstbird-Marketing-Mantra nicht auf den Leim und brachte seine ganz eigene Sicht der Dinge rüber. „Der Ausverkauf der Mitarbeiter-Empfehlungsprogramme beginnt“ – so titelt Scheller seine kritische Rezension (hier nachzulesen bei Persoblogger.de von Stefan Scheller).
Jo Diercks (Recrutainment.de) schafft nach vielen positiven Einschätzungen des Firstbird-Recruiting-Ansatzes noch die Kurve und zieht ein realistisches Fazit:
Dieses Henne-Ei-Problem muss natürlich nicht Firstbird selber lösen, sondern in allererster Linie diejenigen Unternehmen, die darüber ihr Referral-Programm betreiben – Firstbird ist ja nur die Plattform dafür, das Vehikel -, aber letztlich wird natürlich auch der Erfolg von Firstbird davon abhängen, ob das Schwungrad insgesamt in Gang kommt. Hier könnte es durchaus helfen, dass Firstbird – zumindest in einer Basisversion – kostenlos nutzbar ist (man nennt das wohl Freemium)…
Also: Ich finde nicht, dass sich heute das Recruiting für immer verändert hat, aber der bunte Setzkasten an Möglichkeiten, erfolgreiches Recruiting betreiben zu können, ist definitiv bereichert worden.
Jetzt muss es nur noch genutzt werden. Nur noch.
– mehr davon auf http://blog.recrutainment.de/2016/03/02/referrals-mitarbeitergewinnung-ueber-persoenliche-empfehlungen-der-firstbird-relaunch/#ixzz41iXj801d
Zu einer eher positiven Meinung ringt sich Robindro Ullah in seinem Blogbeitrag „Der erste Vogel fängt den Wurm – First Bird stellt den Recruitingmarkt auf den Kopf “ durch. So beschreibt Ullah seine Eindrücke der Marketing-Präsentation:
Was ich gestern zu Gesicht bekommen habe, ist eine kleine Recruiting Revolution, würde ich meinen. Dabei ist das inhaltliche Konzept uralt. Aber wie wir schon von Apple gelernt haben, muss man kein neues Produkt erfinden, um den Markt zu revolutionieren. Es reicht manchmal schon, ein altes Produkt nur aus einer neuen Perspektive zu betrachten, um den Markt zu revolutionieren.
Einfach und intuitiv – das reicht manchmal schon. Leider ist das meist super schwer umzusetzen. Beides hat FirstBird mit dem neuen Ansatz meiner Meinung nach geschafft und darüber hinaus einen Gedanken umgesetzt, den ich ebenfalls bei Slack schon als echt clever empfunden habe. Es ist zudem highly connective! Slack, Dropbox, Evernote usw – alles ist möglich, so scheint es. Und das beste: eine Open API. Liebe ATS Anbieter, bitte sofort andocken.
Der monocausale Recruiting-Kanal
Die Diskussion über den idealen Recruiting-Kanal dreht sich eigentlich im Kreis – befeuert vom Hype des HR-Marketings. Die Recruiting-Kanäle werden in Isolation betrachtet und führen demzufolge ein monocausales Eigenleben. Folgt man den Sirenen von Firstbird, ist ein High-Tech-basiertes Mitarbeiterempfehlungsmanagement das Maß aller Dinge. Jobsuchmaschinen wie Kimeta.de oder Indeed.de schwören auf ihren riesigen Bestand von Stellenanzeigen und ihre ausgeklügelte semantische Matching-Technologie. Und für die Kölsche Jungs von Talents Connect ist sowieso das Matching von Stellenanforderungen und Bewerberprofilen die Ultima Ratio.Und kaum jemand stellt die Gretchenfrage: Wenn HR nur einen einzigen Recruiting-Kanal nutzen könnte, welcher wäre es? Diese Frage ist zugegebenermaßen eher provokativ, denn in der Realität hat sich längst eine Koexistenz der Recruiting-Kanäle etabliert: Stellenanzeigen werden nach dem Publikationsmodell „Pusteblume“ überall und jederzeit in alle Winde gestreut:
Getrieben vom heißen Wind des Fachkräftemangels werden attraktive Stellen auf allen Kanälen publiziert – Jobanzeigen sind nahezu überall zu finden. Das beginnt schon mit der Veröffentlichung eines Stellenangebots auf der Karriereseite des Arbeitgebers, gefolgt von der Schaltung der Anzeige in Jobbörsen, automatisch indiziert durch Jobsuchmaschinen oder mit Hilfe von RSS-Feeds in die weite Welt hinausgeblasen. Die Idee bei diesem Turbo-Publikationsmodell ist die nahezu bedenkenlose Weiterverbreitung von Jobannoncen. Die Stellenanzeige wird einfach auf vielen Portalen gezeigt in der Hoffnung, daß diese verstärkte Reichweite irgendwo auf den richtigen Kandidaten trifft.
Der Pusteblume-Ansatz führt jedoch aus Sicht der Kandidaten zu einem Abstumpfungsprozess. Ein Autofahrer durchquert eine Großstadt und nimmt die Aussenwerbung nicht mehr war. Er konzentriert sich auf das Wesentliche und blockt die Reizüberflutung erfolgreich ab. Im Recruiting zeigt sich die Reizüberflutung in den automatischen Interfaces der Multi-Posting-Geeks. Die Timelines auf Twitter, Xing, LinkedIn oder Facebook werden von Stellenanzeigen überschwemmt und der Nutzwert der Social Media Kommunikations-Plattformen befindet sich im freien Fall.