Wenn KI auf Excel trifft – und das Recruiting der Unternehmen verändert
von Helge Weinberg
Künstliche Intelligenz (KI) ist das Buzzword des Jahres. Jede Redaktion, die etwas auf sich hält, schreibt darüber. Während dabei schon einmal unschuldige Chat Bots zu intelligenten Wesen mutieren, ist es um die konkrete Einführung der KI im Unternehmen eher still. Viel Diskussion, aber kaum Praxis? Gerhard Kenk und Helge Weinberg sprachen Ende Oktober in Köln mit jemanden, der es wissen muss: Thorsten zur Jacobsmühlen. Er ist der Gründer von hello.jobs, eine durch den Einsatz von KI selbstlernende Jobbörse mit innovativen Matching-Funktionen.
Wenn in einem Unternehmen KI wie hello.jobs auf Excel trifft, was passiert dann – mit den Menschen in HR und mit den Prozessen? Hier kommen Antworten.
KI ist ein Lernprozess
KI im Unternehmen, das ist ein Lernprozess. Wie kann HR sie sinnvoll nutzen? Wer diese Frage stellt, kommt schnell zu bestehenden Prozessen und etablierten Systemen. Denn es ist keineswegs damit getan, ein High-End-Produkt wie hello.jobs an ein übliches Bewerbermanagementsystem anzuflanschen und das Recruiting nutzt damit das Potenzial der KI, erklärt zur Jacobsmühlen. Ja, die Qualität der Bewerber würde besser. Aber was bringt das, wenn intelligente Daten im Unternehmen nach wie vor analog verwaltet werden? Nichts. Zu diesem Schluss kommen denn auch viele Unternehmen in ihren Gesprächen mit hello.jobs – und ändern ihre Prozesse.
Nadelöhr Bewerbermanagement
Eines der größten Nadelöhre im Unternehmen ist das Bewerbermanagement, sagt zur Jacobsmühlen. Selbst Konzerne sind oft nicht in der Lage, intelligent nach dem zu suchen, was sie eigentlich bräuchten. Sitzt eine gesuchte Person eventuell im Unternehmen oder ist sie unter den Bewerbern zu finden? Trotz einer Fülle an Daten und gleich mehreren Datenbanken können so manche Unternehmen diese Frage nicht auf Anhieb beantworten. Noch mehr Daten (= Bewerber) in das System zu schaufeln, ist eine beliebte Lösung von HR. Um dann betrübt festzustellen, dass es anscheinend nicht die „richtigen Bewerber“ zu geben scheint.
Das Problem liegt tiefer und erfordert massive Veränderungen auf mehreren Ebenen. Immer noch werden Jobsuchende durch die Bewerbermanagementsysteme in feste Kategorien „gepresst“. Obwohl heute viele Personaler glauben, dass Noten nur eine begrenzte Aussagekraft haben und Anschreiben sinnlos sein dürften, gibt die HR-Technologie keine flexiblen Möglichkeiten der Personalauswahl her. Wie soll ein althergebrachtes System Bewerber finden, die ideal auf eine Position passen würden, die aber durch die rigiden Such-Raster fallen? Antwort: Gar nicht. Hier kann KI helfen und Bewerber so aussuchen, wie es Headhunter tun würden. Dazu gleich mehr.
Hürde Personalvorauswahl
Meist scheitert KI schon an sehr profanen Prozessen in den Unternehmen. Stichwort: Vorauswahl der Bewerber. Wer nimmt diese vor, wer sortiert die eingehenden Bewerbungen auf zwei Stapel? Und nach welchen Kriterien? Ideale Bewerbungen, von hello.jobs vorgeschlagen, dürften zu einem guten Teil in den Unternehmen auf dem Absagestapel landen. Der Grund: Auf den ersten Blick fehlende Qualifikationen oder Erfahrungen. Wenn ein Unternehmen KI einsetzt, dann ist es sinnvoll, dass die Vorauswahl durch entsprechend geschulte Personaler erfolgt. Denn KI wie hello.jobs vernetzt Wissen und zieht deshalb Schlussfolgerungen, die so manche Recruiter auf den ersten Blick überraschen dürften. Unternehmen müssen bereit sein, Bewerberprofile zu akzeptieren, die nicht dem klassischen Bild entsprechen – und die Auswahlprozesse entsprechend nachzujustieren. Sonst kommen interessante Bewerber gar nicht erst nicht bei den Entscheidern an.
Jobbörse als Eintrittspforte für smartes Arbeiten
„Wir haben den Luxus, von den Kunden zu lernen“, sagt zur Jacobsmühlen. In vielen Unternehmen sei die Schmerzgrenze erreicht und sie brauchen Hilfe. Alles, was hello.jobs für die Kunden entwickle, würde in die Jobbörse integriert. Das System lernt beständig. In vielen Unternehmen sei hello.jobs mittlerweile nicht „nur“ Stellenbörse, sondern ein Recruiting-Tool, das KI nutzt, um den gesamten Recruiting-Prozess von der Ausschreibung bis zur Einstellung zu begleiten. Sie ist zugleich die Eintrittspforte für das smarte Arbeiten in den Unternehmen. Sie stellt ihr know-how zur Verfügung, entweder für fertige KI-Lösungen oder für Beratung und inviduelle Lösungen.
Treibende Kräfte in den Unternehmen sind dabei meist Personalleitung und die Geschäftsführung.
Wie findet KI gute Bewerber?
KI kann aus den verfügbaren Daten deutlich mehr Informationen herausziehen als herkömmliche Auswahlverfahren. Voraussetzung ist, dass das System richtig „angelernt“ wurde. Ein kurzer Bewerbungstext beispielsweise versorgt das Recruiting via hello.jobs mit einer Vielzahl an Informationen, die in dem eigentlich überschaubaren Werk gar nicht enthalten zu sein scheinen. Das System liest Bewerbungen anders als die Recruiter, Stichwort „Skill Cluster“.
Beispiel gefällig? Bei Frontendentwicklern etwa weiß hello.jobs, dass diese auch in HTML oder PHP fit sein dürften, auch wenn das dem Recruiting nicht auf Anhieb bewusst sein mag. Das System wurde so angelernt und kann deshalb in Sekundenbruchteilen Querverbindungen ziehen. Deshalb versteht hello.jobs auch auf den ersten Blick karge Aufgabenbeschreibungen zu Stellenanzeigen sehr umfassend. Und matcht diese aus Sicht des Systems ausführliche Beschreibung mit Bewerbungsunterlagen, die ebenfalls auf den ersten Blick eher dürftig erscheinen mögen. „Das System zerlegt die verfügbaren Texte, versucht diese zu verstehen und gibt ihnen zusätzliche Infos aus dem Kontext mit. Es entdeckt Berührungspunkte, die in einem normalen Matching nie gefunden werden“, erklärtzurJacobsmühlen.
Auch der Cultural Fit der Bewerber lässt sich so treffsicher feststellen. Unternehmen können definieren, welche persönlichen Eigenschaften Mitarbeiter mitbringen sollen. Ein entsprechendes Matching wird hello.jobs in naher Zukunft anbieten, basierend auf den „Big Five Persönlichkeitsfaktoren“. Dieses Standardmodell in der Persönlichkeitsforschung ist im Englischen unter „OCEAN“ bekannt. Das hätte aber in den Unternehmen aber auch zur Folge, dass nicht nur Bewerber, sondern auch die Mitarbeiter Profile abgeben müssten. Was diesen einige Vorteile bietet.
Was muss im Unternehmen passieren?
hello.jobs kann an alle bestehenden Schnittstellen in den Unternehmen andocken, so auch an Bewerbermanagementsysteme. Das System braucht den Zugang zu den Datenbanken in den Unternehmen, und diese Daten sollten gut befüllt sein. Hier sind die Mitarbeiter gefragt, die Profile anlegen sollten, auch im eigenen Interesse. Meist gibt es diese schon, sie wurden aber zum Zeitpunkt der Einstellung angelegt. Das ist für KI zu wenig, um gute Ergebnisse zu bieten, die auch den Mitarbeitern gerecht werden. Fähigkeiten und Hobbies fließen in die Daten ein. Wie sonst sollten vielversprechende interne Jobkandidaten gefunden werden? Und: Wie wäre ohne diese Daten eine zielgerichtete Personalentwicklung umsetzbar?
Hier zeigt sich, dass hello.jobs weit über das Angebot einer Jobbörse hinaus geht. Das Know-how ist sehr vielseitig in den Unternehmen einsetzbar. Dabei können Bewerberdaten entweder durch hello.jobs verwaltet werden oder diese mit Hilfe des Know-hows der Jobbörse innerhalb des Unternehmens „smart“ gemacht werden. Ein Ziel sollte es auf jeden Fall sein, dass alle Bewerbungen, über welche Jobbörse auch immer diese hereinkommen, via hello.jobs zum Unternehmen laufen und so per KI angereichert werden, meint zur Jacobsmühlen.
Bei KI bedeutet Stillstand Rückschritt. HR muss die Ergebnisse des Systems kritisch-wohlwollend bewerten und kontrollieren. Und dann wird nachjustiert. Das ist die eine Seite. Die andere liegt in der Natur von KI begründet: Künstliche Intelligenz bedeutet stetiges Lernen des Systems. hello.jobs hinterfragt regelmäßig die Qualität der neuronalen Netzwerke, die die Basis der KI bilden – so in einem Projekt mit der Rheinischen Fachhochschule zu Anpassungen des Systems. Nicht nur in diesem Zusammenhang setzt hello.jobs auf strategische Partnerschaften. Kooperationen mit Unternehmen und ATS-System-Anbietern seien in vielfacher Hinsicht sehr erwünscht, erklärt zur Jacobsmühlen.
Über den Autor:
Helge Weinberg ist Journalist aus Hamburg und Mitglied der Redaktionen des „PR-Journals“, „DPRG Journals“ und des „Crosswater Job Guide“. Zudem schreibt er als Freelancer in diversen Fachzeitschriften über Arbeitgeberkommunikation, Employer Branding und Personalmarketing.