Sie müssen jetzt ganz stark sein: Employer Branding ist gescheitert
Von Gerhard Kenk, Crosswater Job Guide
Die Monotonie der Stellenanzeigen
Der zweite Tag des Recruiting Convent 2017 in Bensberg begann mit einem provokativen Vortrag über die Ergebnisse einer Analyse von 120.000 Stellenanzeigen – und wie diese textlich und inhaltlich eintönig und ohne Differenzierung Deutschlands Bewerber anlocken sollten.
Die semantische Analyse wurde in Zusammenarbeit zwischen Textkernel und Employer Telling GbR erstellt. Und diese Ergebnisse wurden quasi in der Höhle des Löwen präsentiert.
Zahlreiche Arbeitgeber, Recruiter, der Bundesverband Queb (Quality Employer Branding), und Vertreter der akademischen Welt, die sich seit Jahren mit Personalmarketing und Employer Branding wissenschaftlich befassten, konnten mussten sich die Kernthesen anhören. Diese waren wenig schmeichelhaft.
- Alle 9 Sekunden wird in Deutschland eine Stellenanzeige geschaltet
- Stellenanzeigen sind nach wie vor das Kerninstrument der Mitarbeiter-Suche
- In den Stellenanzeigen erscheinen keine Arbeitgeber-Profile, sondern es dominieren Unternehmensprofile
- „Wir sind groß und wir sind viele“
- Arbeitgeber sind leidenschaftliche Normalisierer
- Die vielfach diskutierte Candidate Experience findet sprachlich nicht statt.
- Anforderungskriterien sind aneinander gereiht Soft-Skill Wunschbilder, die gleichförmig sind und nicht differenzieren
- Es findet Arbeitgeberkommunikation nach dem Gießkannenprinzip statt und keine Kommunikation auf Augenhöhe.
Beispiel: Wer Teamfähigkeit fordert, muss Teamfähigkeit auch erklären.
Was sich in Stellenanzeigen ändern muss
- Wir brauchen mehr handwerkliche Professionalität
- Arbeitgeber müssen sich auch in Stellenanzeigen voneinander unterscheiden
- Was wir von Bewerbern erwarten, müssen wir auch selbst liefern
- Mehr Jobmarketing, weniger Auflistung
- Arbeitgeber sollten auch als Arbeitgeber kommunizieren
- Sie suchen – nicht die Kandidaten
Fazit: Die Monotonie der Stellenanzeigen führt zum Ende des Employer Branding
Welche Möglichkeiten gibt es zur Verbesserung von Stellenanzeigen?
Sprachliche Verbesserung führt zu einer besseren Verständlichkeit
Schon vor etwa zwei Jahren wurde im Crosswater Job Guide die Problematik der Verständlichkeit von Stellenanzeigen thematisiert: „Kevin kapiert keine Karriereanzeigen„. Im Mittelpunkt des Berichts stand die Möglichkeit, durch den Einsatz von kostenlosen Online-Tools die Lesbarkeit von Texten, insbesondere auch von Stellenanzeigen, mittels eines standardisierten Sprachanalyse-Tools zu testen und danach auch zu verbessern. Grundlage dieses Verfahrens ist der sogenannte „Flesch-Kincaid Reading Ease“ Index, der die Lesbarkeit eines Textes in Beziehung zum erforderlichen Schulniveau setzt.
Für diese Online-Analyse steht unter Readable.io kostenlos zur Verfügung. Eine Version für die Lesbarkeitsanalyse der deutschen Sprache finden Sie u. a. bei Psychometrica.
Neben diesen allgemeinen Tools zur Ermittlung der Lesbarkeit besteht bei Textio.com auch die Möglichkeit, speziell Stellenanzeigen zu analysieren und nach Arbeitgebern zu vergleichen (mehr lesen: #SOSUDE: Active Sourcing ist das Meisterhandwerk im Recruiting).
Lesbarkeit von Stellenanzeigen im Vergleich
Wer sich die verfügbaren Funktionen und Analysen von Textio einmal näher anschaut, wird die Möglichkeiten des Textio-Scores nach Arbeitgebern entdecken. Bei dieser Durchschnittsbetrachtung wird der erzielte Textio-Score über alle publizierten Stellenanzeigen des Arbeitgebers ermittelt, es wird erläutert, wie dieser Score im Vergleich mit Wettbewerbern steht und ob eine eher maskuline oder feminine Ausdrucksweise in den Stellenanzeigen vorkommt.
Die nachstehende Tabelle vergleicht als Stichprobe den durchschnittlichen Textio-Score namhafter Arbeitgeber. Auffallend ist die relative große Streuung der Textio-Score-Werte. So erzielt Google mit 71 den höchsten Score, während Thyssenkrupp mit einem Score von 10 am Ende steht.
Arbeitgeber | Textio-Score |
71 | |
64 | |
63 | |
Henkel | 55 |
55 | |
Amazon | 51 |
Allianz | 49 |
Indeed.com | 48 |
ProSiebenSat1 | 47 |
Microsoft | 46 |
Siemens | 44 |
adidas group | 43 |
SAP | 43 |
ManpowerGroup | 41 |
RWE | 38 |
Nestlé | 38 |
Deutsche Bank | 37 |
Lufthansa | 37 |
BASF | 36 |
Deutsche Börse | 36 |
Munich Re | 36 |
Volkswagen | 36 |
IBM | 36 |
Merck | 35 |
Unilever | 35 |
Oracle | 35 |
Deutsche Telekom | 30 |
Bayer | 28 |
Commerzbank | 28 |
Randstad | 28 |
BMW | 27 |
Daimler | 27 |
Fresenius | 27 |
Beiersdorf | 26 |
Continental | 24 |
Thyssenkrupp | 10 |
Handlungsempfehlung: Schneller A/B-Test verbessert Stellenanzeigen
Eigentlich ist es kein Hexenwerk. Wenn eine Stellenanzeige im Entwurf vorliegt, können Recruiter schnell und bequem eine Online-Analyse der Lesbarkeit durchführen. Zu viele lange Sätze? Worte mit zu vielen Silben? Zu hohes Bildungsniveau als Voraussetzung erforderlich? Viele dieser automatischen Tests geben wertvolle Hinweise, wie die Ausgangsversion einer Stellenanzeige stufenweise verbessert werden kann – bevor sie bei Jobbörsen, Jobsuchmaschinen oder der eigenen Unternehmenskarriereseite publiziert werden. Und für die Anzahl der Bullet-Points reicht die Zähl-Algebra der Grundschule.
Über Crosswater Job Guide
Seit 2000 berichtet der Crosswater Job Guide als unabhängiges HR-Nachrichtenportal über Jobbörsen, Recruiting, Karriere. Umfangreiche Datenbanken helfen Arbeitgeber und Bewerber, eine faktenbasierte Auswahl der richtigen Jobbörsen zu treffen. Benutzerurteile über die Zufriedenheit von Arbeitgebern oder Bewerbern mit den zahlreichen Jobbörsen werden im Rahmen einer Umfrage bei Jobbörsen-Kompass.de erhoben. Die Ergebnisse der Umfrage stehen Online kostenlos zur Verfügung.